Nachgefragt bei Martin Rütter: „Straßenhunde – ein Urlaubssouvenir?“
Wenn der Sommer auf Hochtouren läuft und allenthalben die Ferienzeit anbricht, schwappt die Urlaubswelle in der Regel mit aller Macht gegen Süden. Die wärmeren Gefilde in Griechenland, Italien oder Spanien locken als beliebte Entspannungsexile. Die südlichen Breitengrade als stressfreie Zone, um den Erholungsmodus einzuschalten und den aufreibenden Alltag einfach mal hinter sich zu lassen. Doch nicht selten entpuppt sich für uns Hundemenschen das mediterrane Idyll als trügerisch, bekommt die heile Welt unschöne Risse. Denn der schmerzhafte Alltag holt uns ziemlich schnell wieder ein, wenn wir am Straßenrand oder in der naturbelassenen Abgeschiedenheit einen verwahrlosten Vierbeiner erblicken, völlig einsam und auf sich alleine gestellt. Das Tierschützer-Herz in uns möchte natürlich am liebsten sofort aktiv werden, den Streuner einpacken und ab mit ihm in den nächsten Flieger Richtung Heimat.
Viele Leute suchen bei mir Rat, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten sollen. Handelt man klug und wirklich zum Wohle der Hunde, wenn man sie viele tausend Kilometer entfernt in ein neues, vermeintlich besseres Leben verfrachtet? Soll man tatsächlich jeden Hund ohne Umschweife mitnehmen, in der Hoffnung, ihm damit etwas Gutes zu tun? Geht es ihm dann hier überhaupt besser?
Ein schwieriges Thema, das man sehr differenziert und von Fall zu Fall betrachten muss. Ich sehe diese im Kern gut gemeinten Aktionen eher kritisch. Klar, natürlich gibt es Ausnahmen. Wenn ein Hund mit urbanem Umfeld und den damit verbundenen Umweltreizen vertraut ist, kann eine Integration hier durchaus ohne Komplikationen verlaufen. Wenn er aber Menschen, Straßenverkehr, Lärm und Trubel überhaupt nicht gewöhnt ist, geschweige denn kennt, wird es problematisch. Verfrachtet man beispielsweise ein Tier aus der spanischen Pampa in eine Etagenwohnung in Berlin, ist das Dilemma vorprogrammiert. Ich würde auch keinen Neandertaler nach New York schicken, ihm die Fernbedienung und das Smartphone in die Hand drücken und ihm dann einen angenehmen Aufenthalt wünschen. Das funktioniert nicht. Viele dieser Hunde haben sich lange Zeit alleine durchgeboxt und nie gelernt, auf jemanden einzugehen. Ihnen fehlt der soziale Background.
Die Schwierigkeiten würden hier unter Umständen noch zunehmen. Deshalb bin ich ein Verfechter davon, Probleme immer vor Ort zu lösen, den Missstand an der Wurzel zu bekämpfen. Denn überhastete Einzelaktionen aus Mitleid, so gut ich diese natürlich nachvollziehen kann, sind meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein ohne nachhaltigen Effekt und ändern nichts an der grundlegenden Problematik. Und überdies: Auch in unseren hiesigen Tierheimen wimmelt es von vielen tollen Hunden, die es verdient haben, dass man ihnen eine neue Chance gibt. Deshalb bitte zuerst immer auch den Blick in unsere Tierheime wagen.