Hundesenioren - ein Beitrag von Florian Howind
Florian Howind - Martin Rütter Hundeschule Schleswig / Flensburg
Unsere Hunde - vollwertige und treue Begleiter auch im Alter
Alle Hundehaltende können wohl viele einzigartige Geschichten von ihren Hunden erzählen. Und auch wenn diese oft sehr emotional sind, ist die grundlegende Aussage darin natürlich richtig: Hunde sind wie wir Menschen Individuen mit verschiedenen Charakteren und Vorlieben, sie sind einzigartig! Die meisten Geschichten von seinem Hund kann wohl der erzählen, der ihn ein ganzes Leben lang bis ins hohe Alter begleitet hat. Hunde-Senioren, mit ihren liebenswerten Eigenheiten, ein wenig schrullig, ein wenig stur, haben einfach ihren ganz besonderen Charme. Doch so schön es ist, mit einem Hund alt zu werden, so schwierig kann sich das Zusammenleben auch gestalten.
Menschen mit alten Hunden kommen leider nicht so oft in meine Hundeschule. Treffe ich sie auf einem meiner Vorträge, heißt es dann ganz oft „Mein Rudi ist jetzt acht Jahre alt, der hat keine große Lust mehr auf Bewegung und lernt eh nichts mehr!“ Doch ist ein Hund mit acht Jahren wirklich schon alt und kann ein alter Hund wirklich nichts mehr lernen, nichts mehr unternehmen?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst einmal wissen, um was für einen Hund es sich handelt. Denn während der achtjährige Australian Shepherd erst knapp zwei Drittel seiner Lebenserwartung erreicht hat, sieht es bei der Deutschen Dogge im gleichen Alter schon ganz anders aus, da ein Hund dieser Rasse nur eine Lebenserwartung von ca. sechs bis acht Jahren hat. Auch wenn eine Dogge mit acht Jahren also bereits als Methusalem gilt, kann man ihr natürlich dennoch etwas beibringen und mit ihr aktiv sein. Es kommt nur darauf an, das Lernen und die Aktivität an die veränderten Lebensumstände anzupassen. Auch ältere Menschen haben noch Freude am Lernen, verreisen gern und sind aktiv. Nicht wenige Rentner:innen nutzen ja sogar die neu gewonnene Zeit, um jetzt endlich bisher aufgeschobene Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Hunderassen und ihre Lebenserwartung
Hunde altern schneller, je größer sie sind. Kleine Hunderassen wie der Dackel können problemlos 14 - 16 Jahre alt werden, mittlere Hunderassen wie der Border Collie werden in der Regel 12 - 14 Jahre alt und große Hunderassen lediglich 8 - 12 Jahre. Zudem muss man beachten, dass einige Hunderassen aufgrund genetisch bedingter Erkrankungen eine deutlich geringere Lebenserwartung haben. In der Zucht sollte daher immer auch das erreichte Lebensalter der Hunde mit einbezogen werden, damit man das frühe Versterben aufgrund von Krankheiten erkennt und es durch gezielte Zuchtstrategien beeinflussen kann. Die Rassezugehörigkeit ist natürlich aber keine Garantie auf das jeweilige maximale Lebensalter. Hunde sind Individuen, und so spielen natürlich auch die individuellen Lebensumstände wie Ernährung, Versorgung, Pflege etc. eine Rolle. Und immer wieder gibt es dann auch Hunde, die scheinbar uralt werden und alle Erwartungen übertreffen. Auch das haben sie also mit uns Menschen gemeinsam.
Alterserscheinungen erkennen
Ein Hund ist nicht von heute auf morgen alt. Es ist also nicht so, dass man nur auf den einen, bestimmten Geburtstag des Hundes warten muss, bis man einen alten Hund hat. Altern ist ein schleichender Prozess, der uns Menschen, die wir tagtäglich mit unserem Hund zusammenleben oftmals gar nicht auffällt und bewusst ist. Doch woran kannst du nun erkennen, dass dein Hund alt wird?
Schau dir an, ob dein Hund noch in der Lage ist, deine Signale wie gewohnt auszuführen. Dauert es vielleicht ein wenig länger, bis dein Hund sich hinlegt? Dann kann es sein, dass er Schmerzen hat und sich deshalb nicht mehr gern hinlegen möchte. Im Alter haben viele Hunde Arthrose in den Gelenken, die schmerzhaft ist und zu einer eingeschränkten Beweglichkeit führt. In dem Fall solltest du zum einen deinen Tierarzt oder deine Tierärztin aufsuchen, um gegebenenfalls eine mögliche Behandlung vorzunehmen. Auch eine tierphysiotherapeutische Behandlung ist bei alten Hunden oftmals angebracht. Zum anderen solltest du dein Training umstellen, indem du von deinem Hund kein Hinlegen mehr verlangst, sondern die Übung „Bleib“ z. B. im Sitzen oder Stehen trainierst. Im Idealfall hast du deinem Hund dies bereits in jungen Jahren beigebracht, sodass du nun dein Training einfach nur noch umstellen musst. Vielleicht ignoriert dein Hund deine Anweisungen scheinbar auch komplett? Hier wird gerade alten Hunden oftmals Sturheit unterstellt. Und auch wenn alte Hunde oft genau wissen, was sie wollen, ist eine Ursache für das Ignorieren häufig einfach nur, dass der Hund die Signale seines Menschen nicht mehr wahrnimmt, da er nicht mehr gut sieht und hört, oder sogar vollständig erblindet bzw. taub ist und so die Handzeichen oder Hörzeichen einfach nicht mehr wahrnehmen kann. Deshalb ist es übrigens von Vorteil, mit deinem Hund bereits in jungen Jahren sowohl akustische als auch visuelle Signale zu trainieren. So bist du bestens für eventuelle Einschränkungen bei deinem Hundesenior vorbereitet.
Wenn du das Gefühl hast, dass dein Hund nicht mehr gut hört, kannst du dies auch gezielt testen. Nutze dazu Geräusche, auf die dein Hund sonst immer reagiert. Das könnte zum Beispiel das Knistern der Kekstüte, das Öffnen des Futterbehälters oder die Hausklingel sein. Wichtig ist dabei, dass dein Hund weder visuell noch taktil wahrnehmen kann, dass du die Aktion gerade durchführst. Er darf dich also nicht dabei beobachten oder aber z. B. durch Vibrationen im Fußboden darauf aufmerksam werden. Sieht ein Hund nicht mehr so gut, ist das häufig auch äußerlich an den Augen erkennbar. Diese werden im Alter oft trüb. Das gilt insbesondere dann, wenn dein Hund am altersbedingten grauen Star leidet. Aber auch das Verhalten im Alltag gibt Aufschluss darüber, ob die Sehfähigkeit deines Hundes nachlässt. Wenn du bemerkst, dass dein Hund beim Gehen öfter gegen den Türrahmen stößt oder über Stufen bzw. Türschwellen stolpert, kann das durchaus ein Hinweis dafür sein, dass er nicht mehr so gut sieht.
Der Alltag mit alten Hunden
Gerade dann, wenn ein Hund nur noch eingeschränkt sehen kann, sollte es zu Hause keine großen Veränderungen geben. Wenn du jetzt das Sofa umstellst oder Schränke verschiebst, wäre es für deinen blinden Hund sehr schwierig, sich zurecht zu finden. Doch auch wenn dein Senior noch gut sieht und hört, ist er häufig mit Veränderungen überfordert. Alte Hunde lieben Rituale, denn so wissen sie genau, was kommt und worauf sie sich einstellen müssen. Sie suchen Orientierung und brauchen Verlässlichkeit. Daher ist es wichtig, dass du für deinen alten Hund der Fels in der Brandung bist. Nur wenn er gelernt hat, dass er sich auf dich verlassen kann, wird er dir auch im Alter vertrauen und entspannt folgen. Sei also bereits in jungen Jahren konsequent im Umgang mit deinem Hund. Schaffe Strukturen, die in eurer Beziehung gelten, achte auf ihn und seine Bedürfnisse und sei in kritischen Situationen derjenige, der die Führung übernimmt.
Hat dein Hund gelernt, deiner Führung zu vertrauen, kannst du ihm auch auf dem Spaziergang helfen, indem du akustische Signale nutzt. Ist ein Hindernis in seinem Weg, kannst du ihn z. B. mit dem Signal „Vorsicht“ oder „Stopp“ davor warnen. Stufen kannst du anzeigen, indem du das Signal „Stufe“ verwendest oder aber z. B. mit einem Stock davor klopfst. Zudem ist es jetzt wichtiger denn je, dass du die Kontakte für deinen nicht mehr gut sehenden Hund regelst. Hunde, die dynamisch auf deinen Hund zulaufen, sind grundsätzlich nie angenehm für ihn. Sieht dein Hund diese anderen Hunde nun aber nicht einmal mehr kommen, ist der dadurch entstandene plötzliche Kontakt oft besonders unangenehm für ihn und birgt Konfliktpotenzial. Schirme daher deinen Hund ab, indem du dich vor ihn stellst und bitte den anderen Menschen, seinen Hund zurückzurufen. Es spricht natürlich nichts dagegen, die beiden Hunde laufen zu lassen, wenn dein Hund Kontakt aufnehmen möchte. Aber auch hier ist aufgrund der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit deines Hundes Vorsicht geboten. Denn er erkennt die körpersprachlichen Signale des anderen Hundes eventuell nicht mehr oder zu spät. Droht der andere Hund aus der Distanz durch Fixieren, kann er dies nicht wahrnehmen und nähert sich z. B. unverändert weiter an. Erst wenn er so nah herangekommen ist, dass der andere Hund bereits knurrt und kurz vor einer Attacke ist, nimmt er die Stimmung des Gegenübers wahr, doch dann ist es oft bereits zu spät und es kommt zu einer aggressiven Auseinandersetzung.
Ist dein Hund taub, achte darauf, ihn nicht ständig zu erschrecken. Berühre ihn also nur dann, wenn er dich mit seinen verbliebenen Sinnen wahrgenommen hat. Wenn dein Hund mit dem Rücken zu dir liegt und du an ihm vorbeilaufen willst, kannst du z. B. ein wenig “trampeln“, also fester auftreten als normal. Die dadurch entstandene Erschütterung wird er in den meisten Fällen wahrnehmen und sich so nicht mehr erschrecken.
Auch körperlich wird dein alter Hund im Laufe der Zeit immer mehr eingeschränkt sein. Die Gelenke schmerzen, die Muskulatur baut sich immer weiter ab. Daher musst du deinem Hund nun den Alltag so einfach wie möglich machen. Wenn dein Hund nicht mehr so mobil ist, sollte euer Zuhause möglichst ebenerdig sein, sodass er kaum Treppen bewältigen muss. Für den Einstieg ins Auto bietet sich eine Rampe an, achte hierbei aber darauf, dass diese stabil ist und sich nicht bewegt, wenn dein Hund sie betritt.
Beschäftigung ist auch im Alter wichtig!
Hunde wollen auch im Alter noch Aufgaben und Beschäftigung haben. Bei ihnen gilt genauso wie beim Menschen: „Wer rastet, der rostet!“ Damit dein Hund körperlich fit bleibt, muss er ausreichend Möglichkeit haben, sich zu bewegen. Die Aktivität sollte dabei aber natürlich auf das Alter und eventuelle Einschränkungen abgestimmt sein. Hier geht es also keinesfalls darum, Leistung zu erbringen! Gleichmäßiges Traben belastet die Gelenke weniger als ein schneller Sprint in großen Galoppsprüngen. Langsames Radfahren über kurze Strecken auf weichem ebenem Untergrund bietet sich daher auch für alte Hunde noch an. Hat dein Hund bereits Erkrankungen an den Gelenken, kannst du ihn schwimmen lassen, da die Gelenke hierbei geschont werden. Achte dennoch dabei darauf, deinen Hund nicht zu überfordern. Gerade dann, wenn dein Hund gern apportiert, schwimmt er vielleicht weiter heraus, als seine Kraft reicht. Gerade bei einem Bach oder im Meer können Strömungen bzw. Gezeiten, die den Gegenstand schnell weiter weg bzw. raustreiben, zur Gefahr für deinen Senior werden. Alternativ kannst du mit ihm auch ein Schwimmbecken für Hunde aufsuchen, wo er kontrolliert und gesichert durch eine Schwimmweste schwimmen darf. Auch ein Unterwasserlaufband eignet sich für den Muskelaufbau beim Hundesenior.
Doch nicht nur die körperliche Auslastung ist wichtig, auch geistig solltest du deinen alten Hund immer wieder fordern. Nutze hierfür Beschäftigungen, die er schon in seiner Jugend gern mit dir ausgeführt hat, passe sie jedoch an die veränderten körperlichen Fähigkeiten deines Hundes an. Apportiert dein Hund gern, kannst du die Gegenstände z. B. verstecken, sodass er in langsamem Tempo mit der Nase danach suchen muss. Rennt er dem von dir geworfenen Gegenstand nach, ist der Sprint zum Start und das plötzliche Abstoppen für die Gelenke dagegen sehr belastend. Hast du deinen Hund früher im Agility über den Parcours geführt, kannst du im Alter z. B. mit ihm Distanztraining oder Hoopers Agility machen. Beim Distanztraining schickst du deinen Hund in verschiedene Richtungen und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten um einen oder mehrere Kreise. Beim Hoopers Agility soll dein Hund einen Parcours aus Hoops, sogenannten Reifen, die direkt auf dem Boden stehen, durchlaufen, und muss so weder springen noch klettern.
Auch wenn der Hund bei diesen Beschäftigungsformen auf den Menschen und seine Signale achten muss, steht doch die Bewegung hierbei im Vordergrund. Wie beim Menschen ist aber auch beim Hundesenior Gehirnjogging sehr wichtig, da ansonsten der Alterungsprozess immer schneller fortschreitet. Dafür eignet sich z. B. Intelligenzspielzeug, das im Handel erhältlich ist, aber auch einfach selbst gebastelt werden kann. Zum Beispiel lässt sich aus einem Karton, der mit sauberen Korken oder zusammengeknülltem Papier gefüllt wird, eine spannende Suchkiste basteln, in die man ein paar Leckereien verstecken kann. Achte dabei darauf, dass der Karton die passende Größe für deinen Hund hat, damit er problemlos tief mit der Nase in den Karton hineinkommt.
Demenz bei Hunden
Es gibt bis jetzt zwar keine offiziellen Forschungen über Demenz bei Hunden, es sind aber durchaus vergleichbare Symptome zur Demenz beim Menschen zu beobachten. Waren das Alleinbleiben oder Begegnungen mit fremden Menschen oder Hunden nie ein Problem, wirkt der Hund hierbei auf einmal gestresst, unsicher oder ängstlich. Nicht selten kann man den alten Hund gar nicht mehr allein lassen, da er durchgängig bellt und völlig erschöpft ist, wenn der Mensch nach Hause kommt. Am liebsten möchte der alte Hund einfach immer bei seinem Menschen sein. Eigentlich ein schönes Zeichen, da es zeigt, dass er sich am Menschen orientiert, ihm vertraut und er sich ohne ihn hilflos fühlt. Jetzt musst du entweder deinen Alltag umorganisieren oder aber eine Betreuung für deinen Hund während deiner Abwesenheit finden. Auch die Stubenreinheit wird manchmal zur Herausforderung für alle Beteiligten. Der alte Hund kann sich zum Koten oft nicht mehr hinhocken und verliert den Kot irgendwann sogar im Laufen, und das dann auch im Haus. Er kann nicht mehr so lange einhalten oder wird oft sogar inkontinent. Hier hilft nur, dem Senior häufig die Möglichkeit zu geben, sich zu lösen, manchmal sogar in Abständen von nicht einmal zwei Stunden. Passiert ein Missgeschick, wird es, ohne zu schimpfen, einfach entfernt. Die Betreuung eines alten Hundes ist oftmals ein Fulltime-Job. Doch das sind wir ihm schuldig, denn schließlich waren es ja wir Menschen, die damals, als er noch ein kleiner Welpe oder junger Hund war, entschieden haben, dass er zu uns ziehen soll. Er hat uns erfreut, uns begleitet auf all unseren Wegen, war unser Sport- und Trainingspartner, und hat uns so viel gegeben. Nun ist es an der Zeit, dass seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Er gibt jetzt den Rhythmus vor, und wir Menschen müssen uns an sein Leben anpassen.
Hundesenioren wollen weiterhin dazugehören und mit ihren Menschen zusammen sein. Überlasse deinen alten Hund daher nicht sich selbst, schließe ihn nicht aus. Das gilt insbesondere dann, wenn ein zweiter, jüngerer Hund in die Familie einzieht. Immer wieder einmal bringen Menschen, die mit ihrem jungen Hund zu mir ins Training kommen, auch ihren alten Hund mit. Und auch wenn wir den Trainingsaufbau nach dem Stand des jungen Hundes ausrichten, ist auch der alte Hund immer wieder einmal an der Reihe. Ich kann wirklich sagen, dass es wohl kaum etwas Schöneres gibt, als einen alten Hund zu sehen, der voller Stolz seinen Apportiergegenstand gefunden hat und diesen seinem Menschen bringt. Das Glück und die Freude des Hundes kann man deutlich sehen und fühlen.