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Rituale im Alltag – Fluch und Segen zugleich?

Eine Kollegin von mir nimmt in ihrer Freizeit mit ihren Hunden an Prüfungen teil. Diese Teilnahme ist nicht nur eine Voraussetzung, damit die Hunde zur Zucht zugelassen werden. Nein, sie betreibt dieses Hobby auch mit Liebe und Leidenschaft und natürlich, um ihre Hunde artgerecht zu beschäftigen. Gemeinsam mit ihren Hunden hat sie ein Ritual: Nach einer gelaufenen Prüfung bekommt der teilnehmende Hund zur Belohnung einen Burger von einer bekannten Fastfood-Kette. Das läuft jedoch nicht einfach unstrukturiert nach dem Motto ab „Hier ist deine Belohnung – friss!“, sondern folgt einer bestimmten, zeremoniellen Struktur: Meine Kollegin fährt nach der Prüfung zu einer Filiale der Fastfood-Kette, um den Burger zu kaufen. Danach begibt sie sich mit ihrem Hund an einen ruhigen Ort, der Hund wird ins „Sitz“ gebracht, und etwa einen halben Meter vor ihn wird der Burger hingelegt. Dann wird ein Foto vom wartenden Hund vor dem Burger geschossen, das in den sozialen Medien gepostet wird, sodass alle Freundinnen und Freunde sich mitfreuen und gratulieren können. Danach wird der Burger ausgepackt, und auf ein bestimmtes Signal hin darf der Hund zum Burger und ihn verspeisen. Die Burger-Belohnung ist dabei völlig unabhängig vom Ergebnis, welches sie mit ihrem Hund in der Prüfung erzielt hat. Lediglich die Art des Burgers – ob Hamburger oder Cheeseburger – kann variieren.

Was genau ist das eigentlich, ein Ritual?

Anhand der hier beschriebenen Situation kann ich leicht und sehr anschaulich einige der wichtigsten Merkmale eines Rituals (nach Weinhold 2015) verdeutlichen: Rituale sind Handlungen, die körperlich vollzogen werden (im Gegensatz zu reinen Gedankengängen, die kein Ritual bilden können). In unserem Beispiel sind es ja tatsächlich mehrere aufeinanderfolgende Tätigkeiten, die zum Ritual dazugehören: Der Burger wird gekauft, es wird ein passender Platz zum Vollzug des Rituals gesucht, der Hund wird ins Sitz gebracht, der Burger wird vom Menschen platziert etc.

Rituale folgen einer bestimmten, oftmals festgelegten Form. Zwar ist die Struktur der Handlungsabläufe in meinem Beispiel nicht vorgeschrieben und somit nicht festgelegt. Dennoch folgt der Ablauf einer immer wiederkehrenden Struktur, die unveränderbar ist. So muss z. B. erst der Burger gekauft werden, bevor der Hund ihn fressen kann. Die Struktur des Rituals ist durch die Gegebenheiten festgelegt und hat einen klaren Anfang und ein klares Ende. Anfang und Ende sind dabei immer deutlich (wieder-) erkennbar.
In Ritualen werden Symbole verwendet. Im geschilderten Beispiel ist es eben immer der Burger einer Fastfood-Kette, der das Besondere der Belohnung markiert. Der Burger als Symbol für die Bestätigung einer erbrachten Leistung. Dabei ist die Teilnahme an der Prüfung die Leistung, die vom Hund erbracht wurde – unabhängig vom Prüfungsergebnis. Rituale haben Aufführungscharakter. Sie haben etwas Zeremonielles, etwas Förmich-Feierndes an sich. Beim beschriebenen Burger-Ritual ist es so, dass Teile des (Fest-) Aktes eben auch immer über soziale Medien mit der eigenen Community geteilt werden. So wird das Ritual öffentlich und das Publikum über den Vollzug des Rituals informiert. Und last but not least: Rituale sind besondere Handlungsformen, die sich vom Alltag abheben. Sie wiederholen sich in mehr oder weniger großen Zeitabständen und finden im sonstigen Alltag nicht statt. Sie sind wiederholbar, aber klar abzugrenzen von dem, was wir im Alltag als ritualisierte Handlungsabläufe vollziehen. Das Wort „Alltagsritual“ ist also genau genommen ein Januswort, also ein Wort mit entgegengesetzter Bedeutung. Wir sprechen deswegen bei alltäglichen Aktionen von ritualisierten Handlungsabläufen. Sie bilden unsere Gewohnheiten und sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nahezu täglich oder sogar mehrmals täglich wiederholt werden. In unserem Beispiel gut zu erkennen: Die Teilnahme am Wettbewerb bildet eine Ausnahme vom Alltäglichen und der Burger unterscheidet sich deutlich von der sonst üblichen Nahrung – in diesem Fall ganz klar, denn die tägliche Verfütterung eines Burgers an unseren Hund wäre weder gesund noch artgerecht – darf aber in wenigen, besonderen Ausnahmefällen durchaus vorkommen.

Rituale haben eine wichtige Funktion in der sozialen Ordnung

Rituale spielen überall dort, wo Lebewesen in einem mehr oder weniger festgelegten Gefüge (z. B. Herde, Rudel, Familie etc.) zusammenleben, eine wichtige Rolle. Da in Ritualen einer klaren Ordnung gefolgt wird, die es nicht zu hinterfragen gilt, sorgen sie für die Festlegung und Festigung der sozialen Struktur. Die Ausführung des Rituals folgt dabei nicht unbedingt intentional ausgerichtet auf den Zweck, die Sozialstruktur zu festigen. Vielmehr wird durch die klaren Rollen – und nicht hinterfragte Aufgabenverteilungen, die Sozialstruktur indirekt untermauert.
In dem Burger-Ritual-Beispiel wird dies – ohne dass es einer Notwenigkeit bedürfte und beabsichtigt ausgeführt wird – sehr schön deutlich: Meine Kollegin hat in Bezug auf die Lebensgemeinschaft mit ihren Hunden die wichtigen Aufgaben des „Für-die-Sicherheit-Sorgens“ und die des „Verteilens der wichtigen Ressource Nahrung“ inne. Sie sorgt für eine entspannte, sichere Umgebung, in der das Ritual ohne Störung, z.B. durch andere Hunde, vollzogen werden kann, sie kauft den Burger und sie entscheidet durch ihr Signal an den Hund über die Aufnahme des Burgers. Der Hund, der seine (für das Zusammenleben im Übrigen eher unwichtige) Aufgabe des Laufens einer Prüfung zur vollsten Zufriedenheit erledigt hat, wird belohnt, darf sich nun entspannen und einfach wohlfühlen.

Unser Alltag besteht aus vielen ritualisierten Handlungen

In unserem alltäglichen Zusammenleben mit unseren Hunden sprechen wir eher von ritualisierten Handlungsabfolgen, oftmals auch als „Gewohnheiten“ bezeichnet. Sie gehören zum Leben, wie z.B. das morgendliche und abendliche Zähneputzen oder in Bezug auf unsere Hunde z.B. die Fütterungen und die Spaziergänge. Ähnlich dem Ritual folgt die Abfolge ritualisierter Handlungen einer festgelegten Struktur, die sich aus unzähligen Wiederholungen der gleichen Aktionen mit jeweils immer denselben Konsequenzen entwickelt hat. Auch dies möchte ich mit einem Beispiel verdeutlichen. Bei uns zu Hause gibt es bei der Fütterung eine klare Regel. Mein Hund Shadow hat – ähnlich wie der Hund im Burger-Ritual – vor der Futterfreigabe artig zu warten, bis ich ihm die Freigabe signalisiere. Das übt seine Impulskontrolle (also dem Impuls zu widerstehen, direkt über das Futter herzufallen, sobald es auf dem Boden steht) und sorgt für eine klare Struktur bei der Fütterung. Während ich also Shadows Fressen zubereite, sitzt Shadow brav hinter mir und beobachtet mich bei der Vorbereitung. Sobald ich diesen Vorgang abgeschlossen habe, stelle ich den Napf auf den Boden. Shadow wartet weiter im „Sitz“. Erst wenn ich das Signal „Jetzt darfst du!“ mit einer einladenden Handbewegung zum Napf hin gegeben habe, darf Shadow zum Napf gehen und ihn leer fressen. Die Handlungsabfolge ist also sehr ähnlich dem Beispiel des Burger-Rituals, findet jedoch bei uns zwei Mal am Tag statt und gehört somit zu den ritualisierten Handlungen unseres Alltags.
Die Ausführung solch ritualisierter Handlungen hat in unserem Zusammenleben auch ganz ähnliche Funktionen wie die der Rituale. Ritualisierte Handlungen sorgen auch für die Festlegung und Festigung der Sozialstruktur innerhalb der Lebensgemeinschaft mit unseren Hunden. Da sie jedoch weitaus häufiger ausgeführt werden und sich auf einer niederschwelligeren Ebene im Alltag abspielen, sind sie für die Festigung der individuellen Bindung des Mensch-Hund- Teams von übergeordneter Bedeutung. Der Begriff „Bindung“ ist der Entwicklungspsychologie entnommen und bezeichnet in der Humanpsychologie „das spezifische emotionale Band, das sich zwischen zwei Personen, insbesondere zwischen Kleinkindern und ihren hauptsächlichen Fürsorgepersonen, in der Regel den Eltern, entwickelt.“ (Gloger-Tippelt & König 2009). Bindung setzt „ein starkes Kontaktbedürfnis gegenüber spezifischen Personen vor- aus und stellt ein dauerhaftes, weitgehend stabiles und situationsunabhängiges Merkmal“ von Beziehungen dar (Bowlby 2010). Und was hat all das mit uns und den Hunden zu tun?
Ganz einfach: Hunde sind soziale Wesen und verfügen über die Fähigkeit, Menschen als vollwertigen Sozialpartner anzuerkennen. Und ähnlich dem Menschen haben auch Hunde ein angeborenes Bedürfnis, eine enge Beziehung zu Sozialpartnern aufzubauen. Das Rudelleben von Hunden in der freien Wildnis läuft in einer familienähnlichen Struktur ab: Es gibt keine klare Hierarchie, sondern Aufgabenverteilungen, Verantwortungsübernahme sowie Ressourcen- und Privilegienverwaltung ähnlich wie in einer Menschenfamilie. Dazu gehört eben auch die Übernahme parentaler Aufgaben, wie z. B. Fürsorge, Erziehung und Pflege durch die Eltern gegenüber dem Nachwuchs.
Leben nun ein oder mehrere Hunde mit uns Menschen zusammen, entstehen ebenso diese familienähnlichen Strukturen, die sowohl wir Menschen als auch die Hunde natürlicherweise leben. Dabei gilt es zu beachten, dass in solchen Lebensgemeinschaften immer der Mensch die Rolle der Eltern übernehmen sollte. Übersetzt man nun Bowlbys Bindungstheorie auf das Zusammenleben von Menschen und Hunden, bezeichnet Bindung das spezifische emotionale Band, das sich zwischen Mensch und Hund, insbesondere zwischen Hunden und ihren hauptsächlichen Fürsorgepersonen, den mit ihnen gemeinsam lebenden Menschen, entwickelt. Die Übertragung der Bowlbyschen Ausführungen zur Bindung von Mutter und Kleinkind auf Mensch und Hund sind im Übrigen nicht sehr weit hergeholt, wenn man bedenkt, dass Bowlby mit seiner Forschung an den Erkenntnissen der Zoologie, und damit in der Tierwelt, ansetzt!

Warum ritualisierte Handlungen für die Bindung so wichtig sind

Bindung entsteht aus den individuellen Bindungserfahrungen, die ein Hund macht. Daraus werden Erwartungen abgeleitet, die dazu dienen, das Verhalten der Bezugsperson zu lesen und ihr Verhalten vorherzusehen. Hieraus wird deutlich, dass einfache Regeln und deren konsequente Umsetzung einem Hund ermöglichen, Situationen einzuschätzen und sich angemessen zu verhalten. Aus konsequenter Umsetzung der Regeln entstehen also Strukturen, auf die unser Hund sich verlassen kann und die es ihm ermöglichen, menschliches Verhalten vorhersehbar zu machen.
Und nichts anderes sind ja unsere ritualisierten Handlungsabläufe: Es sind Aktionen, die einer klaren Struktur, d. h. einer konsequenten Umsetzung von Alltagsregeln, folgen. Dementsprechend bieten diese „Alltagsrituale“ unserem Hund die Möglichkeit, unser Handeln zuverlässig einzuschätzen und sogar Erwartungshaltungen zu entwickeln. Sie geben unseren Hunden die Sicherheit über die Strukturierung des menschlichen Handelns und die Struktur des täglichen Ablaufs.

Wenn ritualisierte Handlungen zur Herausforderung werden

Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass ritualisierte Handlungsabläufe durchaus auch Gefahren bergen. Die schon angesprochenen Erwartungshaltungen, die unsere Hunde bilden, können sich beim Hund nämlich in forderndem Verhalten ausdrücken.
Um das zu verdeutlichen, ziehe ich nochmals das Beispiel meiner alltäglichen Fütterung von Shadow heran. Ich habe noch nicht erwähnt, dass der Handlungsablauf der Fütterung mit weiteren Aktionen verbunden war, die davor passierten – zumindest für Shadow! Für ihn begann die Fütterung nämlich quasi schon, wenn ich nach der Arbeit mein Auto vorm Haus abstellte und ihn herausspringen ließ. Ich bemerkte es daran, dass ich mich wunderte, warum Shadow, der eigentlich in souveränen Situationen eine gute Leinenführigkeit zeigt, mich immer wie ein Verrückter vom Auto an der Leine zur Haustür zog.
Mir schwante irgendwann, es könnte daran liegen, dass ich, in der Wohnung angekommen, als erste Aktion anfing, sein Futter vorzubereiten. Also probierte ich es mal anders. Ich machte die Wohnungstür auf und fing an, zunächst die Einkäufe in den Schränken zu verstauen. Shadow war dabei sehr unruhig. Er folgte mir auf Schritt und Tritt, lief mir teilweise sogar demonstrativ vor die Füße. Nachdem ich die Einkäufe verstaut hatte, setzte ich mich aufs Sofa und war gespannt, was er sich nun einfallen ließ. Er wurde immer unruhiger und stupste mich an. Ich ignorierte seine Forderung konsequent. Als Nächstes lief er zu seinem Napf und fing an, diesen mit lautem Getöse durch die Wohnung zu schieben.
Es hatte sich bei ihm durch unser tägliches Ritual „Auto parken, nach Hause gehen, die Wohnung betreten, Essen für Shadow zubereiten, Shadow darf fressen“ die Erwartungshaltung gebildet, dass diese Abfolge immer so passiert. In der Konsequenz fing er an, diese Abfolge einzufordern! Sowohl für mich, aber auch für ihn eine unangenehme Situation, wenn diese Abfolge so nicht passierte.

Abfolgen unterbrechen und Schlüsselreize abbauen

Ich wollte keinen Hund, der sein Essen einfordert, und ich wollte für ihn natürlich nicht, dass er in Frust – und damit auch Stress – versetzt wird, weil eine Handlungsabfolge nicht so passiert, wie er es erwartet. Dementsprechend musste ich anfangen, die- se ritualisierte Handlung zu unterbrechen, d. h. zu verändern.

Dazu gehörten im Wesentlichen zwei Maßnahmen:
1. Die Forderungen des Hundes konsequent ignorieren und aussitzen.
2. „Schlüsselreize“ abbauen, um seine Erwartungshaltung, die zu seinem fordernden Verhalten führte, abzubauen. 

Die Situation löste ich also folgendermaßen. Ich blieb völlig unbeeindruckt auf dem Sofa sitzen und versuchte mich abzulenken, indem ich den Fernseher anstellte. Das half mir, Shadow und seinem unerwünschten Forderungsverhalten keine Beachtung mehr zu schenken.
Natürlich beobachtete ich aus dem Augenwinkel, was er tat. Er versuchte es nun mit Betteln, in dem er mir Verhaltensweisen anbot, von denen er wusste, dass sie als erwünscht gelten. Zunächst machte er vor mir „Platz“ und sah mich mit seinen treu- en Augen groß an. Ich versuchte, weiter auf den Fernseher zu starren. Nach kurzer Zeit der gefühlten Nichtbeachtung stand er auf und ging zu seinem Körbchen. Er legte sich hinein und starrte mich weiter an. Auch das war für mich noch keine Veranlassung, mit der Futterzubereitung zu beginnen, denn seine Erwartungshaltung war ja noch da, sie äußerte sich nur nicht mehr in forderndem, sondern in anbiederndem Verhalten. Ich starrte weiter auf den Fernseher. Nach einer Weile legte Shadow den Kopf endlich ab. Er entspannte also langsam. Nachdem er dann auch die Augen geschlossen hatte und anfing zu dösen, wusste ich, dass bald der Moment gekommen war, um aufzustehen und mit seiner Futterzubereitung zu beginnen.
Nachdem ich ungefähr fünf Minuten gewartet hatte, stand ich auf, ging in die Küche und machte sein Essen. Natürlich war er sofort hellwach, als er das bemerkte, aber es war für mich in Ordnung. Er setzte sich brav hinter mich und die Fütterung lief ihren gewohnten Gang. Die erste Maßnahme „Forderung des Hundes konsequent ignorieren“ hatte ich damit erfolgreich umgesetzt!
Zur Umsetzung der zweiten Maßnahme kam es am nächsten Tag. Offensichtlich war das feierabendliche Parken des Autos vor der Haustür für Shadow zu einem „Schlüsselreiz“, der seine Fütterung einläutete, geworden. Das hieß für mich, ich musste Shadow beibringen, dass diese Aktion nicht gleichzeitig „nach Hause und Futter“ bedeutete. Ich musste diese Verkettung lösen. Ich ließ Shadow aus dem Auto herausspringen, und anstatt die Richtung unserer Haustür einzuschlagen, ging ich einfach in die andere Richtung. Etwas widerwillig folgte er mir. Als ich mit ihm an der Ecke des Häuserblocks angekommen war und um die Ecke gehen wollte, blieb er sogar störrisch stehen. Er wollte keinen Schritt weitergehen! Es war mir egal, ich zog ihn konsequent einfach weiter. Als er mir dann endlich ohne Widerstand folgte, ließ ich einen Keks nach dem anderen in seinen Weg purzeln, die er aufnehmen durfte. So gingen wir um den Häuserblock – es war dann sogar ein ganz angenehmer Gang, da Shadow – abgelenkt durch die Kekse – sich nicht mehr sträubte. Zu Hause angekommen, musste ich natürlich das gleiche Szenario des Vortags ablaufen lassen und seine Forderungen nach Futter ignorieren. Er wurde erst gefüttert, als er wieder auf seinem Platz lag und eindöste. Beide Maßnahmen zog ich eine Woche lang Tag für Tag durch und konnte feststellen, dass sowohl die Motivation, mich vom Auto zur Haustür zu ziehen, als auch das futterfordernde Verhalten von Tag zu Tag weniger wurden. Nach zwei Wochen konsequenter Umsetzung hatte ich es geschafft! Shadow zog mich nicht mehr zur Haustür und forderte kein Futter mehr, sondern ging als Erstes in sein Körbchen, um dort eine Runde zu dösen.
Für die Zukunft war nun aber auch klar: Der Alltag sollte eine gute Mischung aus ritualisierten Handlungen und neuen ungewohnten Aktionen sein, damit der Hund ein gesundes Maß an zuverlässig vorhersagbaren und neuen Situationen erlebt. Eine konsequente Umsetzung von Alltagsregeln bietet dem Hund Struktur und Sicherheit – die da- mit verbundenen Reize, wie vorhergehende Aktionen, Uhrzeit, Örtlichkeit dürfen variieren, damit die Erwartungshaltungen beim Hund nicht in forderndes Verhalten münden.

Fazit

Rituale haben wichtige Funktionen im Zusammenleben von Mensch und Hund. Sie regeln und festigen die Sozialstruktur, die durch das Ritual nicht hinterfragt wird. Rituale unterscheiden sich von ritualisierten Handlungsabläufen unseres Alltags. Sie werden wiederkehrend zu bestimmten Ereignissen ausgeführt, aber nicht täglich. Ritualisierte Handlungen finden im Alltag statt und sind von übergeordneter Wichtigkeit, weil sie die Bindung zu unseren Hunden stärken und ihnen Sicherheit im Umgang mit uns Menschen geben, da sie unser Verhalten zuverlässig vorhersehbar machen. Sie bergen aber die Gefahr, dass sie bei Hunden zu Erwartungshaltungen führen, die sich in forderndem Verhalten der Hunde bemerkbar machen. Forderndes Verhalten von Hunden ist für Mensch und Hund unangenehm. Es wirkt störend auf den Menschen und verursacht Frust und Stress beim Hund.
Um forderndes Verhalten zu verhindern, sollten wir versuchen, mit ritualisierten Handlungen verbundene Reize zu variieren. Tritt forderndes Verhalten dennoch beim Hund auf, wirken im Wesentlichen zwei Maßnahmen: konsequentes Ignorieren der Forderungen und der Abbau von auslösenden Reizen („Schlüsselreize“) durch Variation der damit verbundenen Aktionen.

 

Ein Artikel von Simone Klipp für “Mein Hund und Ich”