Viel mehr als reine Konditionierungsmaschinen
Lange wurden Hunde als reine Reiz-Reaktions-Apparate betrachtet. Doch gerade in den letzten Jahren fördert die Wissenschaft Erstaunliches über ihr Lernverhalten zutage. Die Erkenntnisse lassen sich auch für Training und Alltag mit Hund nutzen.
Für meine Hündinnen Ronja (8 Jahre, Mischling) und Gaia (2 Jahre, Weißer Schweizer Schäferhund) gab es eine Rinderkopfhaut zum Kauen. Gaia war, wie immer, schneller fertig als Ronja und lief in der Wohnung umher. Ich beobachtete mit großem Staunen das nun folgende Schauspiel: Gaia lief zur Tür und bellte so, als ob sich jemand davor aufhalten würde. Ronja sprang aus ihrem Körbchen auf und lief ebenfalls bellend zur Tür. Während Ronja noch auf dem Weg zur Tür war, lief Gaia schon zielstrebig zu Ronjas Körbchen, in dem natürlich noch die Reste des Kauartikels lagen. Gaia nahm sich diesen und trug ihn stolz in ihr eigenes Körbchen, um dort nun ihre Eroberung zu fressen. Ich war damals, vor etwa 15 Jahren, wirklich sehr erstaunt über diese Denkleistung der Weißen Schäferhündin, die sich eine clevere Strategie überlegt hatte, um an ihr Ziel zu kommen.
Dieses eine Beispiel aus dem Bereich des kognitiven Lernens verdeutlicht schon, dass Hunde zu so viel mehr in der Lage sind, als die reine Konditionierungsmaschine, für die sie lange Zeit gehalten wurden. In den letzten Jahren widmet sich die Forschung vermehrt den kognitiven Fähigkeiten der Hunde und bringt immer wieder neue Erkenntnisse zu Tage. Doch natürlich dürfen die Konditionierungstheorien nicht gänzlich in den Hintergrund rücken, denn auch diese Prozesse laufen immer und ständig im Zusammenleben mit unseren Hunden ab. Vielmehr kommt es darauf an, sämtliche Aspekte des Lernens beim Training unserer Hunde zu berücksichtigen und individuell die jeweils beste Lernform auszuwählen.
Alle Lernformen beim Hund zu erläutern, würde den Umfang des Artikels sprengen, sodass ich an dieser Stelle lediglich auf einige, für das Hundetraining wichtige Lernformen eingehen möchte. Wie bereits geschrieben, sind die klassische sowie die operante Konditionierung natürlich auch heute noch wichtige Aspekte, die beim Trainingsaufbau berücksichtigt werden müssen. Doch was genau versteht man eigentlich darunter?
Operante Konditionierung
Bei der Operanten Konditionierung geht es um eine Verstärkung bzw. Abschwächung eines Verhaltens, das durch Hinzufügen oder Wegnehmen von angenehmen oder unangenehmen Folgen entsteht. Verwirrend ist dabei für viele Hundehalter die Bezeichnung der vier unterschiedlichen Lernformen, der positiven oder negativen Verstärkung sowie der positiven oder negativen Bestrafung, denn das positiv bzw. negativ in der Bezeichnung hat nichts mit der Wertung der Folgen zu tun, sondern besagt lediglich, dass eine Folge (die dann wiederum angenehm oder unangenehm sein kann) hinzugefügt oder weggenommen wird. Mathematisch ausgedrückt stehen die Begriffe positiv bzw. negativ also für „+“ (Plus) oder „-“ (Minus). Doch schauen wir uns die einzelnen Möglichkeiten zur Beeinflussung des Verhaltens unserer Hunde einmal genauer an.
Verstärkung
Die beiden Lernformen der Verstärkung wirken, wie es der Name schon sagt, verstärkend auf ein zuvor gezeigtes Verhalten. Ein Hund wird ein Verhalten also häufiger zeigen, wenn eine dieser beiden Lernformen zugrunde liegt:
• Positive Verstärkung: Nach dem Verhalten wird eine angenehme Folge hinzugefügt. Bekommt der Hund z. B. ein Stück Futter, wenn er sich hingesetzt hat, wird er sich nach dem Lernprinzip der positiven Verstärkung zukünftig öfter hinsetzen.
• Negative Verstärkung: Nach dem Verhalten wird eine unangenehme Folge weggenommen. Steht der Mensch so lange mit dem Fuß auf der am Halsband des Hundes befestigten, stramm angezogenen Leine, hört der Zug auf der Leine erst dann auf, wenn der Hund sich hinlegt. Nach dem Lernprinzip der negativen Verstärkung wird sich der Hund daraufhin zukünftig häufiger hinlegen.
Bestrafung
Die beiden Lernformen der Bestrafung wirken abschwächend auf ein zuvor gezeigtes Verhalten. Ein Hund wird ein Verhalten also seltener zeigen, wenn eine dieser beiden Lernformen zugrunde liegt:
• Positive Bestrafung: Nach dem Verhalten wird eine unangenehme Folge hinzugefügt. Wenn der Hund an der Leine zieht, ruckt der Mensch an dieser und fügt dem Hund damit Schmerzen im Hals-Nacken- Bereich zu, damit der Hund zukünftig nicht mehr an gespannter Leine läuft.
• Negative Bestrafung: Nach dem Verhalten wird eine angenehme Folge weggenommen. Wenn der Hund bellt, damit der Mensch das geliebte Spielzeug endlich wirft, steckt der Mensch den Ball wieder in die Tasche, es findet kein Spiel statt. Der Hund wird zukünftig seltener bellen, wenn der Mensch das Spielzeug in der Hand hält.
Verhalten ist situationsabhängig
Schaut man sich die jeweiligen Beispiele der vier Operanten Konditionierungsmöglichkeiten beim Hund an, wird bereits deutlich, dass Hundetraining so bzw. allein damit nicht wirklich funktioniert. Dies liegt unter anderem daran, dass das Training von Hunden nicht unter streng geregelten Laborbedingungen stattfindet. Nur weil das Spielzeug eingesteckt wird, wenn der Hund seinen Menschen fordernd anbellt, wird er nicht lernen, wie der Mensch sich ein gemeinsames Spiel stattdessen vorstellt. Verknüpft man diese Lernform aber beispielsweise mit der positiven Verstärkung, indem man das Spielzeug genau dann herausholt, wenn der Hund ruhig ist und das Spiel startet, wenn der Hund nicht bellt, versteht der Hund schnell, was sein Mensch von ihm erwartet.
Zudem müssen Hund und Mensch die angenehme oder unangenehme Folge gleichermaßen bemessen. Damit das Training erfolgreich ist, muss man wissen, welchen Wert der Hund einer Folge zumisst. Wenn ein Hund z. B. an der Leine andere Hunde anbellt und der Mensch den Hund nun ignoriert, ihm also soziale Aufmerksamkeit entzieht, wird der Hund das Verhalten weiterhin zeigen, da die Aufmerksamkeit seines Menschen für ihn, zumindest in diesem Augenblick, nicht wichtig und damit nicht „angenehm“ ist.
Negative Bestrafung funktioniert aber nur dann, wenn „eine für den Hund angenehme Folge weggenommen wird“. Hinzukommt, dass der Erfolg, nämlich die Vertreibung des anderen Hundes, für den Hund angenehm ist. Damit wirkt hier das Prinzip der positiven Verstärkung, eine angenehme Folge nach einem Verhalten verstärkt das Auftreten des Verhaltens. Der Hund hat sich quasi also „selbst belohnt“ und wird damit zukünftig weiterhin andere Hunde an der Leine anbellen.
Individuell belohnen
Wie aber findet man heraus, was für den Hund wichtig ist und als angenehm gewertet wird? Im Training nutzt man als angenehme Folge häufig Futter. Da jeder Hund essen muss, sind Hunde quasi genetisch darauf programmiert, Futter positiv, also angenehm zu bewerten. Doch natürlich ist Futter nicht gleich Futter, und Hund nicht gleich Hund. Für den Labrador ist sogar das trockene Stück Brot ein absolutes Highlight, und das selbst am Ende des Trainings, wenn bei den meisten Hunden das Sättigungsgefühl schon erreicht ist. Dies liegt übrigens laut neuester Forschungsergebnisse daran, dass bei vielen Labrador Retrievern eine Genmutation vorhanden ist, die dazu führt, dass die Regulation der Nahrungsaufnahme gestört ist, diese Hunde haben dann einfach immer Hunger! Die meisten Hunde würden ein Stück trockenes Brot nicht unbedingt als eine sehr hochwertige, also „angenehme“ Belohnung betrachten, es sei denn, sie wären dem Verhungern nahe. Bei einem Stück Fleischwurst oder Käse sieht es da dann aber wieder ganz anders aus, eine solche Leckerei steht bei den meisten Hunden hoch im Kurs.
Dennoch gibt es auch Hunde, für die Futter, und zwar egal welches, nicht die oberste Priorität hat, und die nicht einmal die in Hundehalterkreisen vom Geheimtipp zur Wunderwaffe aufgestiegene Leberwursttube begeistern kann. Doch sobald man das heiß geliebte Bällchen herausholt, verwandelt sich der futtermäklige und scheinbar nur schwer zu trainierende Vierbeiner in einen „Wunderknaben“, der ausdauernd und mit Freude beim Training dabei bleibt, wenn am Ende der Übung nur die Hetzjagd nach dem Beuteobjekt steht.
Der Kontext ist entscheidend
Immer wieder sieht man auch Menschen, die ihren Hund nach einer Übung im Training streicheln. Schaut man sich den Hund dabei an, zeigt dieser jedoch oftmals ein augenscheinlich verwunderliches Verhalten: Er dreht den Kopf weg und weicht mit dem Körper aus, steht vielleicht sogar auf und geht ein paar Schritte zur Seite. Deutlicher kann ein Hund eigentlich gar nicht sagen, dass er diese Aktion seines Menschen gerade als „unangenehm“, in jedem Fall aber als „unpassend“ eingestuft hat. Dabei muss das gar nicht bedeuten, dass dieser Hund grundsätzlich nicht gern gestreichelt wird und den Sozialkontakt mit seinem Menschen nicht genießt. Hier zeigt sich, dass Hunde Folgen situationsbedingt einstufen. Abends auf dem Sofa darf es gern die ausgiebige Schmuseeinheit sein. Zu dynamischen Aktivitäten passt eine solche Handlung jedoch aus Hundesicht nicht. Dennoch schätzen viele Hunde den Sozialkontakt ihres Menschen, sodass ein stimmliches Lob, also ein „Prima, das hast du fein gemacht!“ durchaus als angenehme Folge eingestuft werden kann. Es ist also wichtig, Hunde gut einzuschätzen und ihre Vorlieben zu kennen, um dann individuell die für sie in der momentanen Situation angenehmste Folge auszuwählen.
Ich hatte einen Labradoodle im Training, für den das absolute Highlight tatsächlich der Kontakt mit anderen Hunden war. Das Training mit ihm gestaltete sich daher anfangs relativ schwierig, da er sich für nichts anderes wirklich lange begeistern konnte. Was lag also näher, als seine Leidenschaft als angenehme Folge für unser Training zu nutzen? Jedes Mal, wenn er sich kurz auf Frauchen konzentrierte, durfte er anschließend mit meiner Hündin, die am Rand wartete, Kontakt aufnehmen. Und siehe da, ab dem Zeitpunkt konnte er sich immer länger auf Frauchen konzentrieren, sogar dann, wenn andere Hunde in seiner Nähe waren. Gleichzeitig lernte er, dass ein Spiel mit anderen Hunden durchaus erlaubt war, er dazu jedoch auf das Signal von Frauchen warten musste. Man muss allerdings auch sagen, dass sich ein solches Training relativ langwierig gestaltet, denn der Kontakt mit anderen Hunden nach einer erfolgreichen Übung dauert in der Regel immer eine gewisse Zeit. Der Einsatz von Futter, einem Beutespiel oder Sozialkontakt durch Stimme oder Streicheln lässt sich dagegen viel besser zeitlich dosieren und ist somit geeigneter für das Training von Hunden. Daher sollte man von Welpe an darauf achten, mit dem Hund über das gemeinsame Spiel Belohnungen zu etablieren, damit eben nicht das Zusammentreffen mit anderen Hunden die einzige für den Hund wichtige und bedeutsame Aktion des Tages wird.
Unangenehme Folgen
In Bezug auf unangenehme Folgen gibt es beim Hund dagegen nicht so viele Unterschiede, Traumatisierung durch einen Schreck und das Zufügen von Schmerzen finden alle Hunde nicht angenehm. Doch auch hierbei stufen Hunde die Intensität unterschiedlich ein. Das Sensibelchen wird schon beim laut gebrüllten „Nein“ seines Menschen in sich zusammenfallen, während andere Hunde dabei einfach die Ohren auf Durchzug stellen. Genauso zerrissenem Ohr aus dem Gebüsch und zeigt keinerlei Reaktion darauf. Auch unangenehme Folgen müssen daher individuell ausgewählt werden, damit die gewünschte Veränderung des Verhaltens überhaupt eintreten kann.
Fairness gegenüber dem Hund
An dieser Stelle muss man aber auch einmal ganz klar sagen, dass ein Training mithilfe unangenehmer Folgen, also die Verwendung der positiven Bestrafung sowie negativen Verstärkung, im Hundetraining sehr kritisch gesehen werden muss. Laut §1 des deutschen Tierschutzgesetzes darf niemand einem Hund „ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zufügen. Was genau dabei ein vernünftiger Grund ist und ab wann „Leid“ bzw. Leiden beginnt, ist durch das Gesetz jedoch nicht genau definiert. Natürlich heißt das nicht, dass man einem Hund niemals etwas verbieten darf und das Training immer ausschließlich angenehm gestalten muss. Dennoch muss man beim Einsatz unangenehmer Folgen schreit der eine Hund schon laut auf und bewegt sich nur noch humpelnd vorwärts, wenn er nur in eine Brennnessel getreten ist, der andere dagegen kommt mit blutig immer moralisch und ethisch abwägen, inwieweit diese vertretbar sind und sollte sich immer fragen, ob eine Verhaltensänderung nicht auch durch Lernprozesse mit angenehmen Folgen erreicht werden kann. In den meisten Fällen wird Hundetraining bei Martin Rütter DOGS daher mithilfe der positiven Verstärkung oder der negativen Bestrafung erfolgen. Beim Einsatz der anderen beiden Konditionierungsformen sollte man im Zweifel immer einen professionellen Hundetrainer um Rat fragen. Denn das Zusammenleben mit dem Hund sollte immer so fair wie möglich gestaltet sein. Dies muss auch im Training berücksichtigt werden. Von größter Bedeutung scheint in dem Vergleich aber die Rolle der Beziehung zwischen Lehrer und Lernendem. Denn eine Beziehung, die auf Vertrauen, Zuwendung und Zusammenarbeit aufgebaut ist, ist erfolgreicher und angenehmer, als eine auf Angst und körperliche Gewalt aufgebaute Beziehung.
Reiz-Reaktions-Lernen
Nachdem wir nun besprochen haben, durch welche Lernprozesse Verhalten gesteuert werden kann, ist für das Hundetraining noch das gezielte Auslösen von Verhalten entscheidend. Denn der Hund soll sich ja nicht nur einfach so „häufiger hinsetzen“, er soll sich vielmehr genau dann hinsetzen, wenn sein Mensch ihm dies sagt. Der Hund muss also einen gezielten Auslöser für ein Verhalten erlernen. Diesem Lernprozess liegt nun wiederum die Lerntheorie der Klassischen Konditionierung zugrunde. Diese Lerntheorie wurde übrigens eher zufällig entdeckt: Der russische Physiologe Iwan Pawlow entdeckte 1918 in einem Laborexperiment zu Verdauungsprozessen bei Hunden, dass Versuchstiere, die schon längere Zeit in das Experiment eingebunden waren, zu speicheln begannen, schon bevor ihnen Fleischpulver in das Maul gegeben wurde. Der Speichelfluss trat schon beim Anblick des Tierpflegers ein, später sogar schon bei der Wahrnehmung seiner Schritte in das Labor. Es hatte also eine Veränderung des Verhaltens stattgefunden.
Nachdem Pawlow diese Vorgänge bewusst geworden waren, nutzte er sie, um die Abläufe in weiteren Versuchen genauer zu definieren. Er konditionierte die Hunde auf das Geräusch einer Glocke, indem er immer dann, wenn die Hunde gefüttert wurden, die Glocke ertönen ließ. Nach einiger Zeit begannen die Hunde bereits zu speicheln, wenn sie die Glocke hörten, und das, obwohl es gar kein Futter gab. Das Geräusch der Glocke war also zum neuen Auslöser für das Speicheln geworden, welches bisher nur durch den Anblick bzw. Geruch des Futters ausgelöst wurde. Es wurde also ein neuer Auslöser für ein Verhalten erlernt. Die ursprüngliche Form der Klassischen Konditionierung wird auch heute noch im Hundetraining angewendet, und zwar bei der Verwendung des Clickers. Das Click- Geräusch, das für den Hund zunächst keine Bedeutung hat, wird erst durch den Konditionierungsprozess, also durch die gleichzeitige Gabe von begehrtem Futter, zum Verstärker von Verhalten. Auch ein Lobwort, wie z. B. „Fein“ oder „Prima“ sagt dem Welpen zunächst einmal nichts, es muss erst mithilfe der Klassischen Konditionierung vom Hund als Verstärker erlernt werden. Einziger Unterschied zum Clicker oder auch der Pawlowschen Glocke ist hierbei, dass nach dem „Prima“ nicht zwingend Futter, Streicheln oder Spiel folgen muss, sondern für einige Hunde das Wort an sich verstärkend wirkt, da es sich dabei um die Zuwendung des Menschen handelt. Dies gilt aber nur dann, wenn für den Hund die soziale Aufmerksamkeit seines Menschen wichtig ist.
Auch das Erlernen von Signalen erfolgt im Grunde genommen nach dem Prinzip der Klassischen Konditionierung, denn der Hund lernt einen neuen Auslöser (also ein Signal) für ein Verhalten. Der Unterschied zu den ursprünglich von Pawlow untersuchten Abläufen liegt hierbei darin, dass es sich bei Pawlow um ein reflexartiges Verhalten handelte, also um das Speicheln, welches automatisch auftritt. Wenn wir möchten, dass unser Hund sich hinsetzt, wenn wir das Hörzeichen „Sitz“ sagen oder aber den Zeigefinger erheben, dann handelt es sich aber um ein Verhalten, welches der Hund erst einmal vorab durch Operante Konditionierung häufig zeigen muss. Der darauffolgende Ablauf der Signal-Konditionierung ist jedoch der gleiche wie bei der ursprünglichen Klassischen Konditionierung. Der bisher neutrale, dem Hund nichts sagende Reiz des Wortes „Sitz“ wird mit dem erlernten Verhalten „sich hinsetzen“ kombiniert, bis der zuvor neutrale Reiz zu einem erlernten Reiz wurde und der Hund sich auf das Wort „Sitz“ hinsetzt.
So wichtig das Erlernen von Signalen auch ist, da es uns den Alltag mit Hund ungemein erleichtert, ist es dennoch nicht die einzige Lernform, die in der Hundehaltung eine Rolle spielt. Denn Hunde sind genauso wie wir Menschen soziale Lebewesen, die durch soziale Handlungen und den Umgang miteinander lernen. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Beobachtungslernen.
Beobachtungslernen
Mithilfe von Beobachten und Nachahmen lernen Hunde beispielsweise die Hundesprache besonders schnell und leicht. Dieser Lernprozess findet dabei hauptsächlich in der sogenannten Sozialisierungsphase statt, also etwa ab der vierten Lebenswoche.
Bei meinen eigenen Hündinnen kann ich das immer wieder beobachten, wenn sie selbst Welpen haben. Ab einem gewissen Zeitpunkt, wenn die Welpen etwa 6 Wochen alt sind, nehmen die erwachsenen Hündinnen sich ein Spielzeug oder einen Kauartikel, lenken die Aufmerksamkeit der Welpen auf sich und legen sich mit dem Gegenstand zwischen den Vorderbeinen hin. Die Welpen finden das natürlich spannend und wollen unbedingt wissen, was ihre Mutter da hat. Welpe Nr.1 kommt näher und will es sich ansehen, die Mutter fixiert ihn und er lässt ab. Welpe Nr. 2 ist etwas mutiger und kommt trotz Fixieren näher. Die Hündin zieht die Lefzen hoch und zeigt ihre Zähne, der Welpe zieht von dannen. Welpe Nr. 3 lässt sich davon nicht beeindrucken und kommt noch näher heran. Die Mutter macht einen Schnauzgriff, so dass auch dieser vorwitzige Welpe verstanden hat, dass Mama es ernst meint! Die restlichen Welpen bleiben nun auch auf Abstand, niemand traut sich mehr, Mama das Spielzeug zu klauen.
Alle Welpen haben nun nicht nur gelernt, dass man einem anderen Hund kein Spielzeug klaut, sondern auch was Fixieren, Knurren und das Hochziehen der Lefzen bedeuten: Diese Signale kündigen eine unangenehme Konsequenz, einen Schnauzgriff an. Und das haben selbst die Welpen verstanden, die nur zugeschaut haben. Was bedeutet das nun für das Zusammenleben mit dem Menschen? Der Hund beobachtet uns und unsere Handlungen genauso, wie er das Verhalten anderer Hunde beobachtet, denn Hunde sehen den Menschen als vollwertigen Sozialpartner an. Und sie lernen, was unser Verhalten für sie bedeutet, und das nicht nur in der einen Übungsstunde auf dem Hundeplatz oder den 20 Minuten Training am Tag, die wir mit dem Hund durchführen, sondern immer dann, wenn sie mit uns zusammen sind. Viele Menschen legen viel Wert auf die Durchführung des Trainings, und überlegen und planen genau, wie sie dem Hund eine bestimmte Übung beibringen wollen. Das ist, wie oben bereits geschrieben, ja auch empfehlenswert, man sollte sich vor jeder Übung genau überlegen, wie man das Training gestaltet. Im Alltag jedoch sind die Menschen auf einmal nicht mehr konsequent und entscheiden mal so, mal anders. Hier zeigt sich dann, dass der häufig verwendete Spruch „Beziehung statt Erziehung“ tatsächlich eine große Rolle im Hundetraining spielt. Natürlich muss man Hunde erziehen, muss ihnen Signale beibringen, denn ansonsten ist eine Hundehaltung in unserer heutigen Zeit nicht mehr möglich. Dennoch, das Zusammenleben mit dem Hund findet zum größten Teil im Alltag statt, nicht beim Training. Es muss uns daher klar sein, dass unser Hund uns den ganzen Tag beobachtet. Und wenn er uns als souveränen Sozialpartner wahrnehmen soll, dann müssen wir ihm mit unserem Verhalten auch zeigen, dass er sich an uns orientieren kann. Wir müssen auch im Alltag konsequent sein. Wir müssen die Bedürfnisse unseres Hundes kennen und wahrnehmen und entsprechend umsichtig handeln.
Kognitives Lernen
Doch zurück zum Beispiel meiner beiden Hündinnen zu Beginn des Artikels. Di weiße Schäferhündin trickste erfolgreich die ältere Mischlingshündin aus und ergatterte ihren Kauknochen. Zugrunde liegen hier kognitive Lernprozesse.
Beim Kognitiven Lernen werden bei der Problemlösung mehrere Möglichkeiten im Geist durchgespielt, es wird ein Zusammenhang zwischen Problem und Lösung hergestellt, ohne dass mögliche Lösungsvarianten zuvor real ausgeführt wurden, sodass es keinerlei Erkenntnisse hieraus gab. Hilfsmittel können dazu gezielt eingesetzt werden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl der Versuch von Wolfgang Köhler, bei dem eine Banane an das obere Gitter des Affenkäfigs gebunden wurde. Durch Hochspringen versuchte der Affe die Banane nun zu erreichen. Da dies nicht von Erfolg gekrönt war, setzte er sich hin und betrachtete seine Umgebung. Nach einiger Zeit stapelte er im Käfig vorhandene Kisten übereinander, sodass er daran hochklettern und die Banane erreichen konnte.
Inwieweit es beim Hund tatsächlich kognitives Lernen, also Lernen durch Einsicht, gibt, ist noch nicht abschließend erforscht. Zwar gibt es viele Beschreibungen von Haltern, in denen Hunde durch Täuschung anderer Hunde (und auch Menschen!) an ein Ziel gelangten, dennoch kann dabei meist nicht geklärt werden, inwieweit es zuvor bereits real ausgeführte Versuche gab, bei denen der Hund durch Versuch und Irrtum, also durch operante Konditionierungsprozesse Lernerfahrungen gemacht hat.
Denn wenn es bei meinen beiden Hündinnen nun ein paar Tage zuvor zu einer Situation gekommen wäre, in welcher tatsächlich ein Mensch an der Tür stand, als die beiden gerade einen Kauknochen hatten, könnte die Schäferhündin in dieser Situation gelernt haben, dass „bellend zur Tür laufen“ erfolgreich ist, da sie im Anschluss daran die liegen gelassenen Kauknochen der Mischlingshündin einsammeln kann. Dagegen spricht dann allerdings, dass die doch eher territoriale Weiße Schäferhündin im Falle einer tatsächlichen territorialen „Bedrohung“ wohl kaum auch nur einen Gedanken an den Kauknochen verschwendet hätte …
Bei all diesen Aspekten, bei denen Lernen eine bedeutende Rolle einnimmt, darf also eines nie außer Acht gelassen werden: Bei unserer Arbeit als DOGS Coach mit den Menschen und ihren Hunden steht die Beziehung der beiden Parteien im Mittelpunkt. Wir müssen die Bedürfnisse von beiden Seiten ins Training mit einbeziehen. Jeder Mensch und jeder Hund sind einzigartig und jedes Mensch-Hund-Team benötigt andere Vorgehensweisen, um an sein Ziel zu kommen und ein entspanntes Miteinander zu erlangen.