Zum Hauptinhalt

Staatsfeind Nr. 1: Der Fernseher

Fernsehen gehört ja normalerweise zu den entspannenden Tätigkeiten von Menschen. Für manche Hundebesitzer:innen bedeutet Fernsehen allerdings Stress pur – und zwar, weil der Hund die bewegten Bilder und entsprechenden Geräusche zum Anlass nimmt, zu bellen oder eine Attacke Richtung Fernseher zu starten. Die meisten Hunden bellen dabei nicht durchgehend, sondern vor allem, wenn bestimmte Menschen, Hunde oder andere Tiere auf dem Bildschirm erscheinen. Der Grund für dieses Verhalten liegt zumeist in der territorialen Motivation des Hundes. Sie sehen einen Eindringling, den es zu vertreiben gibt. Ein anderer Hund, der plötzlich im Wohnzimmer erscheint, wird nicht geduldet. Es gibt tatsächlich auch Hunde, die hinter dem Fernsehgerät nach dem Störenfried suchen. 

 

Schritt 1: Territoriale Verantwortung übernehmen

In einem ersten Schritt muss der Mensch scheinbar vollkommen unabhängig vom eigentlichen Problem territoriale Verantwortung übernehmen. Offenbar sind die Zuständigkeiten von Mensch und Hund nicht geklärt, wenn der Hund einen Eindringling (der zumindest in diesem Fall eigentlich gar nicht da ist) vehement vertreiben möchte. Nun geht es also darum, dem Hund im Alltag klarzumachen, dass der Mensch für Sicherheit verantwortlich ist, der Hund sich wiederum auf die Bodyguard-Qualitäten des Menschen verlassen kann. 

Ganz aktiv kann der Mensch seine Qualitäten beweisen, indem er den Hund niemals in „die Unsicherheit“ vorlaufen lässt, sondern vorher checkt, ob „Luft rein ist“. Jedes Mal, wenn also uneinsichtiges Terrain betreten wird, bleibt der Hund – vorerst vielleicht durch die Leine, möglichst bald allerdings über ein festes „Bleib“-Signal – hinter dem Menschen stehen oder sitzen, der Mensch blickt sich um und nur wenn keine „Gefahr“ (z.B. in Form von anderen Hunden oder Menschen) zu sehen ist, darf der Hund mit dem Menschen mitkommen. Das sollte an jeder Hausecke, uneinsichtigen Kreuzung oder auch beim Verlassen der Wohnung so praktiziert werden. Auch unterwegs macht es Sinn, dass der Mensch stets der Puffer ist zwischen Hund und der möglichen Gefahr. Kommt also ein fremder Mensch auf den Hund zu, stellt man sich einfach zwischen diesen und den Hund und zeigt damit, dass man die Gefahr wahrgenommen hat und entsprechend handelt. 

Dass der Mensch heldenhaft für den Hund einsteht, lernt der Hund auch, wenn der Mensch auf warnende Laute des Hundes reagiert. Zeigt der Hund also ein sogenanntes Warnwuffen, Bellen oder Knurren in eine Richtung, sollte der Mensch in diese Richtung gehen und die Lage für den Hund „abchecken“. Der Mensch sieht sich die Situation ruhig an und kehrt zum Hund zurück oder schickt ihn von der Stelle weg – innerhalb der Wohnung zum Beispiel auf die Liegestelle. Die Handlung des Menschen spricht dabei für sich: Wenn der Mensch nichts weiter unternimmt, scheint keine echte Gefahr zu drohen. 

Zu guter Letzt sollte der Hund von vornherein nicht das Gefühl haben, den ganzen Tag aufpassen zu müssen, weil er sich einen Platz in der Wohnung sucht, der ebendieses suggeriert. Liegt der Hund ständig im Flug, neben der Eingangstüre oder anderen strategisch günstigen Stellen innerhalb von Haus oder Wohnung, wird er fast schon dazu eingeladen, den Wachhund zu geben. Einem Hund sollten also Stellen zugwiesen werden, die aus Hundesicht strategisch ungünstig liegen – so, dass sich der Mensch näher an den vulnerablen Stellen befindet und im Zweifel als erstes für Sicherheit sorgen kann. Doch natürlich muss ein Hund erst einmal lernen, sich zu diesen Stellen zu begeben…
 

2. Liegestellentraining

In jedem Raum, in dem sich Mensch und Hund für längere Zeiten aufhalten (meist Wohnzimmer, Küche, Arbeitszimmer, Schlafzimmer) sollte es für einen Hund eine Liegestelle geben. Es ist dabei egal, WAS als Liegestelle dient – Hauptsache, der Hund fühlt sich wohl. Manche Hunde liegen lieber in weichen Betten, wieder andere präferieren den nackten Boden (hier kann z.B. ein Hula-Hoop-Reifen als Abgrenzung dienen). Viel wichtiger ist eben, WO sich diese Liegestelle befindet. Innerhalb jeden Raums braucht es eine mögliche unstrategische Stelle, an der der Hund wirklich zur Ruhe kommen und Verantwortung abgeben kann. 

Nun heißt es das Deckentraining zu starten:

  1. Führe deinen Hund mit einem Leckerchen vor der Nase auf seinen Platz. Sobald er mit seiner vierten Pfote darauf steht, kannst du es mit einem Signal, z.B. „Decke“, benennen und ihm den Keks geben. Wichtig: Sofort danach löst DU es mit einem Auflösesignal wie „Lauf“ wieder auf und machst dazu auch eine eindeutige Handbewegung. Gleich danach greifst du wieder zu einer Belohnung und wiederholst den ersten Schritt.
  2. Nach einigen Wiederholungen kannst du das Leckerchen in deiner Hand weglassen und den Hund ohne Futter nur mit deiner Hand auf die Decke führen und das Verhalten mit dem gewählten Signal wieder benennen, sobald sich der Hund vollständig auf seinem Platz befindet. Wichtig: Es geht erstmal nicht darum, dass der Hund sich hinlegt. „Decke“ soll nur bedeuten, dass er sich dorthin begibt, welche Komfortposition dein Hund dann wählt, sei ihm erstmal selbst überlassen. Im Anschluss greifst du direkt wieder zu dem Keks, belohnst deinen Hund und schickst ihn dann wieder runter.
  3. Auch diesen Schritt wiederholst du einige Male, um nun sukzessive Distanz einzunehmen, und auch mal einen Meter vom Liegeplatz des Hundes entfernt zu stehen und ihn dann zu schicken.
  4. Kann dein Hund schon „Bleib“, kannst Du nach „Decke“ und der folgenden Belohnung auch das Signal „Bleib“ hinzufügen, du entfernst dich ein paar Schritte und belohnst ihn je nachdem, wie lange er das schon aushält, dann unbedingt wieder fürs Gebliebensein auf der Decke. Dies kannst du unendlich erweitern, dich z.B. kurz aufs Sofa setzen und dann wieder zu deinem Vierbeiner gehen und ihn belohnen. Wichtig: Nach der Belohnung muss unbedingt der nächste Hinweis erfolgen, der Hund also wissen, wie es weiter geht. Löse daher mit „Lauf“ das Signal auf oder füge ein weiteres „Bleib“ an, um die Übung weiter auszudehnen.
  5. Hat dein Hund das gut gelernt (was durchaus einige Tage dauern kann), kannst du erste echte Ablenkungen hinzufügen. Auch den Fernseher kannst du nun aktiv in die Übung miteinbauen. Je nachdem, worauf dein Hund stärker reagiert, können vorerst nur Bilder ohne Ton gezeigt oder nur der Ton aufgedreht werden. Belohne das Bleiben auf der Decke in kurzen Abschnitten, die du weiter ausbaust. Timing ist dabei das A & O. Belohne deinen Hund vorerst in sehr kurzen Abständen, sodass dein Hund nicht versucht ist, aufzustehen, oder zu bellen. 

 

3. Management

Für den Anfang des Trainings kann auch – gerade im Wohnzimmer, in dem sich der Fernseher ja meist befindet – eine Box als Rückzugsort dienen. Diese hat den Vorteil, dass man sie – sofern die Box für den Hund positiv besetzt wurde – auch schließen kann und dass sie „Wände“ hat, der Hund also viel mehr abgeschottet ist. Für ein erfolgreiches Training ist es immer wichtig, dass ein Hund das unerwünschte Verhalten nicht ausüben kann. Lasse ich meinen Hund also jeden Tag einmal zum Fernseher brettern, wird mein Training viel langsamer voranschreiten, weil der Hund parallel ja auch das negative Verhalten „übt“. Deshalb braucht es erstmal einen Managementplan: Dies kann natürlich sein, vorerst den Fernseher nicht mehr zu benutzen, aber eben auch einfach dafür zu sorgen, dass der Hund den Fernseher nicht verbellt oder attackiert. Dafür kann eine Box dienlich sein, da der Hund damit gar keine Sicht mehr auf den Fernseher bekommt. Eine zusätzliche Decke, die über die Box gelegt wird, kann zur leichten Schallisolierung dienen. Natürlich kann auch die gewohnte Liegestelle so verschoben werden, dass keine Sicht mehr auf den Fernseher gegeben ist. Leine ich den Hund an, kann er sich nicht unerlaubt von der Decke entfernen.

 

4. Alternative Beschäftigung

Ebenso kann Teil des Trainings sein, dass man das problematische Verhalten des Hundes umlenkt, indem man ihm eine alternative Beschäftigung anbietet, während der Fernseher läuft. Doch auch da braucht es schrittweises Vorgehen, damit sich der Hund auf eine Alternative einlassen kann. 

Vorerst muss man eine Beschäftigungsform etablieren, die der Hund gerne und ohne Ablenkung gut ausführt. Das kann eine Futtersuche, Apportieren oder auch Tricktraining sein – wichtig ist, dass es der Hund freudig macht und sich das Verhalten auch im Wohnzimmer bzw. in dem Zimmer, in dem sich der Fernseher befindet, ausführen lässt. 

Sobald der Hund die Aufgabe gekonnt zeigt, darf auch hier schrittweise Ablenkung hinzugefügt werden. Beim Fernseher kann man diesbezüglich über das Einstellen der Lautstärke und das Hinzufügen oder Weglassen vom Bild die Schwierigkeit der Aufgabe für den Hund differenzieren. So macht es durchaus Sinn, das Bild noch nicht einzuschalten, sondern nur den Ton, und dies möglichst leise. 

Während nun also „Der Hundeprofi – Rütters Team“ auf minimaler Laustärke läuft, darf der Hund Futterstücke suchen oder den Futterbeutel bringen. Klappt dies reibungslos, darf der Fernseher wieder ein wenig lauter gedreht werden. Wichtig ist dabei, dass das Training möglichst fehlerlos verläuft. Geht man zu schnell vor und dreht z.B. auf gewohnte Lautstärke und der Hund entscheidet sich gegen den Futterbeutel und für den Fernseher, bedeutet dies wieder einen Rückschritt im Training. Daher lieber Geduld walten lassen und lieber einmal zu oft mit leichten Verhältnissen trainieren. 

Und: Möchte man wirklich entspannt fernsehen, dann an die Managementaufgaben denken und dafür sorgen, dass der Hund nicht zwischendurch doch wieder den Fernseher attackiert.