Halsband, Geschirr und Co. aus tiermedizinischer Sicht
Auf meinen nächsten Termin wartend, sitze ich im Auto. Im Rückspiegel beobachte ich eine Frau mit ihrem Hund auf der anderen Straßenseite. Der Hund zieht mächtig an der Leine. Die Frau scheint verzweifelt zu sein und ihrem Hund gut zuzureden. Sie bleibt minutenlang stehen und wartet darauf, dass der Hund den Zug auf die Leine verringert. Doch der dreht sich nicht zu ihr um. Dann beginnt sie wieder zu laufen und der Hund zieht ebenso stark an der Leine wie zuvor. Sie hangelt sich über die Leine zu ihm nach vorne und ruckt halbherzig an der Leine. Der Hund duckt sich und setzt sich hin. Er beginnt zu hecheln und man sieht deutlich, dass ihn die Situation verunsichert und stresst. Sie laufen gemeinsam los und wieder zieht der Hund an der Leine. Diese Abfolge wiederholt sich ein paar Mal, bis die Frau aufzugeben scheint und ihn wieder ziehen lässt. Dann verschwinden sie hinter der nächsten Kurve.
Mich stimmen solche Beobachtungen traurig. Gern würde ich diesen Menschen zeigen, dass Hunde-Erziehung auch ohne Schmerzen, Stress, Angst und Unsicherheit funktioniert und wie man zu einem vertrauensvollen Team zusammenwächst. Ich sehe die Verzweiflung, die Hilflosigkeit und den Frust auf beiden Seiten. Verständnis entsteht durch die Vermittlung von Wissen. Die Menschen müssen lernen, ihre Hunde zu verstehen, indem sie deren Körpersprache lesen können. Sie müssen verstehen, dass sie der souveräne Partner in der Beziehung Mensch-Hund werden müssen, und dass dies nicht durch übertriebene Strenge und Strafmaßnahmen, sondern durch ein individuell auf den jeweiligen Hund angepasstes Training erfolgt. Viele der heutzutage leider immer noch angewandten Erziehungsmethoden haben jedoch insbesondere auf die Psyche des Hundes schädigende Auswirkungen und führen häufig zu Angst, Schmerzen, dem Gefühl von Hilflosigkeit, Überforderung und Kontrollverlust. Psychisches Leid kann man nur schwer an medizinischen Befunden festmachen, sodass diese Auswirkungen nicht selten unerkannt bleiben.
Gerade der Einsatz von körperlichen Strafmaßnahmen, wie dem Nackengriff mit Schütteln oder dem beidseitigen Festhalten im Nackenfell mit gleichzeitigem Anstarren, ist abzulehnen. Auch wenn es dabei sicherlich zu körperlichen Verletzungen kommen kann, stehen hierbei die psychischen Schäden im Vordergrund. Wenn ein Hund den anderen im Nacken packt und schüttelt, steht in der Regel eine ernste Verletzungsabsicht dahinter. Wie soll sich ein Hund fühlen, wenn der Mensch dies zu seiner Maßregelung nutzt? Der Vertrauensverlust ist quasi schon vorprogrammiert. Auch das Anstarren ist unter Hunden als ernsthafte Drohung zu verstehen. Kann der Hund dieser Drohung des Menschen nun nicht ausweichen, weil er mit den Händen festgehalten wird, ist die psychische Belastung immens.
Erziehungshelfer unter der Lupe
Sind Hilfsmittel als „schlecht“ und für das Training ungeeignet anzusehen, und wenn ja, welche? Hilfsmittel kommen z. B. dann zum Einsatz, wenn der Hund im Alltag außerhalb des eigenen Grundstücks geführt werden muss. Um ihn und andere zu schützen bzw. nicht zu belästigen, können Halsband, Geschirr und Leine geeignete Hilfsmittel sein. Hilfsmittel werden aber auch dann eingesetzt, wenn zuvor angewandte Erziehungsmethoden nicht wirken oder der Mensch körperlich nicht in der Lage ist, den Hund zu halten.
Die Tücken des Halsbands
Eines der am häufigsten genutzten Hilfsmittel in der Hundeerziehung ist wohl das Halsband, dass es in vier unterschiedlichen Ausführungen gibt: das „einfache“ Halsband, das sogenannte „Halbwürger-“ oder auch „Zugstopp-Halsband“, das „Würgehalsband“ oder auch „Zughalsband“ sowie das „Korallen-“ oder auch „Stachelhalsband“.
Das „einfache“ Halsband kann aus Leder, Stoff oder Kunststoff gefertigt sein. Entscheidend in Bezug auf die schädigende Wirkung ist seine Breite, denn je dünner das Halsband, desto mehr Druck wird auf eine bestimmte Stelle am Hals ausgeübt, sobald Zug auf das Halsband kommt. Als Faustregel gilt: Die Breite des Halsbandes sollte mindestens der Breite des Nasenspiegels des Hundes entsprechen. Bei Windhunden gibt es sogar noch viel breitere Spezialanfertigungen, da sie in der Regel in Bezug auf die Proportion zum restlichen Körper einen besonders langen Hals besitzen und das Halsband bei ihnen daher deutlich breiter als der Nasenspiegel sein sollte.
Grundsätzlich werden alle Halsbänder aus tiermedizinischer Sicht problematisch, sobald durch Zug am Halsband (über die Einwirkung durch die Leine) Druck auf den Hundehals ausgeübt wird. Läuft ein Hund entspannt an lockerer Leine, wird das Halsband nicht belastet, die lockere Verbindung dient dem Hund lediglich als Orientierungshilfe bzw. in plötzlich auftretenden Gefahrensituationen zur Sicherung des Hundes. Wird Zug über das Halsband aufgebaut, wirkt sich dieser auf die Organe des Hundekörpers aus. Dies geschieht sowohl beim Zug oder Ruck an der Leine, als auch bei Hunden, die aus unterschiedlichsten Gründen aus eigenem Antrieb stark an der Leine ziehen.
Welche Organe können hierbei betroffen sein? Halsbänder sitzen in der Regel im Bereich des vierten und fünften Halswirbels. Unterhalb der Halswirbel und zwischen mehreren großen Muskelgruppen liegen die Halsschlagader, die Luftröhre, die Speiseröhre, Nerven und die Schilddrüse. Durch Zug auf das Halsband werden diese Organe zusammengequetscht und je nach Stärke der Einwirkung kann es zur Beschädigung dieser Organe und Einschränkung ihrer Funktionen kommen. Nun müsste man ja meinen, dass ein Hund selbst merkt, dass ein Verhalten ihm Schmerzen bereitet und für ihn schädlich ist, und er es deshalb einstellt bzw. anderweitig reagiert. Doch wenn andere Motivationen stärker sind als die Vermeidung von Schmerzen und Schäden, handeln einige Hunde quasi „ohne Rücksicht auf eigene Verluste“.
Ich habe Hunde kennengelernt, die alles versuchen, um zum Hund auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu gelangen, mit der Absicht, diesen zu verletzen – und das, obwohl sie angeleint sind, und die sich dabei selbst durch die Schmerzen, die durch den Druck des Halsbandes auf den Hals entstehen, nicht zurückhalten lassen. Nicht selten hört man ein Röcheln oder Husten des an der Leine zerrenden Hundes, das mehrere Minuten andauern kann. Durch die Atemnot kann ein Lungenödem entstehen, der Augeninnendruck kann ansteigen und Schäden an der Schilddrüse können zu Schilddrüsenerkrankungen führen. Auch Bandscheibenvorfälle, Nervenverletzungen und Spätfolgen wie Arthrose und Spondylose können eine Folge sein. Die dadurch entstehenden Schmerzen können wiederum Aggressionsverhalten auslösen bzw. bestehendes Aggressionsverhalten verstärken.
Spezial-Halsbänder
Vergleichbar in der Wirkungsweise mit dem „einfachen Halsband“ sind die sogenannte „Halbwürger-“ oder „Zugstopp- Halsbänder“. Sie sollen den Hund, anders als der Name es vermuten lässt, nicht würgen. Dazu müssen sie aber richtig angelegt sein! Diese Halsbänder besitzen einen Zugstopp, der verhindert, dass sich das Halsband unendlich zusammenzieht und den Hund dadurch würgt. Der Vorteil dieser Halsbänder gegenüber dem einfachen Halsband liegt darin, dass sie so eng eingestellt werden können, dass der Hund sich das Halsband nicht über den Kopf abstreifen oder beim Rückwärtsgehen selbst herausschlüpfen kann, ohne Zug jedoch sehr locker um den Hals liegen. Ein solches Halsband kann daher bei Hunden mit viel Fell oder viel Haut im Halsbereich (der sogenannten „Wamme“) angenehmer zu tragen sein als ein einfaches Halsband. Tierschutzrelevante Hilfsmittel „Würgehalsbänder“ dagegen haben diesen Zugstopp nicht und sind in Deutschland nach § 1 und § 3 des Deutschen Tierschutzgesetzes verboten, denn demzufolge „darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Zudem „ist es verboten, ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind“. Es werden jedoch keine Hilfsmittel explizit im Deutschen Tierschutzgesetz aufgezählt, sodass sich einige Trainer leider immer noch darauf berufen, dass der Einsatz von Würgehalsbändern, aber auch von Stachelhalsbändern, gerechtfertigt wäre, da es ja nicht zu „erheblichen“ Schmerzen kommen und die Erziehung des Hundes ja durchaus ein „vernünftiger Grund“ darstellen würde. Dass man Hunde nicht über Schmerzen erziehen muss, ist längst keine Frage mehr. Doch sind die Schmerzen bei der Anwendung dieser Hilfsmittel wirklich nicht erheblich?
Verwendet man Würgehalsbänder, besteht die Gefahr, dass sich das Halsband so stark zusammenzieht, dass der Hund stranguliert wird. Eine besonders schmerzhafte Wirkung wird über das eng fixierte Anlegen der Leine direkt hinter den Ohren verursacht, da hierüber die Luftzufuhr im Kehlkopfbereich des Hundes unterbunden wird und dieser sofort in Atemnot gerät. Hält ein Trainer eine solche Maßnahme für notwendig, um den Hund zu erziehen, oder wohl besser gesagt, „gefügig zu machen“, sollte man sofort das Training beenden, da es nicht nur zu Schmerzen und Schäden, sondern auch zu einem großen Vertrauensverlust in Bezug auf den Halter führen kann.
Ähnliches gilt für das „Korallen- oder Stachelhalsband“, bei dessen Verwendung tiefe Wunden mit eitrigen Entzündungen entstehen können. Die Anwendung von Gumminoppen auf den Stacheln verhindert zwar, dass die Stacheln zu blutigen Verletzungen am Hundehals führen, jedoch verstärkt sich damit noch die schmerzhafte Wirkung durch die Quetschung. So oder so ist die Verwendung dieses Hilfsmittels daher natürlich absolut abzulehnen. Leider scheint es dennoch so, dass immer noch viel zu viele Menschen denken, dass Hunde nur durch Strafe erzogen werden können. Es liegt also an uns Trainern, hier aufzuklären. Wer seinem Hund in kleinen Schritten zeigt, welches Verhalten er von ihm erwartet und richtiges Verhalten belohnt und verstärkt, wird den Hund nicht nur erfolgreich erziehen, er wird auch zum Partner, dem sein Hund vertraut.
Den Leinenruck „beschönigen“?
Den Ruck an der Leine sehe ich im Alltag bei den unterschiedlichsten Mensch- Hund-Teams leider immer noch relativ häufig. Da mittlerweile viele Menschen wissen, dass Hunde nicht über grobe körperliche Einwirkungen trainiert werden sollten, wird das Rucken an der Leine nicht selten „beschönigt“: „Ich zupfe ja nur ein bisschen …“ Gerade am Hals sitzen jedoch empfindliche Organe des Hundes. Auch ein leichtes „Zupfen“ ist daher nichts anderes als ein Leinenruck und für den Hund eine unangenehme Einwirkung, die selbst bei leichter Ausführung mit Schmerzen verbunden sein kann. In diversen Internet-Foren findet man zudem oft hilfreiche Ratschläge, die genaue Anweisungen geben, wie ein Ruck beim Hund erfolgen muss: „Wenn schon Leinenruck, dann bitte zur Seite, damit unterbricht man das Vorwärtsziehen des Hundes.“ Solche Kommentare machen mich ebenfalls sprachlos, denn ich frage mich, woher diese Tipps stammen. Es gibt keinen Unterschied in der Wirkung, ob der Leinenruck von oben, unten, links oder rechts erfolgt, es ist und bleibt eine unangenehme und damit bestrafende Einwirkung für den Hund, die dem Lernprinzip der positiven Bestrafung folgt: Nach dem unerwünschten Verhalten folgt eine für den Hund unangenehme Konsequenz, damit der Hund das Verhalten in Zukunft nicht mehr zeigt.
Wäre es nicht viel schöner, wir würden dem Hund einfach erst einmal zeigen, was wir überhaupt von ihm erwarten und diesem erwünschten Verhalten dann eine angenehme Konsequenz folgen lassen, also mit positiver Verstärkung trainieren? Das geht beim Aufbau der Leinenführigkeit nämlich genauso einfach wie bei jedem anderen „Trick“, den man dem Hund beibringen will. Wichtig ist nur, dass man das Training in kleinen Schritten aufbaut und den Hund nicht überfordert. Doch was soll man tun, wenn man mit einem angeleinten Hund durch eine Situation laufen muss, die für ihn noch zu schwierig ist, weil die Ablenkungen einfach zu groß sind? In solchen Fällen kann man sich behelfen, indem man den Hund immer nur dann am Halsband führt, wenn man die Leinenführigkeit trainiert, und in allen anderen Situationen die Leine am Geschirr befestigt.
Vor- & Nachteile des Geschirrs
Damit sind wir dann eigentlich auch direkt beim nächsten Punkt: Viele Menschen möchten ihren Hund aufgrund der möglichen Verletzungsgefahr überhaupt nicht am Halsband führen, sondern grundsätzlich lieber ein Geschirr nutzen. Doch ist das überhaupt „besser“? Die unendliche Geschichte von Halsband und Geschirr füllt ganze Foren und wird unter Hundehaltern heiß diskutiert. Aber wieso „unendlich“? Weil es nicht die Antwort auf diese Frage gibt. Denn auch ein Geschirr kann bei starkem Zug an der Leine zu gesundheitlichen Schäden führen. Es gibt zahlreiche Varianten und die Auswahl des passenden Geschirrs ist gar nicht so einfach. Um den richtigen Sitz, beziehungsweise Vor- oder Nachteile bestimmter Modelle zu beurteilen, muss man sich das Skelett des Hundes anschauen. Beim „Geschirr mit Brustriemen“ verläuft ein Gurt quer über die Brust des Hundes. Dieser ist mit einem Gurt verbunden der hinter den Vordergliedmaßen den Brustkorb umschließt. Ein solches Geschirr liegt über dem Schultergelenk. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit der Schulter eingeschränkt und bei Zug auf der Leine wird der Druck auf verschiedene Knochenpunkte im Schultergelenk ausgeübt. Daher ist der dauerhafte Einsatz dieses Geschirrs nicht zu empfehlen.
Das „Geschirr mit Schulterriemen“ besitzt zwei Gurte, die den Hals sowie den Brustkorb umschließen und mit zwei Stegen, dem Bauch- und dem Rückengurt, miteinander verbunden sind. Dadurch wird, wenn Zug auf die Leine kommt, weniger Druck auf das Schultergelenk ausgeübt und der Druck relativ gleichmäßig auf den Brustkorb verteilt. Zugpunkt ist hierbei das Brustbein. Dieses Geschirr gibt es in unterschiedlichen Varianten, vom einfachen Nylongeschirr mit relativ dünnen Gurten, die bei Zug schnell einschneiden, bis hin zum komfortablen gepolsterten Geschirr mit breiten Gurten bzw. Stoffeinsätzen. Doch zu empfehlen ist auch dieses Geschirr nur dann, wenn es dem Hund wirklich passt.
Dies ist generell der große Nachteil gegenüber Halsbändern, denn da ein Geschirr den Hund an deutlich mehr Stellen umfasst, sind die unterschiedlichen Maße, gerade in Bezug auf die vielen unterschiedlichen Rassen und deren komplett anderen Körperbau oft gravierend. Hinzu kommt, dass der Körper des Hundes sich verändert, zunächst im Wachstum vom Welpen zum Junghund, später dann in Bezug auf Breite und Bemuskelung beim Übergang von der Pubertät zum erwachsenen Hund, aber auch dann, wenn der Hund altert. Kann man ein Halsband relativ einfach einstellen und an körperliche Veränderungen anpassen, ist dies beim Geschirr nur bedingt möglich. Ein zu kurzes Geschirr führt dann schnell zu wunden Scheuerstellen hinter den Ellenbogen, ein zu großes Geschirr rutscht hin und her und behindert den Hund beim Laufen.
Das Ausbildungsgeschirr
Eine weitere Geschirr-Variante, die in letzter Zeit immer beliebter wird, ist das Ausbildungsgeschirr. Hier handelt es sich um eine abgewandelte Ausführung des „Geschirrs mit Brustriemen“, das bei Hunden eingesetzt wird, die stark an der Leine ziehen und damit zur Gefahr für ihren Menschen werden, die den Hund ansonsten nicht halten können. Anders als beim normalen „Geschirr mit Brustriemen“ besitzt dieses Geschirr zwei Ringe, an denen eine Leine befestigt werden kann. Ein Ring befindet sich auf dem Rücken, der zweite Ring sitzt mittig auf dem Brustriemen. Zieht der Hund nach vorne, biegt der Mensch in die entgegengesetzte Richtung ab. Dabei führt er den Hund mithilfe der am vorderen Ring befestigten Leine sanft in die andere Richtung. Durch den Zug übt das Geschirr Druck auf die äußere Schulter des Hundes aus. Der Hund wird nun noch mehr in seiner Vorwärtsbewegung eingeschränkt als dies beim normalen Geschirr mit Brustriemen schon der Fall ist.
Die Einwirkung muss also wirklich vorsichtig erfolgen. Keinesfalls sollte der Hund ausschließlich über den vorderen Ring geführt werden. Es sollte immer eine zweite Leine am oberen Ring auf dem Rücken eingehakt sein, mit welcher der Hund im Notfall gehalten werden kann. Das Ausbildungsgeschirr ist nur als kurzfristiges Hilfsmittel anzusehen, das keinesfalls dauerhaft eingesetzt werden sollte. Doch eine gute Leinenführigkeit ist nicht innerhalb von wenigen Tagen erreichbar und so kann das Ausbildungsgeschirr helfen, den Hund übergangsweise spazieren zu führen, ohne dass Mensch und Hund sich und andere gefährden. Gerade für Halter, die ihren Hund sonst nur mithilfe eines Ketten-, Würge- oder sogar Stachelhalsbandes führen können, ist das Ausbildungsgeschirr eine gute Alternative, bis der Hund auch ohne dieses Hilfsmittel an lockerer Leine laufen kann.
Das Kopfhalfter
Seitdem das Ausbildungsgeschirr auf dem Markt ist, sieht man Hunde, die am sogenannten Kopfhalfter geführt werden, nicht mehr ganz so häufig. Es ist dem Halfter bei Pferden ähnlich: Ein Riemen wird über die Nase des Hundes gelegt, ein zweiter Riemen wird hinter den Ohren des Hundes im Genick verschlossen. Der Nasenriemen ist als Zugriemen ausgelegt, in den am unteren Ring die Führleine eingehakt wird. Zieht der Hund an der Leine, zieht sich der Nasenriemen zusammen, der Hund kann nicht mehr nach vorne ziehen. Problematisch ist hierbei jedoch, dass das Kopfhalfter dabei auf das Genick des Hundes wirkt, man spricht von einer sogenannten Hebelfunktion. Ein heftiger Ruck kann daher zu einer wirklich starken Verletzung der Wirbelsäule im Hals-Nacken-Bereich führen! Die Krafteinwirkung des Hebels wird zudem nicht nur von der eigenen Hand und damit der eigenen Kraft bestimmt, sondern auch von der Bewegung des Hundes. Schießt dieser nach vorne und bringt dadurch Spannung auf die Leine des Kopfhalfters, wirken unheimlich starke Kräfte auf das Genick des Hundes. Aus diesem Grund darf ein Hund niemals ausschließlich am Kopfhalfter geführt werden. Der Hund muss immer zusätzlich ein Geschirr oder ein Halsband tragen, an dem eine zweite Leine befestigt ist und mit welcher der Hund in solchen Situationen gehalten werden kann.
Ein großer Vorteil des Kopfhalfters ist aber damit auch, dass der Mensch eben nur sehr wenig Kraft benötigt, um den Hund in eine andere Richtung zu lenken. Möchte der Mensch einen Richtungswechsel durchführen, spricht er den Hund an und wendet dann durch vorsichtigen Zug an der am Nasenriemen befestigten Leine den Kopf des Hundes ab. Sobald der Hund der Einwirkung folgt, wird er belohnt und die Leine wieder locker gelassen. Der Hund lernt damit in kleinen Schritten in schwierigen Situationen an lockerer Leine zu laufen. Parallel dazu muss aber auch die Leinenführigkeit ohne Kopfhalfter trainiert sowie die Ursache für das Ziehen an der Leine herausgefunden und beseitigt werden. Nur dann wird der Hund irgendwann auch ohne Kopfhalfter an lockerer Leine laufen. Das Kopfhalfter ist daher nicht für eine dauerhafte Verwendung geeignet.
Vorteil des Kopfhalfters gegenüber dem Ausbildungsgeschirr ist jedoch, dass der Kopf des Hundes gesichert ist. Hunde, die aggressives Verhalten gegenüber Artgenossen oder dem eigenen Halter zeigen, können damit sicherer geführt werden. Allerdings ist die Gewöhnung an das Kopfhalfter auch schwieriger, denn der Nasenriemen wirkt für den Hund wie ein Schnauzgriff. Selbst ohne Zug auf die Leine nimmt der Hund den über der Nase liegenden Riemen als unangenehme Einwirkung wahr, sodass er zunächst versuchen wird, diesen abzustreifen. Daher muss der Hund vor Einsatz des Kopfhalfters in kleinen Schritten an das Tragen gewöhnt werden. Doch sollte man immer im Kopf haben, dass man eigentlich dauerhaft mit einer für den Hund unangenehmen Einwirkung trainiert, selbst wenn der Hund sich an den Nasenriemen gewöhnt hat und man im Training erwünschtes Verhalten belohnt. Der Einsatz des Kopfhalfters ist daher doppelt kritisch zu sehen, sowohl aus medizinischer als auch aus verhaltenstherapeutischer Sicht und muss gut überdacht werden!
Erziehung basiert auf Respekt
Grundsätzlich wünsche mir, dass sich immer mehr Menschen mit den Folgen bestimmter Erziehungsmethoden und Hilfsmittel auseinandersetzen und die Hilfe erhalten, die sie dringend benötigen. Ich möchte harmonische Mensch-Hund- Teams beobachten, die mit Respekt und in Rücksichtnahme aufeinander die kurze gemeinsame Zeit, die wir mit unseren Vierbeinern haben, genießen können und nicht aus Frustration und Verzweiflung auf ungeeignete Hilfsmittel und Erziehungsmethoden zurückgreifen.
Vielen Dank an Valérie Pötter (Martin Rütter DOGS Oldenburg) für diesen tollen Artikel für die Zeitschrift "Mein Hund und Ich".