Was wir VON HUNDEN LERNEN können
„Ein Hund hat die Seele eines Philosophen“, meinte schon Platon. Was sehr pathetisch kling, hat durchaus einen wahren Kern. Hunde sind nämlich wahre Lehrmeister fürs Leben, wenn es um Disziplin, Toleranz und feine Wahrnehmungen geht. Wer genauer hinsieht, erkennt das schon bald...
Unsere Vierbeiner haben uns wahrhaftig einiges voraus. Wer Hunde in ihrer Kommunikation und in ihrem Handeln schon mal genau beobachtet hat, kommt in den Genuss von hoch professionellem Führungskräftetraining und Personal Coaching – und das von den Kommunikationsprofis persönlich!
1. SOUVERÄNITÄT
Wohl eine der bedeutendsten Erkenntnisse und Hilfen fürs Leben, die wir von unseren Hunden lernen sollten, ist souveränes Verhalten. In Rangordnungsstrukturen von Hunden qualifiziert sich immer jener Hund als ranghoch, der in der Gruppe auf sozialer Ebene am souveränsten agiert und auch in stressigen Situationen kühlen Kopf bewahrt. Also nicht der lauteste, der am häufigsten Streit anfängt, sondern im Gegenteil jener Hund, der cool bleibt und sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Erkennen Sie hier zufällig Parallelen zu Ihrem Chef? Ein Vorgesetzter, der clever und ruhig, aber bestimmt agiert, wird natürlich von seinen Mitar- beitern viel eher akzeptiert, als jener Chef, der cholerisch herumschreit und täglich unklare Entscheidungen trifft. In einem unserer „Körpersprache & Kommunikaton“-Beobachtungsseminare nahm kürzlich eine 2-jährige Cockerspaniel-Hündin namens Fini teil. Dazu kamen unter anderem ein stark pubertierender Terrierrüde und eine überaus aktive Setter-Mischlingshündin. Im Freilauf war der Terrier mit Fini unglaublich ungestüm und aufdringlich. Fini wusste gekonnt damit umzugehen und ignorierte seine unübersehbaren Annäherungsversuche meisterhaft. Aufgrund seines eingeschränkten Kommunikationsspektrums für solche Fälle, wurde er nun immer körperlicher. Auch hier gibt es wunderbare Analogien zu Menschen, die aufgrund mangelnder Eloquenz dann gerne mal die Fäuste ballen. Jedenfalls rempelte der Terrier Fini mehrmals und auch das ohne Erfolg, denn Fini versuchte sich ihm zu entziehen. Nach seinem vierten Versuch zeigte sie ihm einmal kurz und kaum wahrnehmbar ihre Zähne, indem sie ihre Lefzen langsam hochzog. Der Terrier verstand ihre Drohung sofort und gab klein bei. Auch die anderen teilnehmenden Hunde erlebten eine höchst souveräne Spanielhündin. Die Settermixhündin, angetrieben von Aktionslust und Unsicherheit durch Finis Coolness, begegnete ihr in einer Freilaufsequenz mit Ansätzen offensiver Aggression, und Fini zeigte ihr mit allen möglichen Beruhigungssignalen, dass sie keine Lust auf Streit hätte. Diese besonnene Art, mit Konfliktsituationen umzugehen, hat mich über die Jahre gelehrt, hupenden Autofahrern im Straßenverkehr zuzulächeln und aufbrausenden Menschen mit einer Engelsgeduld gegenüberzutreten, ohne mich auf Diskussionen einzulassen. Und eine Seminarteilnehmerin hat damit auch bereits begonnen. Über ihrem Schreibtisch hängt nun ein Schild: „Was würde Fini tun?“
2. KONSEQUENZ
Was für Hundehalter in der Erziehung unglaublich schwierig ist, beherrschen unsere Hunde als Königsdisziplin: In ihrem Tun konsequent zu sein und einfach dranzubleiben! Vor etwa 3,5 Jahren kam eine junge, quirlige Hütehündin namens Emma zu unserer bislang allein lebenden 10-jährigen Ridgebackhündin Abbey. Der junge Neuzugang war echt strapazierend für die schon etwas betagte Dame. Anstrengend vor allem deswegen, weil es Abbeys Hauptaufgabe war, das ungestüme Tier auf Distanz zu halten. Und das tat sie gekonnt. Nachdem es von Abbey einmal eine deutliche Abreibung gab, weil die kleine Emma wie selbstverständlich in das Körbchen der grauen Eminenz stieg, reichte von da an nur noch ein strenger Blick und Emma wusste Abstand zu halten. Überlegen Sie an der Stelle bitte einmal kurz, wie mühsam und lang andauernd solche Diskussionen mit Ihrem Hund oft sind. Stichwort: „Runter von der Couch!“, „Raus aus der Küche!“... Nach knapp einem halben Jahr kam es zum magischen Moment zwischen den beiden Hündinnen. Emma, ihrerseits auch konsequent und beharrlich, setzte alles daran, um vielleicht doch EINMAL in Abbeys Körbchen zu dürfen, probierte es wieder und Abbey gewährte. Warum? Weil sie nun klar festgelegt hat, dass es Emma prinzipiell verboten ist, in ihr Körbchen zu kommen, aber dass sie einmal eine Ausnahme macht. Heute liegen die beiden übrigens oft eng aneinander gekuschelt in einem Bettchen. Emma darf Abbey sogar ablecken und pflegen. Dennoch kommt schon mal der Moment, in dem es der alten Hundedame reicht und... ein Blick genügt!
3. GROSSMUT
Gerade im Zusammenleben zwischen den eigenen Hunden kommt es, ähnlich wie bei Kindern mit ihren Ge- schwistern, immer wieder zu Querelen. Manchmal geht es um ein Spielzeug, manchmal um vermeintlich unge- rechte Aufmerksamkeitsverteilung oder es wird um das Reiskorn gestritten, welches unter dem Esstisch noch gefunden wurde. Häufig sind diese Diskussionen unter Hunden laut, klingen dramatisch und sehen wild aus. In der Regel kommt es aber bei solchen Auseinandersetzungen nicht zu (ernsthaften) Verletzungen. Und auch wenn mal deutlich die Meinung gegeigt wird: Niemand ist nachtragend. Bei Hunden gibt es diese Emotion nicht. Während wir Menschen oft beim Maturatreffen noch schlecht auf ehemalige Klassenkollegen zu sprechen sind oder Kleinigkeiten jahrelange Nachbarschaftsstreits auslösen, sind Hunde nach einer Auseinandersetzung im Gegensatz sehr schnell wieder miteinander im Reinen. Wo es vor wenigen Minuten noch Streit gab, wird jetzt ungehemmt gespielt. Ist das nicht eine Tugend, die wir unbedingt auch ein bisschen annehmen sollten?
4. ACHTSAMKEIT
„Carpe Diem“ – die weltbekannte Lebensweisheit eines römischen Dichters meint ja sinngemäß „Nutze den Tag!“. Was wie eine Kalenderweisheit klingt, leben Hunde uns gekonnt vor. Unsere Vierbeiner haben die Gabe, im Hier und Jetzt zu leben und völlig uneingeschränkt das zu genießen, was sie in diesem Moment erleben. Natürlich bedeutet das auch, dass eine unangenehme Situation schnell schlechte Stimmung bringen kann. Alles in allem ist es aber doch ein großer Vorteil, das Jetzt bewusst zu leben. Hunde können ihr ganzes Leben lang hemmungslos den Moment genießen. Sie spielen, sonnen sich, freuen sich jedes Mal aufs Neue, wenn ihr Mensch vom Bäcker wieder zurückkommt, während wir während des Autofahrens an die Einkaufsliste denken oder uns in der Badewanne über die Kollegen ärgern. Übrigens gibt es bei unseren Vierbeinern folglich auch keine bewusst negativen Gedanken an Vergangenes. Das bedeutet nicht, dass Hunde negative Ereignisse oder gar traumatische Erlebnisse nicht abspeichern. Aber aus Hundesicht müssen diese besorgniserregenden Auslöser sehr greifbar und klar auftauchen, um sich damit wieder neu zu beschäftigen. Hunde sinnieren also nicht im Sinne von: „Was wäre wenn?“ Viele Menschen glauben z.B. ihre Tiere würden Angst haben, wieder ins Tierheim zurückzumüssen. Das ist absolut menschlich gedacht, wäre aber für Hunde viel zu abstrakt. Ein Hund, der sich halbwegs eingelebt hat, genießt einfach sein Leben, wie es gerade ist, ohne negative Gedanken an die Vergangenheit oder Perspektiven in der Zukunft. Ganz häufig rast das Leben auf der Überholspur an uns vorbei, wir nehmen uns keine Zeit dafür, das wahrzunehmen und zu genießen, was gerade passiert. Dabei entsteht Unruhe ja erst dann so richtig, wenn wir uns in Gedanken über die Vergangenheit verlieren oder Sorge um Ereignisse in der Zukunft haben. Aber die Vergangenheit ist vorbei und die Zukunft liegt noch vor uns. Zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt allein der gegenwärtige Moment. Diesen zu nutzen gibt uns die Möglichkeit, voll und ganz im Augenblick aufzugehen und dadurch gar keine Gelegenheit zu haben, sich von anderen Gedanken ablenken zu lassen.
Ein Artikel unserer Kollegin Conny Sporrer von der Martin Rütter Hundeschule Wien