Lost in Translation!
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine sehr freundliche Person bin. Ich versuche stets höflich, zuvorkommend und rücksichtsvoll zu agieren. Aber es gibt Leute, die bringen mich an meine Grenzen.
In meiner Nachbarschaft gibt es einen Hund, sagen wir, es ist ein Appenzeller Sennenhund namens Monte (Rasse und Name von der Redaktion geändert, Anm.). Monte ist mittlerweile sicher 9 Jahre alt, aber es gibt auch im Alter keine Einbußen in Bezug auf seine territoriale und soziale Motivation: Monte fixiert Hunde schon von Weitem, schießt dann gern imponierend zu den Hunden und checkt sie ab. Er ist dabei immer steif und knurrt, wenn der andere Hund die Prozedur nicht über sich ergehen lässt und stillhält. Hündinnen lässt er dann gewähren, da hilft seine sexuelle Motivation. Mit Rüden kriselt es meist.
Wann immer ich Monte sehe, versuche ich das Weite zu suchen. Kontakt zwischen Monte und meinen Hunden ist zwar nicht das Ende der Welt, aber auch nicht angenehm. Noch viel unangenehmer ist der Kontakt zwischen mir und Herrchen. Herrchen ist davon überzeugt, dass Monte der netteste Hund der Welt ist. Herrchen ist ein „Der will nur spielen“- und „Der tut nix“-Sager. Herrchen erklärt einem auch gern bereitwillig alles rund um den Hund.
Das Problem ist nur, Herrchen hat keine Ahnung und Monte will nicht nur spielen und ist zudem richtig unerzogen. Herrchen benutzt zwar Wörter wie „Fuß“ oder „Hier“, aber sie verhallen im Nirwana. Frauchen schafft es zumeist, dass Monte bei ihr bleibt – sie respektiert nämlich mittlerweile, dass es mir lieber ist, wenn Monte nicht an meine Hunde rankommt. Allerdings grüßt sie mich schon lange nicht mehr. Bei Herrchen habe ich keine Chance und so lasse ich Kontakt meist zu, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. So komme ich für meine Hunde seriöser aus der Geschichte raus als wenn ich erfolglos versuche, uns Monte und Herrchen vom Leib zu halten.
Letztens war es wieder so weit. Es gab Kontakt zwischen Abbey, Penny und Monte. Abbey wurde ignoriert, Penny wurde sofort im Genitalbereich von Monte abgeschleckt inklusive nachfolgendem Zähneklappern. Monte zeigte also, ohne lange um den heißen Brei herum zu reden, Sexualverhalten. Herrchen kommentierte das mit einem „Ja, genau, die hat grad Haufi gemacht“.
Ich schickte Monte also weg, ging weiter und konnte nicht anders, als den restlichen Spaziergang über diese Situation nachzudenken. Nicht, weil sie traumatisch für meine Hunde war. Auch nicht, weil ich mich über Herrchen und Monte ärgerte, wie sonst immer. Nein, mir tat Monte einfach nur wahnsinnig leid. Wie mag es für ein Lebewesen wohl sein, das Leben an der Seite von jemanden zu verbringen, der seine Sprache nicht einmal im Ansatz spricht? Wie ist es wohl, von jemandem abhängig zu sein, der die Bedürfnisse des Gegenübers nicht erkennt und versteht?
Monte wurde vor ungefähr 9 Jahren absichtlich in die Welt gesetzt, um zwei Menschen glücklich zu machen. Monte selbst wurde nie gefragt, ob er denn ausgerechnet zu diesen Menschen ziehen möchte. Es fehlt Monte sichtlich weder an Futter (!) noch an Pflege, ja seine Menschen gehen (zu meinem Leidwesen) sogar richtig oft und lange mit ihm spazieren. Aber reicht das? Sind wir einem Lebewesen, das ja nur dazu da ist, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, nicht mehr schuldig?
Ich spreche ja nicht davon, dass nun jede:r Hundebesitzer:in eine einjährige Ausbildung als Hundetrainer:in absolvieren muss. Aber es muss doch drin sein, grundlegende Kenntnisse über die Kommunikation und Körpersprache von Hunden zu lernen! Oder nicht?
Natürlich ist es für Monte selbst in der beschriebenen Situation egal, wie Herrchen Montes Verhalten interpretiert (für Penny aber übrigens schon wieder weniger, da sie Unwohlsein und Unsicherheit zeigte). Aber diese Situation steht doch nur für unzählige andere Momente, in denen Monte nicht verstanden wird, in denen nicht erkannt wird, was Monte gerade braucht. Monte muss also in Wahrheit alles in seinem Leben alleine lösen, er hat niemanden, der ihm die Richtung weist. Denn was geschieht denn, wenn Monte einmal bedrängt oder bedroht wird? Wird Herrchen ihm zu Hilfe eilen oder wird er vielmehr glauben, dass Monte sich über den Hundekontakt freut? Und würde Monte sein Herrchen überhaupt als Hilfe wahrnehmen? Im Alltag zeigt sich Herrchen (soweit ich beobachten konnte) eigentlich nur als Fähnchen im Wind. Monte bellt, Herrchen wirft den Ball. Monte zieht an der Leine, Herrchen läuft Monte hinterher (was die Leine obsolet macht). Monte befiehlt, Herrchen gehorcht. Keine Grenzen, keine Regeln, kein Anhaltspunkt für Monte. Nur ein Dosenöffner, der ziemlich gut funktioniert. Wie soll Monte sein Herrchen so ernst nehmen und somit in allen Lebenslagen auf ihn zählen?
Vielleicht möchte ich auch zu viel, vielleicht ist ein liebendes Zuhause genug. Aber in meinem Kopf schwirrt ständig die Frage herum: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich mit jemandem leben müsste, der mich nicht im Geringsten versteht? Ich glaube, ich würde mich ziemlich überfordert fühlen. Und einsam.
Eure Katja
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