Leckerlies - wann sinnvoll, und wann nicht?

Franziska Herre leitet seit über zehn Jahren die Martin Rütter Hundeschulen Erfurt / Weimar und Jena / Gera. Ihre Golden Retriever Nepomuk und Kasimir begleiten sie im Alltag und im Job. Im Training helfen sie ihr z. B. bei Themen rund um Hundekontakte.
Keks oder nicht Keks - das ist hier die Frage
In der heutigen Zeit ist der Wunsch groß, das Training mit dem Hund ausschließlich positiv zu gestalten. Der Hund ist ein festes Familienmitglied, mit dem ein harmonischer Umgang gepflegt werden soll. „Trainieren statt dominieren“ heißt die Devise, und Gewalt sowie körperliche Strafen sind zum Tabuthema geworden. Stattdessen hat sich der Einsatz von Futterbelohnungen etabliert. Welche Alternativen es zum Futter gibt, was es beim Training mit Futterbelohnungen zu beachten gilt und warum Gegner davon eisern behaupten, dass der oder die Hundehalter:in sich hiermit zum Futterautomaten degradiert, wollen wir etwas genauer beleuchten.
„Gut trainiert, doch schlecht erzogen“!
So lautet ab und an das Fazit einer Problemhundeanalyse.
Das Erlernen von Grundsignalen über eine positive Verstärkung, also mittels Belohnungen jeglicher Art, lässt sich ganz pauschal als Dressur bezeichnen. Dem Hund werden hierbei erwünschte Verhaltensweisen beigebracht, deren Ausführungen sich für ihn lohnen werden. So wird ein „Sitz“, „Down“ und „Fuß“ genauer betrachtet zu einem Trick, welcher nach vielen Wiederholungen und erfolgreichem Training durch ein Signal abrufbar ist.
Das Wort Erziehung beschreibt vielmehr das Setzen von Grenzen und Regeln im gemeinsamen Zusammenleben sowie das Einfordern eines respektvollen Umgangs. Erziehung geht immer mit Beziehung einher. So wird sich ein Hund, der sich an seinem Menschen orientiert, auch an dessen Regeln halten. Diese Orientierung wird jedoch nicht durch Fleißarbeit im Training erreicht, sondern über Strukturen im Alltag. Wer trifft wichtige Entscheidungen? Wer übernimmt Verantwortung? Wer erkennt und löst Gefahrensituationen am zuverlässigsten? All dies und noch viel mehr entscheidet darüber, ob ein Hund in der Lage sein wird, sich an seinem Menschen zu orientieren und dessen Regeln einzuhalten.
Training und Erziehung sind also zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten, die dennoch im Zusammenleben mit dem Hund zueinander finden. Die Konditionierung auf erwünschte Signale ist unumgänglich. Verhaltensweisen, wie das Sitzenbleiben an einer Ampel, das Fußlaufen am Konkurrenten vorbei oder der Rückruf aus der Hasenhatz sind keineswegs natürlich angelegte Verhaltensmuster. Sie müssen dem Vierbeiner vorerst über Training beigebracht werden, ehe sie im Alltag etabliert und eingefordert werden können. Genau an diesem Punkt finden dann Training und Erziehung zueinander.
Wenn eine Belohnung zur Motivation wird
Die Frage nach der richtigen Belohnung für den eigenen Hund lässt sich niemals pauschal beantworten. Sie hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und kann sogar von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Eines sei jedoch direkt vorweggenommen – der Vierbeiner hat hierbei ein großes Mitspracherecht, denn seine eigenen Vorlieben zählen am meisten!
Ein verbales Lob, Streicheln, Futter oder ein gemeinsames Spiel – all das kann einen motivierenden Effekt für den Hund haben. Hierbei gilt es, deinen eigenen Vierbeiner sehr genau zu beobachten und dessen individuelle Vorlieben zu erkennen.
Belohnungen sollen eine Motivation darstellen, ein erwünschtes Verhalten auch zukünftig häufiger zu zeigen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Hund weder Interesse für soziale Aufmerksamkeit noch für Futter oder ein gemeinsames Spiel zeigt. Sollte dies der Fall sein, muss auf Ursachenforschung gegangen werden.
Zum einen kann natürlich die Trainingssituation zu schwer und das Stresslevel zu hoch sein, sodass es dem Vierbeiner unmöglich ist, sich auf eine der Belohnungsformen einzulassen. Zum anderen ist es jedoch auch möglich, dass der Hund diese Angebote nicht wertschätzen kann, da sie ihm im Alltag unentwegt zur freien Verfügung stehen.
So wird beispielsweise ein Hund, der den kompletten Tag die volle Aufmerksamkeit seiner Halter:innen bekommt, einem netten Wort keine besondere Beachtung schenken. Ein Hund, der 24 Stunden einen vollen Napf zur Verfügung hat, wird wohl kaum für ein Leckerli besonders schön leinenführig am Erzfeind vorbeilaufen. Und ein gemeinsames Spiel besitzt nur dann einen hohen Wert, wenn der Vierbeiner über Spielzeug nicht immer frei verfügen und seinen Menschen zum Spiel auffordern kann, wann immer er möchte.
Zum Leidwesen vieler Hunde möchten Menschen im Training jedoch am häufigsten über Streicheln belohnen. Die meisten Vierbeiner quittieren dies mit starkem Meide- und Beschwichtigungsverhalten. Wer den Hund beim Belohnen durch Streicheln genau beobachtet, kann eventuell feststellen, dass dieser den Kopf oder Blick abwendet, das Körpergewicht weg vom Menschen verlagert, schleckt und schmatzt oder beginnt, stark zu hecheln. Das ist keineswegs als persönliche Kritik zu verstehen. Doch körperliche Nähe gehört für unsere Vierbeiner, ebenso wie für uns, in aller Regel in ruhige und stressfreie Momente.
Grundsätzlich gilt – belohnt werden darf mit allem, was Hund und Mensch eine Freude macht! Im partnerschaftlichen Zusammenleben mit dem Vierbeiner darf eine individuell gewählte Belohnung in jedem Fall ihren Platz finden, um den Hund dazu zu bewegen, eine erwünschte Verhaltensweise zukünftig häufiger zu zeigen. Wer wird nicht gern für besonders gute Arbeit honoriert?

Futter als Motivator im Training
Die meisten Hunde sind Futter glücklicherweise sehr zugetan. Immerhin ist die Ernährung ein Grundbedürfnis unserer Vierbeiner.
Insbesondere für den Aufbau neuer Verhaltensweisen und damit auch neuer Signale ist das Training über Futter absolut empfehlenswert. Kaum eine andere Form der Belohnung bietet die Möglichkeit, den Hund ohne körperliche Manipulation zu einer erwünschten Bewegung zu bringen. Das einfachste Beispiel hierfür ist das Training des Signals „Sitz“. Dabei wird ein Futterstück über die Nase des Hundes nach hinten geführt. Dieser wird der Verlockung mit dem Blick folgen und sich aufgrund der Gewichtsverlagerung absetzen. Durch ein paar Wiederholungen kann dieser Bewegungsablauf schnell gefestigt und das Führen mittels des Futterstücks reduziert werden. Alternativ könnte dieser Übungsablauf auch mit einem Spielzeug und dem damit verbundenen Spielversprechen durchgeführt werden. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass der Hund in Erwartung einer Dynamik hektisch und nervös wird. Das erschwert den Lernvorgang natürlich enorm. Doch Achtung – diese Aufregung kann ebenso bei für den Hund sehr hochwertigen Futterbelohnungen aufkommen.
Der Markt bietet ein undenkbar breites Angebot unterschiedlicher Leckerlis. Von weich bis fest, von Huhn bis Känguru, von vegetarisch bis hin zu vegan – da ist für jeden Geschmack das Passende dabei.
Kleine, weiche Futterstücke eignen sich besonders für den Signalaufbau sowie für ein Training, bei dem viele Wiederholungen benötigt werden. Sie können schnell gefressen werden und die Unterbrechung der Übung durch die Belohnung ist nur kurz.
Bedenke in diesem Zusammenhang, dass du die benötigte Futtermenge unbedingt von der Tagesration abziehen musst. In diesem Rahmen kannst du natürlich auch das Hauptfutter für das Training nutzen, und deinem Hund einen Großteil des Trockenfutters für die Zusammenarbeit mit dir bzw. im Training geben.
Leberwurst, Geflügelcreme und Co liegen erfahrungsgemäß bei Hunden sehr hoch im Kurs. Sie eignen sich als Füllung in der Futtertube beispielsweise als ganz besondere Belohnung für den Rückruf. Und damit die so gefüllte Futtertube für deinen Hund etwas ganz Besonderes bleibt, solltest du sie nur sehr dosiert verwenden.
Im Handel erhältliche, bereits gefüllte Futtertuben oder die etwas nachhaltigere Variante, die wiederwendbare, selbst befüllbare Futtertube, eignen sich zudem für Übungen, bei denen dein Hund über einen etwas längeren Zeitraum belohnt werden soll, wie beispielsweise, wenn er eine gewünschte Position länger halten soll. Zudem kann schlecken das Stresslevel deines Hundes reduzieren.
Wenn du die kulinarischen Vorlieben deines Hundes kennst, kannst du damit eine Belohnungshierarchie erstellen, angefangen von den „ganz normalen, aber gern genommenen“ Futterstücken bis hin zum absoluten Highlight. Letzteres solltest du nur sparsam und für sehr wichtige oder perfekt ausgeführte Signale verwenden.

Die Stolperfallen der Futterbelohnung
Beim Einsatz von Futter im Training oder Alltagsgeschehen sollte einiges bedacht und berücksichtigt werden. So können durch schlechtes Timing unter Umständen unerwünschte Verhaltensweisen belohnt und verstärkt werden.
Ein häufiger Timing-Fehler findet beispielsweise bei der Belohnung des Signals „Sitz“ statt. Der oder die Hundehalter:in möchte seinen oder ihren Hund für das Hinsetzen oder Sitzenbleiben belohnen. Während das Futterstück nach unten gereicht wird, steht der Hund auf und springt dem Menschen entgegen. Wenn der Vierbeiner nun die Belohnung erhält, hat sich aufstehen und gegebenenfalls auch anspringen für ihn rentiert. Er wird dieses Verhalten also in Zukunft häufiger zeigen.
Des Weiteren ist es wichtig, die Futterbelohnung zeitnah von einer Bestechung zu einer Belohnung werden zu lassen. Wie oben bereits beschrieben, kann der Hund für den Aufbau neuer Signale und erwünschten Verhaltens über das Führen mit Futter zu einem bestimmten Bewegungsmuster gebracht werden. Er wird also mit der späteren Belohnung in der Hand zu einer Bewegung motiviert, welche er im Anschluss daran für eine gute Ausführung erhält.
Das Futterstück in der Hand musst du während des Trainings schrittweise abbauen, sodass die Belohnung zeitnah aus der Tasche erfolgen kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass dein Hund später das gewünschte Verhalten nur zeigt, wenn du die Belohnung bereits in der Hand hältst. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Signal „Hier“, wenn der Hund bereits aus der Ferne schaut, ob der Mensch die heißbegehrte Futtertube in der Hand hält. In diesem Fall wurde zu lang mit einer sichtbaren Belohnung gelockt und diese versprochen, noch bevor erwünschtes Verhalten gezeigt wurde.
Doch Achtung – auch der Griff zur Tasche sollte nach erfolgreichem Signalaufbau erst nach dem gewünschten Verhalten erfolgen. Anderweitig kann auch dies zu einer Form der Bestechung und somit zum Belohnungsversprechen werden.
Futter kann zudem auch als Ablenkung dienen, bevor ein Hund unerwünschtes Verhalten zeigt. Das ist grundsätzlich kein Problem, sofern sich die Menschen darüber bewusst sind, dass es wirklich nur eine Ablenkung und kein Training ist. So kannst du beispielsweise die Leberwursttube als Erste-Hilfe-Maßnahme wählen, um deinen Hund an einem anderen Vierbeiner vorbeizuführen. Zeigt sich ein Hund problematisch bei der Begegnung mit Artgenossen gibt es einiges zu trainieren. Natürlich ist der Hund zu Beginn des Trainingsweges noch nicht in der Lage, diese Begegnungen souverän zu meistern. Bevor er also in alte, unerwünschte Muster zurückfällt, ist eine Ablenkung sehr sinnvoll. Ein Training der Begegnung findet durch das Führen mit der Futtertube jedoch nicht statt – die Futtertube dient wirklich nur der Ablenkung des Hundes vom Reiz, der das unerwünschte Verhalten beim Hund auslöst. Ohne diese Ablenkung würde der Hund das gleiche Verhalten wie vorher zeigen.
Die Belohnung über Futter kann bei dem ein oder anderen Hund außerdem zu großer Aufregung führen. Insbesondere bei sehr futtermotivierten Hunden solltest du unbedingt darauf achten, dass du die Belohnung nicht zu hochwertig ausgewählt hast. Die Aussicht auf ein ganz besonders schmackhaftes Leckerli kann sonst unter Umständen deinen Hund so nervös werden lassen, dass er sich nicht mehr auf die Aufgabe an sich konzentrieren kann. Dann ist Stress auf beiden Seiten vorprogrammiert, wodurch kein Lernverhalten mehr stattfinden kann.
Die Futterbelohnung sollte also immer dem aktuellen Training und auch dem jeweiligen Hund angepasst sein.
Die schärfste Kritik - Der Mensch als Futterautomat
Um es einmal sehr objektiv zu betrachten – wir Menschen sind für den Vierbeiner immer ein Futterlieferant. Dabei ist völlig unerheblich, ob er es abends im Napf oder unterwegs zur Belohnung erhält. Nur weil ein Angestellter oder eine Angestellte pünktlich zum Monatsbeginn seine oder ihre Lohnzahlung auf sein oder ihr Konto erhält, wird ein oder eine Chef:in nicht unvermeidlich und automatisch zum persönlichen Geldautomaten.
Etwas anderes wäre es jedoch, wenn der oder die Arbeitnehmer:in wann immer es ihm oder ihr passt, eine von ihm oder ihr selbst ausgesuchte Aufgabe erfüllt und dafür eine Geldzahlung erhält. Vergleichbar wäre das mit der Situation, dass ein Hund von sich aus und ungebeten die Fußposition einnimmt und hierfür eine Futterbelohnung bekommt. Der Mensch freut sich natürlich über dieses Verhalten und möchte es verstärken.
In diesem geschilderten Moment trifft die Kritik, der Mensch diene lediglich als Futterautomat, absolut zu. Der Vierbeiner bedient sich sozusagen frei Schnauze am Futtervorrat. Und das führt zu einem Problem: Welchen Sinn ergibt es denn aus Hundesicht dann noch, gleiches Verhalten zu zeigen, wenn der Mensch es möchte und der Vierbeiner doch gerade viel Wichtigeres zu erledigen hat? Richtig - gar keinen! Der Hund erhält doch den gleichen Preis, wenn er durch die selbstständige Ausführung des Verhaltens um Futter beim Menschen anfragt. Er kann sich seine Belohnung zu einem späteren Zeitpunkt also selbst holen.
Das bedeutet jedoch keineswegs, dass du dich über das von deinem Hund angebotene Verhalten nicht freuen darfst! Eine gleichwertige Belohnung, wie wenn du deinen Hund durch das erlernte Signal aufgefordert hast, das Verhalten auszuführen und dieses dann von deinem Hund gut durchgeführt wurde, solltest du jedoch vermeiden.
Doch Achtung: Hat ein Hund ein Signal noch nicht erlernt und zeigt im Aufbau dieses Trainings spontan das erwünschte Verhalten, wird eine darauffolgende Belohnung dazu führen, dass der Hund das Verhalten öfter zeigen wird. Hierbei handelt es sich also um eine Variante zum Locken / Führen mit Futter beim Signalaufbau, sodass du deinen Hund dementsprechend auch für das freiwillig gezeigte Verhalten belohnen darfst bzw. sogar musst. Dein Hund weiß in diesem Fall aber auch, dass es sich um eine Trainingssituation handelt und du eine Erwartungshaltung an ihn hast. Um herauszufinden, welche, probiert er unterschiedliches Verhalten aus. Letztlich ist es also in dieser Situation doch wieder der Mensch, der das Verhalten initiiert hat, und nicht der Hund.
Fazit
Um deinem Hund etwas beizubringen, solltest du im Rahmen der positiven Verstärkung zu Belohnungen greifen, die für deinen Hund einen motivierenden Effekt haben. Gute Leistung darf sich auch für unsere Vierbeiner rentieren.
Da die Ernährung zu den Grundbedürfnissen gehört, eignet sich Futter in der Regel sehr gut als Belohnung. Sinnvoll ist es vor allem beim Training erwünschter Verhaltensmuster und Bewegungsabläufe, die viele Wiederholungen benötigen.
Doch auch mit Futterbelohnungen solltest du sorgsam umgehen, um nicht unbewusst unerwünschte Verhaltensweisen zu verstärken. Und um nicht zu einem Futterautomaten umfunktioniert zu werden anstatt ein vollwertiger Sozialpartner deines Hundes zu sein, zählt letztendlich die Frage: Wer hat den Moment eigentlich initiiert?