Wenn atmen zur Qual wird - das Leid der "niedlichen" Plattnasen
Sie schnarchen, sie röcheln, sie hecheln – ein ständiger Kampf um genug Luft. Für Aufsehen sorgten Videos in den sozialen Medien, auf denen man sieht, wie plattnasige Hunde wie der Mops und die Französische Bulldogge so richtig entspannt aussehen, wenn sie intubiert auf dem Tierarzttisch liegen, da sie durch den Tubus zum ersten Mal ohne Probleme atmen können. Schuld daran ist die Zucht auf eine möglichst runde Kopfform, die Brachyzephalie. Seit kurzem ist in Norwegen die Zucht englischer Bulldoggen sowie von Cavalier King Charles Spaniels verboten. Wir haben mit Melanie Hofmann von <link osnabrueck-vechta/ _blank><u>Martin Rütter DOGS Osnabrück</u></link> gesprochen, warum die Zucht nach solchen Merkmalen als Qualzucht bezeichnet werden muss und ob die Änderung des Tierschutzgesetzes in Norwegen ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Wenn meine alte Labrador Retriever Hündin neben mir auf dem Sofa liegt und leise vor sich hin schnarcht, bin ich direkt doppelt in sie verliebt. Gerade dieses Schnarchen finden viele Menschen bei den stark kurznasigen Hunderassen so niedlich. Was bedeutet das Schnarchen in dem Fall jedoch?
Nahezu alle kurznasigen Hunderassen schnarchen, und das nicht nur leicht und nicht nur im Alter. Das Schnarchen entsteht durch die anatomischen Veränderungen, die Menschen bei diesen Rassen durch die Zucht gefördert haben. Damit diese Hunde ein „niedliches, kindliches“ Gesicht haben, wurde der Kopf möglichst „rund“ gezüchtet. Ober- und Unterkiefer schieben sich dazu zusammen, die Nase wird immer kürzer. Den Kopf der Kurznasen kann man damit aber nur noch als deformiert/missgebildet bezeichnen. Diese Missbildungen haben zum einen zur Folge, dass die Nasenlöcher verengt sind. Die Zunge ist meist viel zu groß für die kleinen Köpfe und muss raushängen oder wird ständig eingerollt. Das Einrollen führt beim Atmen dazu, dass der eh schon sehr enge Kopf-/Rachenbereich durch die Zunge blockiert wird. Hinzu kommt noch, dass der Gaumen weich ist und nicht mit zurückgezüchtet werden kann. Also haben diese Hunde mit einem – in Bezug auf die verkürzte Nase – verlängerten Gaumen zu kämpfen, der ständig die Atemwege blockiert. Dadurch entstehen beim Schlafen die „niedlichen“ Geräusche.
Für die Hunde ist genau das aber eine Qual.
Die verengten Nasenlöcher haben zur Folge, dass die Kurznasen nur wenig Luft bekommen. Vergleichbar ist dies, als würden wir durch einen Strohhalm mit geringem Durchmesser, z. B. wie bei einem Trinkpäckchen, atmen. Daher müssen die Hunde hauptsächlich bzw. permanent, wider ihrer Natur, durch das Maul atmen. Dies wird aber zum Problem, da die Atmung ja, wie oben bereits geschrieben, durch das verlängerte Gaumensegel eingeschränkt ist. Diese Atemnot kann zu Atemaussetzern während des Schlafes führen. Angstzustände, Panikattacken und Schlaflosigkeit sind nur einige der Folgen, mit denen die Kurzschnauzen jede Sekunde und im wahrsten Sinne des Wortes zu kämpfen haben. Die falschinterpretierten Bilder und Videos, in denen Mops & Co. im Sitzen oder sogar im Stehen mit irgendwo erhöht abgelegtem Kopf schlafen, sind Versuche der Hunde, die Atemwege freizuhalten, damit so wenigstens etwas entspannter Schlaf möglich ist.
Bei den betroffenen Hunden handelt es sich in der Regel ja um Rassehunde. Sind das also nicht einfach nur Rassemerkmale, die für diese Rassen typisch sind?
Ja und nein. Im Laufe der Jahre wurde immer mehr Wert auf das so genannte „Kindchenschema“ beim Aussehen gelegt. Dies bedeutet, dass die Schnauze immer weiter zurückgezüchtet wurde. Somit kommen die Augen automatisch weiter nach vorne, der Kopf wird runder. Der Hund sieht süß/kindlich aus und muss nicht selten als Kindersatz herhalten. Diese so genannten Rassemerkmale haben jedoch nichts mehr mit den Hunden zu tun, die es zu ihren Anfängen gab. Die meisten Rassen wie Mops & Co. hatten schon immer kürzere Schnauzen bzw. rundere Kopfformen als z. B. der Schäferhund. Allerdings war im Vergleich zu heute eine deutlich sichtbare Nase vorhanden. Sie waren agil und bewegungsfreudig. Ich persönlich kenne kaum bis keine Kurzschnauze mehr, die bei angenehmen 20 Grad eine 2-stündige Wanderung schafft, ohne massive Atemprobleme zu bekommen. Im Deutschen Tierschutzgesetz ist festgelegt, dass „es verboten ist, Wirbeltiere zu züchten, wenn bereits durch züchterische Erkenntnisse zu erwarten ist, dass als Folge der Zucht bei den Nachkommen Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich sind oder derart umgestaltet sind, dass hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führen“.
Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland oder sogar weltweit, wie es in den Niederlanden ja bereits erfolgt ist, ein generelles Zuchtverbot aussprechen, wenn die Nase nicht mindestens ein Drittel der Kopflänge beträgt, und dass dieses Verbot auch durch Kontrollen durchgesetzt wird. Auch Norwegen hat hier einen wichtigen Schritt gemacht, indem laut norwegischem Tierschutzgesetz die Zucht von Englischen Bulldoggen und Cavalier King Charles Spaniels verboten wurde.
Was empfiehlst Du Liebhabern dieser Rassen? Sollten sie von einem Kauf dieser Hunde absehen?
Ich kann nur abraten, sich einen Hund einer solchen Rasse zu kaufen. Jeder Kauf unterstützt diese Qualzucht. Es gibt da meines Erachtens keinen Kompromiss. Es kann nicht sein, dass Menschen einen Hund kaufen, der in absehbarer Zeit massive gesundheitliche Probleme bekommt, nur weil man ihn so „süß“ findet. Es sind wirklich tolle Hunde, aber es ist dem Hund gegenüber nicht fair – und im Übrigen für die Menschen auch ganz fürchterlich, wenn sie mit der Zeit sehen, wie der eigene Hund sein Leben lang leidet.
Du hattest selbst eine Französische Bulldoggen Hündin. Wie waren Deine persönlichen Erfahrungen? Würdest Du wieder einen solchen Hund bei Dir aufnehmen?
Olive war eine wirklich tolle, lustige Hündin, die wir aus dem Tierschutz übernommen haben. Allerdings zeigte sie innerhalb kürzester Zeit bei uns Atemaussetzer im Schlaf. Ihr Körper hat sich dabei teilweise 1 Minute lang so angespannt, dass sie sich beim Luftholen komplett eingenässt hat. Die Atemwege waren durch die schlechte Luftzufuhr verschleimt, sodass sie sich permanent bei der kleinsten Anstrengung übergeben musste. Sie konnte nicht wie normale Hunde aus dem Napf fressen. Zur Futteraufnahme musste sie sich mit den Vorderbeinen auf einen Hocker stellen, damit wir ihr das Fressen aus der Hand geben konnten. Der Grund dafür war, dass ihre Speiseröhre so deformiert war, dass im normalen Zustand kaum Futter ungehindert in den Magen gelangen konnte. Ich könnte noch viel mehr aufzählen, was sie erleiden musste, doch das würde hier den Rahmen sprengen. Selbst einige Operationen konnten nur kurzzeitig Linderung schaffen. Kurzum: Wir würden nie wieder einen Hund einer solchen Rasse zu uns holen. Nicht, weil wir die Hunde nicht toll finden. Im Gegenteil, wir lieben gerade den wirklich besonderen, lustigen Charakter dieser Hunde. Doch jeder „Nicht-Kauf“ hilft! Denn je weniger Nachfrage nach diesen kranken Hunden besteht, umso eher kommen wir vielleicht wieder dahin, dass die Zucht dieser Rassen sich verändert, sodass die Hunde wieder ein gesundheitlich lebenswertes Leben haben.