«Hundeprofi» Martin Rütter: „Keinerlei Ähnlichkeiten mit Cesar Millan“
Beide arbeiten mit Hunden, beide sind TV-Stars; und dennoch will der deutsche «Hundeprofi» nichts mit seinem US-Pendant gemein haben. Warum, erklärt der VOX-Quotenstar im Interview. Außerdem: Wie er mit seinem „Helden“-Status umgeht und wie gut erzogen seine eigenen Hunde sind…
Herr Rütter, was steht eigentlich unter Ihrem Namen auf Ihrer Visitenkarte? Hundetrainer, Moderator, Stand-Up-Komiker, Produzent?
(lacht) Also erstens habe ich keine Visitenkarten. Zweitens: Wenn Sie meine Kinder fragen, was Papa macht, dann sagen die: Hundetrainer. Und damit treffen sie auch den Punkt. Das ist genau das, was ich auch wirklich mache. Denn alles, mit dem ich zu tun habe, befasst sich damit, Know-How über Hunde zu vermitteln. Ich moderiere keine Sendungen über Musik. Ich bekomme zwar inzwischen häufiger Anfragen, ob ich für die Industrie Dinge moderiere, aber das ist nicht meins. Wenn Sie sehen: Ich habe nun vier Firmen, ich produziere meine Sendungen selbst, ich bin selbst für meine Tournee verantwortlich und und und. Aber es geht immer um Hunde.
Sie haben einst Sportwissenschaft studiert. Sport und Hundehaltung – das passt.
Absolut. Manchmal glaubt man mir heute nicht mehr, dass ich wirklich bis heute noch viel mit Sport am Hut habe. Ich war ein relativ guter Fußballer und somit war für mich lange klar: Ich will mal Trainer oder Sportkommentator werden. Sportjournalismus fand ich immer total interessant. Ich habe dann aber festgestellt, dass meine Arbeit als Hundetrainer relativ ähnlich ist.
Wenn Sie jetzt ein Interview mit mir führen, dann bereiten Sie sich auch vor, müssen aber die Situation genau bewerten, müssen unvoreingenommen sein, stellen Fragen und haben letztlich dann Ihr eigenes Bild. Meine Arbeit ist im Kern nicht sehr anders. Wenn ich abends auf die Bühne gehe und meine Show abliefere, dann muss ich mich auf die Leute einstellen, die vor mir sitzen. Wenn ich zu Menschen gehe, um ihnen mit ihren Hunden zu helfen, dann muss ich das beobachten. Erziehung hat mit Beziehung zu tun. Und die Tipps, die ich letztlich gebe, lassen sich auch wieder allgemeiner nutzen: Etwa auf den Umgang mit Familie, Kollegen, Mitarbeitern.
Wie tierlieb sind wir Deutschen Ihrer Meinung nach?
Wahnsinnig tierlieb. Die Deutschen sind da auch sehr aufgeklärt letztlich. Wenn man sich mal Europa anschaut, dann sind uns wohl nur die Österreicher noch voraus. Österreich hat die strengsten Tierschutzgesetzte, danach kommt die Schweiz und wir im Schlepptau.
Ihre Karriere als Tiertrainer hat in Australien begonnen. Sie haben in Wolfaufzuchtstationen gearbeitet und Dingos beobachtet. Denken Sie da noch gerne zurück?
Ich denke da gerne zurück. Dingos sind ja Haustiere gewesen, die die Chinesen einst mit nach Australien brachten. Das Ungewöhnliche ist: Die Dingos wurden später dann wieder verwilderte Tiere. Ich finde die Geschichte sehr spannend. Wenn Sie mich aber fragen, ob ich da gerne zurückdenke, würde ich immer ja sagen. Weil ich jemand bin, der allein von der Mentalität her die jetzige Zeit immer als seine beste Zeit ansieht. Das sage ich über die Zeit im Studentenwohnheim genauso wie über Australien oder mein Leben jetzt. Natürlich gibt es aber Highlights: Meine erste Aufzeichnung einer Bühnenshow zum Beispiel.
Einst hatte ich ohne Bühnenbild vor 600 Zuschauern gespielt und dann hat man plötzlich 3000 Zuschauer und viele Kameras samt Kamerakran. Das war beeindruckend. Aber auch da kam mir meine Mentalität zu Gute. Ich habe mir nichts weiter gedacht und alles so gemacht wie immer.
Herr Rütter, ich kenne Leute, die sind tolle Sozialpädagogen, haben daheim aber nicht sonderlich gut erzogene Kinder. Wie ist’s bei Ihren Hunden? Hören die?
Man sagt ja, der Schuster hat die schlechtesten Schuhe. Das ist manchmal auch wirklich so. Die Leute glauben ja manchmal, die Hunde vom Rütter machen morgens um sechs Frühstück, machen tagsüber dann Sport und fangen abends noch zwei Einbrecher. Käse. Ich habe ganz normale Hunde, die auch ihre Probleme haben. Mein Ansatz in der Arbeit von Hunden ist auch nicht, dass ich aus Tieren perfekte Lebewesen machen möchte. Die Hunde dürfen bei mir Tier bleiben. Aber es ist schon so, dass ich die Hunde mit auf Tour und auch ins Hotel nehmen kann, ohne dass etwas passiert.
Sie werden oft mit Cesar Millan, dem «Hundeflüsterer» verglichen, der eine relativ ähnliche Sendung macht. Wie sehen Sie seine Arbeit? Ist das vergleichbar?
Es gibt in unserer Arbeit keine Ähnlichkeiten. Man kann nur sagen, dass beide etwas mit Hunden machen und beide dabei im Fernsehen zu sehen sind. Die Ansätze aber sind grundlegend anders. Cesar Milan betreibt Symptombekämpfung – egal mit welchen Mitteln. Wenn bei ihm ein Topf auf dem Herd steht und er droht überzukochen, dann legt er den Deckel drauf. Ich hingegen will die Ursachen für das vorliegende Problem erforschen. Um in unserem Bild zu bleiben: Ich stelle die Flamme auf dem Herd etwas niedriger.
Wann immer im Fernsehen mit Tieren gearbeitet wird, sind Kritiker hellwach. Wie gehen Sie mit Mahnungen (von Tierschützern) um?
Zuerst einmal: Ich finde es richtig gut, dass es Leute gibt, die da genau aufpassen. Es wäre doch schlecht, wenn jeder einfach alles blind nachmachen würde. Wir arbeiten bei unserer Produktion auch eng mit dem Tierschutzbund zusammen und ich bekomme gerade von dort immer wieder Zusendungen, wie froh man ist, dass es meine Sendungen gibt. Ich vermittele den Grundsatz, dass man keinen Hund einfach aufgeben sollte.
Trotzdem muss es auch an meiner Arbeit Kritik geben. Es gibt immer Leute, die sich denken: Wer weiß, was da mit den armen Tieren passiert… Mit solchen Menschen gehe ich immer aufrichtig um. Wenn mir jemand schreibt, mein Training sei falsch gewesen, weil er da und dort gelesen habe, dass es so besser ist, bin ich der Erste, der ganz ausführlich antwortet. Ich selbst bin ja neugierig auf diesen Austausch und will mich weiterentwickeln. Schauen Sie mal auf Facebook – wir löschen da nichts, aber auch gar nichts. Es gibt kaum negatives Feedback. In den 14 Jahren, die ich nun Fernsehen mache, hatte ich vielleicht eine Handvoll Briefe oder Mails, die wirklich boshaft waren. Solchen Leuten brauche ich dann natürlich nicht mehr antworten. Ich ziehe aber generell die Erkenntnis daraus, dass meine Sendungen auch deshalb so gut laufen, weil ich authentisch bin und es mir ehrlich gesagt auch egal ist, ob ich im Fernsehen mal strubbelige Haare habe.
Das Zusammenleben mit einem schwierigen Hund löst in der Regel einen hohen Leidensdruck aus. Wie gehen Sie damit um, dass Sie für viele Hundebesitzer dann eine Art „Hero“ sind?
Man muss vielleicht dazu sagen, dass ich die Familien, zu denen ich in meiner Sendung komme, alle nicht kenne. Pro Sendung erhalten wir etwa 2500 Bewerbungen, die dann meine Redaktion durchforstet. In meiner Redaktion haben wir Redakteure, keine Hundetrainer. Sie haben also, was Hundeerziehung angeht, begrenzte Erfahrung. Die Redaktion bereitet die Fälle dann vor und will natürlich einen Querschnitt über die möglichen Probleme mit Hunden abbilden. Ich sage der Redaktion, wann wir drehen können und zu diesen Terminen fahren wir dann da hin. Dort sehe ich die Familien und Hunde zum ersten Mal. Da kommt es vor, dass ich auf Probleme stoße, bei denen ich direkt weiß: Das lässt sich in zehn Minuten lösen. Es gibt aber auch Fälle, wo deutlich wird, dass wir ein Jahr brauchen, bis Fortschritte sichtbar sind. Gemein haben viele, dass ein großer Leidensdruck vorherrscht, das stimmt. Viele haben auch schon zwei oder drei Hundeschulen durchlaufen, und meist sogar ziemlich gute.
Es gibt in Deutschland viele tolle Hundetrainer. Aber wenn ich komme, dann ist das meist nochmal etwas anderes. Die Menschen wissen dann, wenn es jetzt nicht klappt, dann klappt es gar nicht mehr. Ich versuche immer in meinen Ansagen sehr direkt und klar zu sein, ohne aber jemanden bloß zu stellen. Die Leute können also danach noch zum Bäcker gehen ohne sich zu schämen. Das schätzen übrigens auch die Promis, die bei mir mitmachen. Ich mache da keine Show. Klar ist aber auch: Wenn ich komme, nehme ich die Kandidaten in die Pflicht: Ich kann ihnen helfen, aber arbeiten mit dem Hund müssen sie selbst. Ich werde manchmal auch gefragt: Wie lange muss ich das denn dann machen? Da ist die Antwort: Immer. Denn die Beziehung bestimmt die Erziehung.
Was ist der häufigste Fehler von Hundebesitzern? Ist es wirklich die fehlende Konsequenz in der Erziehung?
Das spielt eine Rolle. Die Basis muss halt stehen. Wenn ich jetzt bei meinen Hunden mal eine Woche lang nicht konsequent bin, dann würde das nicht viel ausmachen. Ich glaube, dass viele ihre Hunde einfach zu sehr vermenschlichen. Sie behandeln Hunde wie eine Art Kind – und das ist eine Katastrophe. Zweitens sind viele Hunde einfach nicht ausgelastet.
Die Menschen glauben, dass es einem Hund reicht, wenn sie zwei Stunden mit ihm spazieren gehen. Sie verwechseln oft Bewegung mit Beschäftigung.
Nach zwei Stunden Gassi gehen ist er Hund vielleicht erschöpft. Sie sind nach einem Marathon auch erschöpft, aber auf andere Art und Weise als wenn Sie zwei Stunden japanische Vokabeln lernen. Und Drittens: Oftmals sucht man sich schon falsche Hunde aus. Ich hatte neulich ein Paar mit drei kleinen Kindern, die einen Jack-Russel-Welpen geholt haben. Da kann ich nur sagen: Entweder Hund oder drei Kinder. Wenn ein so dynamischer, quirliger Hund auch noch auf drei quirlige Kinder trifft, dann kann das kaum gut gehen.
Wenn wir über Ihre Bühnenshows sprechen: Wie viele Besucher von Ihnen können da wirklich nützliche Tipps mitnehmen?
Ich glaube: Von 10.000 Besuchern meiner Shows gehen 9990 glücklich nach Hause. Sie wissen aber auch, dass sie bei mir vermutlich nicht den einen Ratschlag bekommen, der all ihre Probleme mit ihrem Hund löst. Die Leute sind nicht blöd und erkennen, dass das so einfach nicht geht. Aber ich vermittele meine Geschichten so bildhaft, dass ich bei mir im Publikum immer wieder Paare sehe, die sich in die Rippen stoßen, weil sie sich wieder erkennen. Das nehmen sie dann mit – und reden in den Wochen danach sicherlich auf der Couch nochmal drüber.