Territoriales Verhalten
Von den 3.769.000 Millionen österreichischen Haushalten (Angabe Statistik Austria) besitzen 20 % einen Hund. Dies bedeutet, dass jeder fünfte Haushalt einen Hund hat.
Weiter zu den Zahlen: Die Arbeitslosenquote in Österreich ist mit 8,3 % lt. einem Artikel in der Presse auf der einen Seite zwar unter dem EU Durchschnitt, auf der anderen Seite jedoch so hoch wie seit den 1950er Jahren nicht mehr. Würde man also den gleichen hohen Prozentsatz von 8,3 % bei den Hunden anwenden, so würde das im Gegenzug bedeuten, dass 687.750 Hunde einem geregelten Job nachgehen. Also als Polizeihund, Wachhund, Drogenspürhund, Flächensucher, Mantrailer, Assistenzhund, Hüter von Herden, Treiber zum Markt, Helfer bei der Jagd, Rattenjäger, usw.
In Wirklichkeit ist es aber doch so, dass nur ein Bruchteil unserer Hunde wirklich noch einen Job ausführt oder entsprechend adäquat beschäftigt wird. Auch Hunde, die vormals gezüchtet worden sind, um spezielle territoriale Aufgaben zu übernehmen, wie z.B. der Hovawart oder auch die immer häufiger bei uns anzutreffenden Vertreter von Herdenschutzhunden. Die Anzahl der Hunde, die in unserer Gesellschaft gelangweilt ohne Aufgaben, ohne Jobs „herumhängen“, nimmt stetig zu und ist bestimmt auch höher als in den 50er Jahren. Dabei hat Mensch und Hund eine „Arbeitsteilung“ bei der Jagd oder bei der Bewachung in Vorzeiten doch erst zusammengebracht. Nun haben wir hier also ein Heer von Arbeitslosen mit wachsender Population und im Gegenzug ein immer kleiner werdendes Territorium. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass viele unserer Hunde, die fehlende Beschäftigung mit ungewünschter territorialer Bewachung kompensieren möchten.
Abgesehen davon, tragen wir Menschen ganz viel dazu bei, das territoriale Verhalten unser Hunde zu verstärken. Wir richten unseren Hunden sehr oft einen Liegeplatz im Vorzimmer ein, damit er diesen schön als Pförtnerposten in Beschlag nehmen kann. Wir lassen unsere Hunde alleine im Garten, damit diese ungestört am Zaun randalieren können und Territoriumsfremde schön vertreiben. Natürlich mit Erfolg, denn wer bleibt schon beharrlich bei einem wütend kläffenden Vierbeiner am Zaun stehen. Wir schicken unsere Hunde gerne nachschauen, wenn es klingelt. Mit etwas Unwohlsein erinnere ich mich daran, dass ich „damals“ meine super verträgliche Schäferhündin Frieda immer beim Klingen 2 Stockwerke nach unten geschickt habe, um die Gäste rauf zu holen. Ein Signal gab es dafür auch: „Schau mal, wer kommt denn da!“
Dass Frieda damals nicht territorial geworden ist, lag nur daran, dass Sie im Tiefsten Ihrer Seele ein echter Dalai Lama war und für den Weltfrieden betete. Spaß beiseite. Wäre Frieda nur im geringen Ausmaß ein Hund mit territorialem Interesse gewesen, hätte sie uns in der einen oder anderen Situation in ordentliche Schwierigkeiten bringen können. Es gibt Hunde, die verzeihen uns jedes Unwissen – jeden Fehler, aber halt nicht alle.
Grundsätzlich beginnen Hunde erst mit Verteidigung des Territoriums, wenn diese erwachsen geworden sind. D.h. je nach Rasse unterschiedlich. Kleinere Hunde werden früher erwachsen, als Große. Demnach Doggen und vielfach auch Herdenschutzhunde erst mit 3-4 Jahren. Dann verstehen die Besitzer die Welt nicht mehr, weil 3 Jahre war alles in bester Ordnung und Regeln in der Form nicht notwendig. Diese Menschen vereinsamen dann ganz oft und schnell aufgrund fehlender Besucherfrequenz.
Zu allem Überfluss bekommt man von Freunden, Hundetrainern oder Tierärzten auch ganz schnell den gut gemeinten Ratschlag, den Hund kastrieren zu lassen. Lieblingsargument: „Da wird er ruhiger“. D.h. ganz viele unserer Hunde verlieren ihre „Gogerl“ umsonst, nur weil viele Menschen glauben, jede Form der Aggression sei durch Kastration gelöst bzw. Geld daran verdienen möchten. Dabei kann gerade das Gegenteil passieren. Stellen Sie sich einfach einen 100 % Kreis vor und ich nehme – sagen wir 20 % des sexuellen Bedürfnisses raus. Preisfrage: Was passiert mit dem Rest? Die anderen Komponenten werden prozentuell mehr, weil 100% müssen ja 100 % bleiben. Ich nehme einem Hund also eine natürliche sexuelle Komponente weg und andere Bedürfnisse werden dadurch stärker wie z.B. Jagdverhalten oder Territorialverhalten. Gratulation! Toi, toi, toi und vielen Dank an die Ratgeber!
Was ein Hund zu "seinem" Territorium zählt, ist von Hund zu Hund unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig. Wohnung, Haus, Garten gehören in jeden Fall dazu, bei manchen Hunden wird aber auch die Umgebung in der sie regelmäßig ausgeführt werden, zum zu verteidigenden Territorium. D.h. es wird markiert – also Urin und Kot hinterlassen, gescharrt, was das Zeug hält und auch mit auditiven Reizen wie Knurren, Bellen oder sogar Heulen unterlegt. Je größer das Territorium desto weniger intensiv wird es in der Regel verteidigt.
Vorbeugung bzw. Bearbeitung territorialem Verhaltens:
- Konfrontieren Sie Ihren Hund schon in der Welpenzeit mit Besuchern. Dabei sollten die Erfahrungen natürlich stressfrei und positiv sein. Achten Sie hierbei auf das richtige Maß – das ist natürlich individuell bei jedem Hund. Eine sehr hohe Besucherzahl kann Ihren Hund auch überfordern.
- Vermitteln Sie Ihrem Hund, dass Sie als Hundehalter entscheiden, wer das Territorium betreten darf und wer nicht.
- Nehmen Sie als erster Kontakt zu „Eindringlingen“ auf.
- Weisen Sie Ihrem Hund fixe Liegeplätze zu, die „unstrategisch“ platziert sind. D.h. nicht Mitten im Raum oder Blick zur Türe, Nischen bzw. Boxen eignen sich besonders gut
- Nehmen Sie Notiz vom Warnwuffen Ihres Hundes und übernehmen SIE die territoriale Verantwortung, indem Sie nachsehen
Da Hunde unsere Stimmungen sehr leicht erfassen können, erkennen sie schnell, dass hier keine Gefahr in Verzug ist und entspannen sich. Viele Hunde lernen so nach und nach immer weniger auf kleine Außenreize zu reagieren und erst nach Ihrem Menschen zu gucken bevor sie impulsiv reagieren. - Kontrollieren Sie bei uneinsichtigen Kreuzungen für den Hund sichtbar im Vorfeld
Es ist wichtig, territoriales Verhalten zu erkennen und für unsere Hunde zu übernehmen. Sehen Sie sich als „Erziehungsberechtigter eines Minderjährigen“ und übernehmen Sie das Sichern von Unbekanntem und die Absicherung des Territoriums mit den oben beschriebenen Maßnahmen. Sie werden sehen, unsere Hunde sind die besten Beobachter und werden diese Veränderung wahrnehmen und entsprechend reagieren. Denn „markieren“ müssen Sie Gott sei Dank das Revier nicht!