Rufst du noch oder belohnst du schon?
Wer mich kennt, weiß, dass ich mich normalerweise nicht in die Hundeerziehung von Freund:innen einmische. Wenn man mich fragt, gebe ich natürlich gerne und jederzeit Auskunft, aber ungefragt lasse ich sämtliche Erziehungs(schand)taten unkommentiert - es sei denn, es ist Gefahr im Verzug.
Letzens war ich mit einem befreundeten Pärchen und ihrem Hund unterwegs. In der Ferne war ein Hund zu sehen, also rief besagter Freund seinen Hund ab, lobte ihn knapp verbal und leinte ihn an. Reflexartig meinte ich: "Bekommt er denn nichts für den guten Rückruf?" Die Antwort: "Der muss das aus Liebe zu mir machen." Muss er das? Klar, eine gute Hund-Mensch-Beziehung, geprägt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen, ist sicherlich wichtig für den perfekten Rückruf. Aber muss ein Hund wirklich aus reiner Liebe zum Menschen zurückkommen?
Mir fallen ad hoc mehrere Dinge ein, die meine Hündin lieber machen würde, als zurückkommen - zum Beispiel einen Hasen jagen, sich in Fäkalien wälzen, sich in eine Matschpfütze legen oder einen nahenden Hund abchecken (nein, nicht mit ihm spielen!). Ich kann es ihr nicht verübeln, sie ist nun einmal ein Hund, der bei jeder Motivation ein wenig aufgezeigt hat und viele Eigenschaften besitzt, die wir Menschen durch jahrhundertelange Zuchtselektion sogar im Hund verstärkten.
Sie kommt trotzdem IMMER in diesen Situationen (okay, beim Hasen brauchen wir ab und zu noch die Schleppleine). Warum? Weil ich ihr von Anfang an beigebracht habe, dass sich Kommen auch IMMER lohnt. Ihr Highlight ist Nassfutter, das ich entweder in einem Zippbeutel oder in einer selbst befüllbaren Tube mit mir mitschleppe. Find ich nicht geil, meine Hündin aber schon und so bekommt sie am Spaziergang ihre Nassfutterration ausschließlich als Belohnung für den Rückruf.
Ich frage mich, was mein Freund sagen würde, wenn man ihm morgen erklärt, dass er kein Gehalt mehr für seinen Job bekommt, nur mehr Anerkennung von seinem Chef. Würde er wirklich jeden Tag weiter engagiert seiner Tätigkeit nachgehen? Ich glaube ja nicht.
Macht euch also bitte die Mühe und findet heraus, was euer Hund so richtig toll findet. Es muss ja kein Nassfutter sein, aber es wird wahrscheinlich auch nicht der trockene Keks sein, der sowieso jeden Tag pünktlich im Napf landet. Ob Leberwust aus der Tube, Käse oder Banane (kein Witz!), es muss sich einfach für EUREN Hund auszahlen und Geschmäcker sind eben auch unterschiedlich (und auch mein Labrador macht Unterschiede, "Labrador" zählt also nicht als Ausrede!).
Neben diesem Highlight gibt es natürlich noch ein paar andere Regeln zu beachten, wenn man am perfekten Rückruf schrauben will. So sollte es genau EIN klares Signal(wort) geben (Pfiff, "Hier" etc.), das nur dann ausgesprochen wird, wenn ich mir 100% sicher bin, dass mein Hund auch kommt. Muss ich mehrmals hintereinander rufen, lernt mein Hund nur, dass das Wort keine Bedeutung hat und das Nichtkommen genauso eine Option ist. Auf das Rückrufsignal sollte der Hund fast schon reflexartig reagieren und nicht darüber nachdenken, ob das für ihn nun auch Sinn macht. Zu Beginn heißt das, den Hund anzusprechen, ihn mit Stimme und Körper zu locken und das Signal erst zu geben, wenn sich Hündchen schon im Streckgalopp auf dem Weg befindet. Im Zweifel sichere ich meinen Hund vorerst mit einer Schleppleine, sodass mein Locken nicht ignoriert werden kann.
Und ja, natürlich ist wie bereits angesprochen eine gute Hund-Mensch-Beziehung sehr wichtig. Trifft mein Hund am Tag 1000 Entscheidungen in allen Belangen, gehört das Ignorieren des Rückrufs nur zu einer weiteren Entscheidung. Daher klare Regeln und Strukturen schaffen und diese konsequent umsetzen. Ein Rahmen, in dem man sich bewegt, gehört nämlich auch zu einer Beziehung, nicht nur Liebe.
Eure Katja