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Mehrhundehaltung – Erziehung von zwei und mehr Hunden

Die Anschaffung eines weiteren Hundes sollte jedoch gut überlegt sein, denn der Mehraufwand wird vielfach unterschätzt. Sehr oft fällt die Aussage „ob jetzt 1 oder 2 Hunde, das ist doch kein Unterschied. Spazieren gehen muss ich sowieso, füttern und einkaufen sowieso und in den Urlaub, ob ich nun 1 oder 2 Hunde mitnehme, doch auch egal!“ Weit gefehlt.

Tatsächlich stellt die Aufnahme eines 2. Hundes oftmals nicht die doppelte, sondern manchmal das Vielfache an Arbeit dar. Und die trügerische Annahme, dass der Aufwand sich aufgrund der Tatsache minimiert, dass die Hunde sich nunmehr mehr miteinander beschäftigen und der Halter dadurch weniger gefordert ist, ist auch falsch. 

Denn Gruppendynamik ist unter Hunden – wie auch unter Menschen – nicht zu unterschätzen. Diese gruppendynamischen Prozesse bedürfen einiges an Wissen um die eigene Rudelstruktur und ganz viel Aufmerksamkeit. Und all dieses Wissen um Kommunikation und Körpersprache kann uns nur bedingt davor schützen, dass die innerartliche Kommunikation – also das was sich zwischen unseren Hunden abspielt - eine Eigendynamik entwickelt. Zu zweit oder dritt lässt es sich natürlich viel besser hündische Konkurrenz aufzumischen, Jogger verjagen und auch Beute zu verfolgen, macht viel mehr Spaß.

Beckmann beschreibt in Ihrem Buch „Hunde sind doch Rudeltiere“ die Komplexität der Beziehungsebene, welche uns dann doch an die Grenzen unsere Aufnahme bringen können. 

Beispiel: Gibt es in einer Familie 3 Erwachsene und 3 Hunde, ergeben sich daraus bereits 30 Beziehungsebenen, die es zu beobachten gibt. Formel: 6 x (6-1) = 30!!

Die Beweggründe für die Anschaffung sind genauso individuell wie wir Menschen es sind. Diese reichen von der Bestrebung dem Vierbeiner einen Hundekumpel zur Seite zur Stellen, emotionalen  Entscheidungen aus Mitleid, interfamiliär übernommene Hunde aufgrund von Todesfällen, unüberlegten Entscheidungen oder Veränderungen der Lebensumstände bis hin zu therapeutischen Ansätzen wie z.B. der Annahme, dass Hunde besser zu mehreren alleine bleiben können. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Es kann auch das Problem potenzieren.

Insbesondere abzuraten ist, zu einem sehr alten Hund einen sehr jungen dazu zunehmen. Wir haben immer wieder Kunden, die aus der Angst heraus einen alten Hund bald zu verlieren nicht fertigzuwerden, einen neuen dazu nehmen. Auch wenn ich die Angst der Menschen verstehe – denn einen Hundekumpel zu verlieren, ist wohl für einen Hundebesitzer, der Supergau – finde ich es dem alten Hund gegenüber nicht fair. Für einen alten Hund ist es oft unverständlich, dass er auf einmal die Aufmerksamkeit seines geliebten Menschen teilen und sich dann ev. noch von einem „Rotzlöffel“ stressen lassen muss. Im Idealfall sollte der Altersunterschied zwei bis drei Jahre sein.

Entscheidend für die Aufnahme eines 2. Hundes ist mit Sicherheit auch die Frage, in welchem Trainings- und sozialen Zustand ist der bereits im Haus befindliche Hund. Zu einem pubertierenden Junghund einen Welpen dazu zunehmen, ist generell nicht ratsam. Hunde lernen sehr gut auch durch Beobachtung und ein Welpe wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit kein souveränes Verhalten von einem Jungspund abschauen. Ein souveräner sicherer Zweithund wird aber sicherlich bei der Erziehung eine große Unterstützung sein. In der Regel zeigen sich Rüden toleranter bei der Erziehung von Welpen als Hündinnen. Die Aufnahme von Wurfgeschwistern ist ebenfalls problematisch. Die zumeist enge und intensive Bindung und die innerartlich perfekt funktionierende Kommunikation, die die Hunde seit Geburt verbindet, wird es dem Besitzer zusätzlich schwierig machen, die Erziehung der Hunde zu übernehmen. Da sind wir wieder bei dem Thema „Erziehung braucht Beziehung“.

Diese Erziehung braucht vor allem klare Strukturen, die im gemeinsamen Alltag konsequent verfolgt werden und diese beginnen im häuslichen Bereich. Generell sollte in der Wohnung oder im Haus kein Spielzeug herumliegen, kein Futter frei zur Verfügung (dazu gehören auch Kauknochen, Schweineohren & Co) und Liegeplätze an strategisch unwichtigen Stellen vorhanden sein. Frei zugängliche Ressourcen, wie die oben erwähnten, könnten zusätzlich einen beuteorientierten Hund dazu veranlassen, sein Spielzeug und/oder sein Futter zu verteidigen und so zusätzlich Spannungen zwischen den Hunden fördern. 

Damit der erste sich im Haushalt befindliche Hund die Veränderungen im Haushalt mit dem Neuankömmling verbindet, empfiehlt es sich etwaige Veränderungen nicht erst am Tag des Einzuges durchzuführen, sondern nach Möglichkeit schon Wochen vorher. Anderenfalls könnte der Ersthund diese Veränderung mit dem Neuankömmling verbinden und den Frust an ihm auslassen.

Überlegen Sie sich daher auch schon zuvor die Positionen der Liegeplätze und weisen Sie jedem Hund einen fixen Liegeplatz zu. Wie gesagt, Erziehung braucht Struktur und diese Orientierung bringt Sicherheit und Sicherheit entspannt! Diese Zuweisung wird Ihnen auch dabei helfen, bei Besuch nicht im Chaos zu versinken, denn der Mensch ist der erste, der die Gäste begrüßen darf, der „abcheckt“.

Außerdem ist es wichtig die Rangfolge zu beachten, insbesondere in den Bereichen, die Ihrem ersten Hund wichtig sind. D.h. z.B. er bekommt als erster Aufmerksamkeit von Ihnen, das Futter, das Spielzeug. Es wird mit ihm als erstes trainiert und spazieren gegangen. Genaues Augenmerk muss der Mensch darauf legen, ob sich die Rangordnung im Laufe der Zeit nicht verändert. Sollte dies geschehen, insb. wenn z.B. ein älterer Hund die Führung abgibt, muss die erste Aufmerksamkeit nun am jüngeren liegen. Oft fällt Menschen das verständlicherweise besonders schwer und gleichzeitig würde es dem alten Hund schaden, denn der junge würde das in seinen Augen offensichtliche „Fehlverhalten“ am alten Hund auslassen.

Vergessen Sie trotz Ihres nun bestehen Rudels nicht darauf, dass es sich bei jedem einzelnen Hund auch um ein Individuum handelt und jeder Hund sich nach voller ungeteilter Aufmerksamkeit von Ihnen sehnt. Und durch diese Aufmerksamkeit auch die Bindung wächst, die Sie für die Erziehung brauchen. Ganz wichtig ist es, dass Sie mit jedem Hund einzeln arbeiten, um ein Verhalten aufzubauen. Ein Verhalten aufzubauen, verlangt viel Konzentration und sollte daher alleine in reizarmer Umgebung trainiert werden. Erst dann können die Umgebungsreize gesteigert werden. Verfrachten Sie in der Zwischenzeit die anderen Hunde in einem anderen Raum, im Auto oder schicken Sie jemanden mit den anderen Hunden spazieren.

Zu allererst sollte mit jedem Hund einzeln das Abrufsignal „hier“ aufgebaut werden. Dieses Signal soll in Zukunft gewährleisten, dass unerwünschtes Jagdverhalten angebrochen werden kann und auch zu heftiges „Spiel“ frühzeitig beendet wird. Hierbei empfehlen wir gerne den Abruf mit Pfiff, da dieser unemotional ist und bei guter Konditionierung des einzelnen Hundes, alle Hunde gemeinsam anspricht und im Optimalfall alle gemeinsam zurückkommen und angeleint werden können. Der sichere Abruf kann nicht nur vor unangenehmen Begegnungen schützen, ja im Extremfall sogar Leben retten. Auch hier gilt die Regel, dass zu Beginn einzeln im ablenkungsarmen Gebiet aufgebaut bzw. gefestigt wird. 

Danach sollten die Grundsignale „Sitz“, „Platz“, „Fuss“ in der selben Vorgangsweise – also zuerst einzeln – trainiert und gefestigt werden. Eine weitere Priorität hat in diesem Zusammenhang auch das Signal „Bleib“, da hier auch wieder der Sicherheitsaspekt sehr hoch ist.

Eine besondere Herausforderung in der Mehrhundehaltung stellt die Leinenführigkeit dar. Natürlich ist es nach Festigung einzeln möglich. Der Aufbau sollte im Einzeltraining schon so angelegt sein, dass der Hund auf der Seite geführt wird, wo er auch später einmal laufen soll. Im Optimalfall ein Hund links, Mensch in der Mitte, ein Hund rechts. Sollten dann natürlich weitere Hunde dazukommen, müssen auf einer Seite mehrere Hunde geführt werden. Dies stellt zumeist auch den Menschen mit seinen koordinatorischen Fähigkeiten vor Herausforderungen und es wird schwieriger die Hunde einzeln anzusprechen.

Da viele Hunde großes Interesse an Beute haben, empfiehlt sich auch bei der Mehrhundehaltung Apportiertraining mit Dummy oder Futterbeutel. Das Training bietet viele Varianten und lässt Ihrer Kreativität großen Spielraum. Am einfachsten starten Sie damit (nach dem Aufbau im Einzeltraining), dass Sie einen Hund apportieren lassen, während der andere wartet. Sie starten hier wieder mit dem ranghöheren der Beiden. Gleichzeitig können Sie den Wartenden mit einem Handzeichen zum Liegenbleiben unterstützen, während Sie dem anderen ein deutliches Signal in Richtung des Gegenstandes geben.

Ähnlich wie Apportieren kann natürlich auch eine Futtersuche aufgebaut werden.

Auch hier sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ob auf Erhebungen gelegt, in die Wiese geworfen oder in Baumrinde gesteckt. Jedem Hund macht es Spaß Futter zu suchen und gerade die Beschäftigung mit Nase – welche besonders intensiv ist – lastet den Hund als Makrosmatiker am besten artgerecht aus. 

Unabhängig, ob Sie nun Grundsignale oder Beschäftigung trainieren oder an Hausregeln arbeiten, orientieren Sie sich immer an dem individuellen Trainingsstand des Hundes, beginnen Sie mit leichten Aufgaben steigern Sie die Schwierigkeit in langsamen Schritten. Funktioniert eine gestellte Aufgabe noch nicht so gut, gehen Sie einen Schritt zurück.

Wenn Sie das Gefühl haben, dass einzeln die Signale des Hundes gut gefestigt sind, können Sie die Schwierigkeit steigern, indem Sie einen weiteren Hund ins Training einbinden. Nun müssen auch Sie sich auf zumindest 2 Hunde konzentrieren, was nicht immer ganz einfach ist. Gleichzeit ist es jedoch auch für jeden Hund wichtig, auch mal abwarten zu lernen, bis man an der Reihe ist. Auch wenn Sie die Möglichkeit haben, Ihren Hund anzuleinen, könnte dieser vor Frust anfangen, zu bellen oder zu jammern oder versuchen sich durch Durchbeißen der Leine oder sogar des Geschirres aus der Situation zu befreien. Eventuell ist dann dieser Hund noch nicht soweit und sie müssen einen Schritt zurück ins Einzeltraining. 

Trotz des nicht ganz unerheblichen Aufwandes im Training besteht ein ungebrochener Trend zur Mehrhundehaltung mit allen Vor- und Nachteilen. Lt. einer Schätzung sind in unseren Hundeschulen um die 60 % Mehrhundehalter.

Und wenn Sie dieser Aufwand nicht abschreckt, gilt für Sie vielleicht auch das Sprichwort „Hunde sind wie Chips, einer ist niemals genug“. In diesem Sinne viel Spaß bei Training!