Sprich's in a Sackerl!
Wer mich kennt, weiß, ich liebe es, mich mit Sprache zu beschäftigen. Ganz besonders spannend finde ich Mundarten und Dialekte. Im Wienerischen sagt man gern "Sprich's in a Sackerl", was so viel bedeutet wie "Hör auf zu reden". Zugegebenermaßen nicht ganz die feine englische Art, in Bezug auf Hundetraining trifft man damit aber oft den Nagel auf den Kopf.
Letztens war ich mit einer Kundin und ihrem Hund Waldi (Name von der Redaktion geändert, Anm.) unterwegs. Wie immer zu Beginn wollte ich mir erstmals den aktuellen Trainingsstand ansehen und ließ die Kundin erst einmal machen. Nach fünf Minuten war ich genauso verwirrt wie Waldi und musste unterbrechen. Ich kam nicht umhin um die Frage: "Was hätte Waldi gerade tun sollen?" Waldi wurde nämlich eine Armada an Signalen oder vielmehr Worthülsen zugeworfen. "Komm jetzt", "Leine", "Fuß", "Nein", "Zurück", "Prima", "Hör auf", "Fuß", "So ist gut", "Waldi zurück", "Steh", "Das ist nur die Katja", "Nach hinten" - so ging es ununterbrochen.
Mir als Mensch ist die Bedeutung jedes dieser Wörter natürlich grundsätzlich klar und trotzdem wusste ich nicht genau, was meine Kundin eigentlich von Waldi wollte. Waldi kennt die Bedeutung dieser Wörter freilich nicht. Er kann einem Wort nur dann ein Verhalten zuordnen, wenn er es gut gelernt hat. "Fuß" hat Waldi gelernt, das weiß ich. Den Rest der vermeintlichen Signale konnte Waldi gar nicht ausführen, weil er keine Ahnung hatte, was sie bedeuten. Frauchen hätte ebenso gut "Apfelkuchen" sagen oder eine Fremdsprache sprechen können.
Doch wo liegt nun das Problem, das wichtigste Wort müsste Waldi ja eigentlich verstanden haben? Nun, zum einen texten wir unsere Hunde permanent zu. Da unsere Hunde ja nicht verstehen, was wir so von uns geben, schalten sie schnell ab. Es ist ein bisschen so, als würde ich mir einen Podcast über den Satz des Pythagoras anhören. Nach wenigen Sekunden wäre alles nur mehr weißes Rauschen, da ich nichts verstünde. Warum also noch zuhören? Damit werden aber auch wichtige Infos, in meinem Beispiel das Wort "Fuß", komplett ausgeblendet. Waldi hört das Wort "Fuß" also eventuell gar nicht mehr, obwohl er ihm theoretisch eine Bedeutung zuordnen könnte.
Zum anderen wird Mensch meist auch unfair mit Waldi & Co. Denn aus menschlicher Sicht bekommt Waldi ja ganz klare Anweisungen. Weil Waldi die Anweisungen aber nicht versteht, führt er sie nicht aus, und zieht sich so den Ärger von Frauchen zu. Dabei wäre es so einfach: Man muss seinem Hund eigentlich nur wenige eindeutige Signale beibringen. Diese lassen sich an zwei Händen abzählen: "Sitz", "Platz", "Bleib", "Hier", "Fuß", "Aus", "Bring", "Such", "Decke" und vielleicht noch ein Tabuwort für Notfälle. Übrigens darf man natürlich jedes beliebige Wort wählen - Harry Potter-Fans können also "Azkaban" statt "Decke" sagen oder "Accio" statt "Hier". Waldi muss nur gelernt haben, was das Wort bedeutet. Wenn ich diese wenigen Signale einwandfrei beibringe und konsequent übe, habe ich alles, um meinen Hund stressfrei für alle Beteiligten durch den Alltag zu bringen. Mensch spart sich viele Diskussionen und Hund fühlt sich seinerseits auch verstanden, weil er klare Anweisungen bekommt.
Dabei gilt aber natürlich wie immer: Ich muss die Signale geduldig ohne Ablenkung aufbauen und schließlich in verschiedenen Situationen üben. Ich kann nicht von meinem Hund erwarten, ein bombenfestes "Bleib" zu zeigen, wenn der Erzfeind vorbei geht, wenn es noch nicht einmal möglich ist zu bleiben, wenn ein Leckerchen auf den Boden fällt. Deshalb übe ich lieber meine zehn wichtigen Signale, bis sie wirklich felsenfest in allen relevanten Situationen sitzen, als 100 verschiedene Tricks halbherzig.
Am Ende habe ich einen Hund, dem meine wenigen Worte wichtig sind, der nicht abschaltet und sich dabei denkt: "Sprich's in a Sackerl!"
Eure Katja