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Rüde + Hündin unkastriert im selben Haushalt - geht das?

Ich habe zwei Labradore, Cayden und Zia. Beide sind unkastriert. Zweimal im Jahr wird Zia läufig, und auch dann können die beiden zusammenleben. Cayden bemerkt sehr wohl, was Phase ist. Er beleckt Zia, kontrolliert somit ihren Hormonstatus, und ist noch erpichter darauf, draußen über ihre Pinkelstellen zu markieren. Manchmal gockelt er ein bisschen vor ihr herum, aber das ist nicht besonders heftig. Also alles wie immer. 

Sobald jedoch Zia in die Standhitze kommt, ist es vorbei mit Monsieurs Contenance. Dann stellt Cayden die Öhrchen, tropft wie ein Kieslaster und nimmt tänzelnd Anlauf, um bei Zia aufzureiten. Die wiederum nimmt es gelassen, bietet sich ihm aber auch nicht besonders dar. An etwas anderes als den Akt der Vermehrung kann mein Rüde dann nicht mehr denken. Was ja, biologisch betrachtet, völlig normal und sinnvoll ist. Die eigenen Gene weiterzugeben, ist das oberste Gut und dient der Erhaltung der Spezies. 

Demzufolge darf dieser innere Drang nicht so leicht vergehen. Dranbleiben, heißt die Devise – und das ca. fünf Tage lang. Denn so lange dauert die Standhitze bei meiner Hündin. In dieser Zeit muss ich Zia und Cayden getrennt halten. Bei uns zu Hause werden dann Trenngitter aufgestellt, diese noch abgehängt, damit sich die beiden nicht die ganze Zeit durch die Stäbe anschmachten. Für diese Tage bleiben die beiden in zugeteilten Bereichen. So kann Cayden auch mal entspannen, weil Zia nicht auf denselben Plätzen rumliegt wie er. Nachts schläft Zia in einer großen Stoffbox (achteckiger Welpenauslauf).

Die Spaziergänge laufen in den gewissen Tagen getrennt ab. Für Zia scheint immer alles völlig normal. Sie verhält sich Cayden gegenüber kein bisschen anders als sonst. Aber Cay hat deutlich Stress. Wer ihn kennt, weiß, er ist ein ganz Braver – das Schlimmste für ihn ist Stress mit Mutti. Von daher kann ich ihn trotz der Hormone immer noch ansprechen. Aber er leidet, das merkt man deutlich. Und das muss und sollte nicht sein. Also gehen wir nicht gemeinsam raus. Jeder bekommt seinen eigenen Spaziergang mit eigener Bespaßung und eigener Ansprache. Ja, das ist wesentlich mehr Aufwand für mich. Aber das nehme ich gerne hin, wenn es meinen Hunden hilft. 

Etwas, das das Zusammenleben mit einer intakten Hündin mit sich bringt: Der intakte Rüde lernt genau, wann die Hündin „einfach nur läufig“ ist und wann es wirklich interessant für ihn wird. Für Cayden ist eine läufige Hündin, der er draußen begegnet, einfach nur eine Hündin. Er hängt sich da nicht gleich dran und dreht hohl. Und selbst bei Standhitze würde er sie erst mal kennen lernen wollen. Die Chance, das zu unterscheiden und zu lernen, haben die wenigsten intakten Rüden. Sie werden bei Spaziergängen oder in der Hundeschule mit läufigen Hündinnen konfrontiert und wissen überhaupt nicht damit umzugehen. Es entsteht purer Stress – für Hund und für HalterIn. 

Aber Lernen kann nur stattfinden, wenn man auch die Gelegenheit dazu hat. Deshalb finde ich es gut, wenn man seinen weiblichen Hundekumpel nicht meidet, sobald sie läufig ist. Ein angeleinter Spaziergang in passendem Abstand kann einem unkastrierten Rüden helfen, sich mit dieser Geruchswelt mal auseinander zu setzen. Klar, hier sollte dann auch der/ die RüdenhalterIn mitwirken, so dass der Hund ansprechbar und ablenkbar bleibt, z. B. mit einer gemeinsamen Beschäftigung mit dem eigenen Menschen. 

Niemals sollte es so sein, dass eine läufige Hündin sich gegenüber unkastrierten, aufdringlichen Rüden erwehren muss. Das ist eine Zumutung und nicht ok. Ich spreche hier nicht von einem kurzen Abschnappen - der Rüde kapiert es und trollt sich. Ich meine damit Rüden, die mit quer stehenden Augen aufreiten, ihren Namen vergessen, und HalterInnen, die danebenstehen und sagen „Die soll dem ruhig mal Bescheid sagen!“. 

NO WAY! 

Hier greift bitte immer der Mensch ein: Die Hündin wird geschützt, der Rüde wird auf Abstand gebracht, bestenfalls sogar weggebracht, weil der arme Kerl sowieso völlig drüber ist. Durch Reinsteigern und Abwarten, bis es knallt, hat noch keiner bisher was Angenehmes gelernt!

Wenn du mehr zum Thema Hormone, Sexualität und Kastration bei Rüde und Hündin wissen möchtest, kann ich das Buch von Sophie Strodtbeck wärmstens empfehlen. Kleiner, unbezahlter Werbeblock: „Let’s talk about sex – Sexualverhalten, Hormone, Kastration bei Hunden“, Sophie Strodtbeck, Müller Rüschlikon Verlag. 

Und wenn du wissen möchtest, was genau für deinen Hund das Beste in der Hinsicht ist, dann frag mich. Denn ich kenne sowohl das Buch als auch dich und deinen Hund. :)