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Behinderter Hund - na und!?

Die Behinderung eines Hundes kann Hundehalter oftmals überfordern. Egal, ob angeboren oder erworben, neigen viele Menschen dazu, ihren Hund aufgrund seiner Einschränkung zu bemitleiden und überfürsorglich zu behandeln. Andere wiederum nehmen die Behinderung gar nicht so ernst und unterstützen ihren Hund zu wenig, weil sie das Handicap ihres Vierbeiners unterschätzen. In beiden Fällen entstehen leider häufig Probleme, welche mit dem richtigen Wissen und Umgang hätten verhindert werden können.

Behinderungen bei Hunden können Einschränkungen in Bezug auf die Sinnesorgane betreffen, genauso aber auch Skeletterkrankungen oder fehlende Gliedmaßen. Durch die Einschränkung des Hundes, muss der Mensch zum Teil früher reagieren und den Hund im Alltag unterstützen. Die gängigsten Handicaps und alle Tipps zum richtigen Umgang mit Behinderungen des Hundes werden hier beschrieben:

Blindheit

Entgegen der landläufigen Meinung ist die visuelle Kommunikation des Hundes die wichtigste Form der Sprache unter Artgenossen. Immer wieder wird vermutet, dass dem Hund aufgrund seiner Millionen Geruchszellen die olfaktorische Kommunikation wichtiger ist. Ein blinder Hund hat aber neben dem großen Manko der Kommunikationsfähigkeit mit Artgenossen auch starke Defizite im alltäglichen Leben, da er nicht sieht, wohin er geht und was ihm im Weg steht.

Der Hund benötigt seine Augen vor allem, um frühzeitig Situationen einschätzen zu können und sein Verhalten an diese anzupassen. Kann er dies nicht, so muss ihn sein Mensch dabei unterstützen. Einem blinden Hund kann im Zusammenleben schon dadurch geholfen werden, dass Gegenstände und Situationen im Alltag möglichst beständig bleiben. Ein permanentes Umräumen der Wohnung oder täglich neue Spaziergeh-Routen sind beispielsweise ungünstig. Ein blinder Hund lebt ohnehin in Unsicherheit, hier gilt es, diese nicht zu verstärken. Daher ist es auch hilfreich, dem Hund Signale beizubringen, die z. B. Treppen oder neue Räume erkennbar machen. Anfänglich kann dies in Kombination mit dem Klopfen des Halters auf Stufen oder Türen kombiniert werden, damit der Hund auch die Entfernung besser abschätzen kann. Weiters ist es sinnvoll, seinen blinden Hund genau anzuleiten, wohin er sich bewegen soll und wo er bleiben soll. Gerade hierfür ist eine gute, beziehungsorientierte Leinenführigkeit die Voraussetzung. Nur so kann der Mensch vorausschauend agieren und mit dem Hund zusammenspielen.

Gerade in der Kommunikation zwischen Hunden ist es unabdingbar für den Halter eines blinden Hundes, die Körpersprache von Hunden sehr genau zu lernen. Geht mein blinder Hund unwissend und ohne böse Absichten auf einen drohend fixierenden anderen Hund zu, ist es wichtig dies zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren, um Konflikte vermeiden zu können.

Taubheit

Taube Hunde haben im Gegensatz zu blinden Hunden weniger Defizite, wenn es um Kommunikation geht. Dennoch gibt es im Handling mit tauben Hunden viele Herausforderungen, vor allem für den Hundehalter. Eine langjährige Kundin mit einem von Geburt an tauben Hund erzählt mir aber dennoch immer sehr stolz, wie entspannt zumindest ihr Silvesterabend wäre…

Taubheit kann genetisch bedingt vererbt oder aber auch erworben werden. Hunderassen mit vorwiegend weißem Fell, wie z. B. Dalmatiner, Bull Terrier oder Australian Shepherds, haben, bedingt durch das Merle-Gen, eine erhöhte Disposition zur Taubheit.

Die größten Nachteile der Taubheit liegen beim Hund darin, dass die menschliche Welt sehr stark von akustischen Reizen geprägt ist und so für den Hund schnell Gefahren entstehen können, die er aber nicht hört. Auch die Rückrufbarkeit des Hundes oder Signale auf Distanz sind über Sprache nicht möglich. Daher sollte ein Weg gefunden werden, um dem Hund ein lebenslängliches Laufen an der Leine zu ersparen. Beim Umgang mit tauben Hunden ist es extrem wichtig, viele deutlich voneinander abgrenzbare visuelle Signale zu trainieren. Einem tauben Hund kann nicht so einfach „so isser brav“ gesagt werden. Ein „Daumen nach oben“ könnte hierfür eine Alternative sein. Unabdingbar im Zusammenleben ist auch, dem tauben Hund beizubringen, den Menschen oft anzuschauen. Nur wenn man immer wieder die selbstständige Aufmerksamkeit des Hundes hat, können Signale auch sicher vermittelt werden.

Im Umgang mit Artgenossen liegt die Problematik vor allem darin, dass gesunde Hunde nicht wissen, dass es taube Hunde gibt. Taube Hunde verhalten sich auch in der Annäherung erst ganz normal. Zeigt der gesunde Hund nun aber eine Lautäußerung wie Knurren,könnte dies zu einem klassischen Kommunikationsmissverständnis und folglich zu einer Auseinandersetzung führen. Auch bemerken taube Hunde oft die Annäherung anderer Hunde nicht. Hunde begegnen sich tendenziell ja eher nicht frontal, so kann also das Analschnüffeln eines ankommenden Hundes zu einem großen Schreck des tauben Hundes führen.

Beliebte Hilfsmittel im Training mit tauben Hunden sind Vibrationshalsbänder. Über eine Fernbedienung wird – auch über eine größere Distanz – ein taktiler Vibrationsreiz ausgelöst: Der Hund soll lernen, sich bei diesem Impuls zum Menschen umzudrehen bzw. heranzukommen. Hier ist nur absolut wichtig, den Aufbau in kleinen Schritten und durchwegs mittels positiver Bestätigung umzusetzen. Sensible Hunde können die Vibration nämlich unter Umständen als Korrektur auffassen.

Gängige Skeletterkrankungen & Gehbehinderungen

Hunde können sowohl vom frühen Welpenalter an als auch erst während des Älterwerdens verschiedenste Formen von Skeletterkrankungen erleiden. Zumeist sind diese Krankheiten nicht heilbar, daher liegt es am Hundehalter, durch Schonung und Ausgleich Alternativen zu schaffen und eine weitere Degeneration zu vermeiden.

Hüftdysplasie, auch HD genannt, ist eine Fehlbildung der Hüftgelenke – die Gelenkpfanne und der Oberschenkelkopf passen hier nicht korrekt ineinander. Für das Krankheitsbild können sowohl erbliche als auch erworbene Faktoren ausschlaggebend sein.

Hunde mit HD sind zunächst einmal nicht besonders eingeschränkt. Schmerzen leidet der Hund erst, wenn durch die Krankheit Arthrosen, also Gelenksentzündungen, entstehen. Aber auch diese treten häufig so schleichend auf, dass der Hund lernt, damit zu leben, und HD erst auf dem Röntgenbild festgestellt werden kann.

Ellbogengelenksdysplasie (ED) beschreibt im Grunde 4 verschiedene Erkrankungen, die alle aufgrund von Gelenksarthrosen zu Bewegungsschmerzen der Hunde führen können. Auch ED kann sowohl vererbt als auch erworben werden. Hunde mit ED sollten ihre Ellenbogengelenke nicht stark belasten. Gerade konstantes Abwärtslaufen oder aus Aus-dem-Auto-Springen ist Gift für die entzündeten Gelenke.

Spondylose ist eine krankhafte, erbliche oder erworbene, Veränderung der Wirbelsäule. Hierbei bilden sich Verknöcherungen, welche die Wirbel miteinander verbinden. Schmerzhaft ist die Krankheit vor allem, wenn die Verknöcherungen heranwachsen und auf wichtige Nervenstränge drücken. Im Laufe der Zeit tritt dann die vollständige Verknöcherung ein, welche zwar zur partiellen Steifheit der Wirbelsäule führt, aber die Schmerzen aufhebt. Die knöchernen Verbindungen können allerdings auch brechen, dies kann das Todesurteil für den Hund darstellen. Daher sollte darauf geachtet werden, einem Hund mit Spondylose keine großen Bewegungen des Rückens abzuverlangen. Auch die taktile Sensibilität des Rückens kann eine Gefahr darstellen. Hunde mit starken Schmerzen im Rücken neigen zu schmerzbedingter Aggression gegenüber Artgenossen.

Bei allen Gelenkserkrankungen ist es wichtig, den Hund besonders schlank zu halten, da jeder Kilo zu viel die Gelenke unnötig beansprucht. Im Training sollte darauf geachtet werden, dass schnelle Sprünge, ruckartige Stopps und abrupte Wendungen vermieden werden. Sportarten wie Agility scheiden daher leider kategorisch aus. Gezielter Muskelaufbau ist aber in allen Fällen richtig und wichtig. Gerade Schwimmen ist in diesem Zusammenhang eine schonende Alternative. Liebt der Hund das Apportieren, kann eine ruhigere Suche oder das Ablegen des Apportiergegenstands auf Augenhöhe des Hundes eine entschleunigte Alternative bieten.

Fazit

Behinderungen eines Hundes müssen nicht automatisch bedeuten, dass er im Vergleich zu einem gesunden Hund ein benachteiligtes und nicht so glückliches Leben führen muss. Mit der richtigen Portion Verständnis und Feingefühl liegt es am Menschen, richtig mit der Behinderung des Vierbeiners umzugehen und damit leben zu lernen. Oft stellt sich auch die Frage, ob man den Hund lieber mehr einschränkt und dafür ein womöglich längeres Leben ermöglicht oder ihm gewisse Freuden lässt und unter Umständen dafür früher die Rechnung zahlen muss. Hier entscheidet der Einzelfall und nur das Bauchgefühl des Hundehalters. Ein behinderter Hund kann jedenfalls genauso viel Lebensqualität haben wie ein gesunder!

 

Ein Artikel unserer Kollegin Conny Sporrer von der Martin Rütter Hundeschule Wien