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Spielst Du noch oder mobbst Du schon?

 

Viele Hundebesitzer kennen das Szenario nur zu gut: Hunde laufen, vermeintlich spielend auf einer Wiese und plötzlich kippt die Stimmung. Aus Spiel wird Ernst. Eine wilde Hetzjagd entwickelt sich. Ein Hund läuft mit eingezogener Rute vor mehreren Hunden her, die Augen geweitet, Angst, Flucht. Kommt Ihnen bekannt vor? Denken sie immer noch die Hunde spielen? Oder vertreten Sie gar die Meinung „die machen sich das schon aus“?

Dass wir Menschen kein Monopol auf „Mobbing“ haben, hat sich selbst unter Hundebesitzern noch nicht flächendeckend durchgesprochen. Ja, auch Tiere können mobben und nicht alles ist so, wie es im ersten Moment zu sein scheint. Manchmal kann auch harmlos aussehendes Spiel unter Hunden zum Trauma für den Einzelnen werden. Insbesondere dann, wenn nicht eingegriffen und die Mobber, aber auch das gemobbte Tier aus der Situation rausgenommen werden.  Also warum passiert das viel zu selten? Liegt es daran, dass wir diese unerwünschte Verhaltensweise unseren braven Lieblingen nicht zutrauen oder wollen wir uns nicht eingestehen, dass wir ev. selbst einen „Mobber“ zu Hause haben? 

Der Begriff „Mobbing“ ist uns seit den 70er Jahren bestens aus dem Arbeitsumfeld bekannt und wird oft als konfliktbelastete Kommunikation beschrieben, wobei die betroffene Person von einen oder mehreren Personen angegriffen wird. Immer wieder beklagen Betroffene, dass sie Mobbing psychisch und physisch krank macht und das Selbstwertgefühl zerstört. Ganz logisch, wenn man fortwährend terrorisiert und sein Würde verletzt wird.

Dass jedoch bereits 1963 der Verhaltensbiologe Konrad Lorenz den Begriff des Mobbings prägte, ist uns weniger geläufig. Er bezeichnete die Gruppenangriffe unterlegener Tieren auf ihre Fressfeinde, als Mobbing. Als Beispiel nannte er seine Beobachtungen als mehrere Gänse gemeinschaftlich einen Fuchs in die Flucht schlugen.

Vergleicht man die Vorgehensweisen des menschlichen mit dem hündischen Mobbing, kann man feststellen, dass Menschen eher psychischen Terror „bevorzugen“, welcher heutzutage oft in diversen Foren und sozialen Medien seinen traurigen Höhepunkt findet. Bei unseren Hunden erfolgt das Mobbing in körperlicher Form. Bei beiden Formen ist jedoch das Opfer-/Täterprofil ähnlich. Denn tendenziell werden eher Hunde gemobbt, die unsicher bzw. ängstlich sind, ein Handicap haben, stark beschwichtigen, neu in eine Gruppe kommen oder kleine Hunde, die gerne auch mal als Beute angesehen werden. Also von der „Norm“ abweichen. 

Und das Täterprofil? Wer sind unsere Mobber? Die Tendenz zum mobben können wir sehr häufig wiederum bei unsicheren Hunden beobachten. Auch hier sind es nicht die sicheren, souveränen Tiere, die in gemeinschaftlicher Aktivität andere versuchen, klein zu machen. Warum auch. Diese Tiere stabilisieren zumeist die Gruppe und greifen bewusst in Mobbingaktionen regulierend ein – schaffen Ruhe. Sie übernehmen also den Part, den viele Besitzer übernehmen sollten und oftmals nicht tun. Die Gründe für die Nichtübernahme dieser Verantwortung mag viele Ursachen haben. Teils aus Unwissenheit über körpersprachliche Signale, teils aus Verleugnung – wie gesagt, wer gibt schon gerne zu, einen Mobber zu haben, aus Ignoranz, Bequemlichkeit oder einfach aus der Meinung heraus, dass „der da einfach durch muss“. 

Was bei den Tätern noch erschwerend dazukommt ist die Tatsache, dass Mobbing (natürlich nur für den Mobber) durch die Ausschüttung von Glückshormonen, selbstbelohnend ist. Es macht demnach enormen Spaß gemeinsam sein Opfer zu jagen, zu rempeln, zu bedrängen, im Nacken zu packen und ähnliches. 

Wie auch bei uns Menschen entsteht bei unseren Hunden aus negativen Erfahrungen ein Teufelskreis. Gerne mobben Hunde, die selbst Mobbingopfer waren oder in anderen Situationen sind. Menschlich gedacht könnte man fast meinen, dass diese froh sind, diesmal nicht dran zu kommen. Opfer werden also zu Tätern und Täter zu Opfern. Zudem können (übrigens wie bei uns Menschen) optische Besonderheiten einen Anlass für Ablehnung geben. Durch teilweise groteske Veränderung ursprünglicher „Kommunikationsmittel“ wie z.B. das Nichtvorhandensein von Ruten, fehlende Mimik durch zu viele oder zu wenige Gesichtsfalten oder abartige „Lautäußerungen“, können Missverständnisse entstehen. Der arme durch Qualzucht ohnehin verunstaltete Mops hat zu allem Überfluss im Extremfall dann auch noch eine Gruppe von Hunden gegen sich. Na, dankeschön, Mensch!

Ganz oft können wir in Welpengruppen schon Mobbingsequenzen beobachten und auch bei unseren Kleinen kann aus Spiel, durch die treibende Kraft der Gruppendynamik, schon Ernst werden. Unbestritten müssen Welpen lernen, sich in sozialen Gefügen zurechtzufinden, miteinander zu kommunizieren und sich auch auszuprobieren. Genauso müssen aber die Besitzer lernen zu interpretieren und zu erkennen, welche Verhaltensweisen in der Gruppe gerade vorrangig sind. Einfach gesagt: Was lasse ich laufen, wo greife ich ein. Spätestens wenn mehrere Welpen z.B. auf den Neuen in der Gruppe losgehen, ist der allgemeine Spruch „das muss der lernen“ fehl am Platz. Der sich verzweifelnd wehrende Welpe lernt nämlich lediglich, dass er auf sich alleine gestellt ist und er seinem Menschen nicht vertrauen kann, unangenehme Situationen für ihn zu regeln.  

Kleiner Gedankenanstoß: Wenn mehrere Jugendliche Ihr Kind in ein Eck drängen und zu Tode ängstigen, würden Sie da auch zusehen und sagen „die machen sich das schon aus“ oder würden Sie versuchen, Ihr Kind aus der Situation zu befreien? Warum machen wir es also nicht genauso bei unseren Hunden? Wir sind doch auch bei unseren vierbeinigen Familienmitgliedern für Ihr Wohlergehen und für Ihre positive soziale Entwicklung verantwortlich. Keinem ist geholfen, wenn ohnehin unsichere Individuen mangels Alternativen lernen, dass bei Kontakt mit Artgenossen, Angriff die beste Verteidigung ist. 

Wie erkenne ich also Mobbing und wie greife ich ein? Ein Spiel ist durch viele Merkmale gekennzeichnet. Eines der wohl wichtigsten ist der Rollenwechsel. D. h. die gespielten Täter- /Opferrollen wechseln. Einmal jagt der eine – einmal der andere. Fehlt dieser Wechsel handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Mobbing.  Wenn Ihnen jemand versucht weiszumachen, „meine jagt halt lieber, anstatt gejagt zu werden“, holen sie bitte ihren Hund aus der Situation raus. Wenn Ihnen jemand versucht weis zu machen, „meiner spielt halt so, der ist immer oben, immer drüber“, brechen sie ab. Bei einem wirklichen Spiel wird auch der Sicherste mal das Opfer spielen – er lässt sich dann jagen und legt sich aktiv auf den Rücken. Ein solcher Hund wird auch immer ein Regulativ in einer Gruppe sein und durch die gute Beobachtungsgabe unserer Hunde eine Art Vorbildwirkung auf die anderen haben. 

Ich würde mir wünschen, dass viel mehr Hundebesitzer ihre Verantwortung als Regulativ wahrnehmen und eingreifen, egal ob diese Opfer oder Täter ihr Eigen nennen.  Dann könnten wir vielleicht alle die Aussage „Die machen sich das schon aus“ zu den Akten legen.