Welcher Hund passt zu mir?
Das wohl grundlegend wichtigste Thema, wenn es um das Zusammenleben von Mensch und Hund geht, ist die Auswahl des richtigen Hundes. „Richtig“ ist in diesem Sinne nicht definierbar, denn die Lebenssituationen, Möglichkeiten und Ansprüche jedes Menschen sind so verschieden, wie die rund 350 vom Internationalen Rasseverband (FCI) anerkannten Hunderassen und die sich daraus ergebenden unzähligen Mischlingsvariationen. So ist „Richtig“ also immer im jeweiligen Einzelfall zu bewerten. Wir verschaffen Euch hier einen Überblick.
Die offiziell genehmigten Rassen des FCI unterteilen sich in 10 verschiedene Gruppen. Von Gruppe 1 bis 10 definieren sie sich wie folgt: Hüte- und Treibhunde, Terrier, Spitze und Hunde vom Urtyp, Vorstehhunde, Gesellschafts- und Begleithunde, Pinscher/Schnauzer/Molosser und Schweizer Sennenhunde, Dachshunde, Lauf- und Schweißhunde, Apportier-/Stöber- und Wasserhunde sowie Windhunde. Wer auch immer sich diese Kategorisierung einfallen ließ, hat sich bestimmt so einiges dazu überlegt, aber eines vergessen: nämlich, dass diese Kategorien dann nicht mehr zusammenpassen, wenn es um das gemeinsame Wesen der Rassen geht. Viele Hunde haben nämlich zahlreiche Gemeinsamkeiten, die in dieser offiziellen Einteilung des Internationalen Verbands nicht – zumindest nicht vorrangig – zusammengefasst wurden. Wenn auch nicht immer optisch, so sind viele Vierbeiner in Sachen Temperament, Interessen und Charakter doch ganz gut „über einen Kamm zu scheren“. Nach der offiziellen Kategorisierung wären dann aber z. B. auch Rehpinscher und Dobermann der exakt gleichen Kategorie, nämlich jener der „Pinscher“, zugeordnet. Auch wenn eine mehr oder weniger enge Verwandtschaft nicht abgestritten werden kann, so hat man es im Wesentlichen mit 2 völlig unterschiedlichen Hunden zu tun.
Wer sich einen Hund anschaffen will, sollte nämlich vor allem beachten, wofür die Rasse (oder bei Mischlingen die darin vorkommenden Rassen) ursprünglich genutzt wurden. Denn die allermeisten Hunderassen wurden ursprünglich für eine Aufgabe oder mehrere bestimmte Aufgaben gezüchtet, die zum Teil noch heute in ihnen schlummern. Daher bevorzugen wir eine Einteilung in 9 verschiedene Gruppen, die bei der Suche nach dem richtigen Hund fürs Leben enorm hilfreich sein kann.
1. HAUS-, HOF- UND WACHHUNDE
Diese Rassen wurden dafür gezüchtet, das Hab und Gut des Menschen zu bewachen, vor allem aber deren Häuser und Höfe. Sie lebten oft im Freien und waren sehr kräftig und robust gebaut. Da sie nachts alleine Eindringlinge vertreiben mussten, sind sie bis heute Fremden gegenüber manchmal skeptisch. Dies sollten alle zukünftigen Halter dieser Vierbeiner nicht außer Acht lassen und sie möglichst früh an viele Menschen gewöhnen und gut sozialisieren. Es sei denn, sie sollen ihrer ursprünglichen Aufgabe auch wirklich nachkommen. Rassen: Hovawart, Dobermann, Riesenschnauzer, Bernhardiner u.v.m.
2. HÜTEHUNDE
Hütehunde waren dazu da, den Hirten und Schäfern bei der Herdenarbeit zu helfen und die Herde zusammenzuhalten. Diese Rassen arbeiten gerne mit dem Menschen zusammen und reagieren auf kleinste Signale – ihre hohe Reizempfänglichkeit ist auch der Grund für ihre Sensibilität. Viele Hütehunde, wie z. B. der Deutsche Schäferhund, waren richtige Allrounder. Sie sollten neben dem Hüten auch noch auf Mensch, Hof und Herde aufpassen und treue Begleiter sein. Andere Hütehunde wiederum mussten ursprünglich sehr selbstständig, z. B. über die weiten Hügel der Highlands hinweg arbeiten. Daher sind nicht alle Hütehunde automatisch als außerordentlich kooperativ zu betrachten. Jedenfalls sind sie alle auch heute noch sehr arbeitsfokussiert und sollten daher täglich vielseitig ausgelastet werden – nur dann können sie auch verträgliche, ausgeglichene Begleiter sein. Rassen: Deutscher Schäferhund, Border Collie, Bearded Collie, Lang- & Kurzhaarcollie, Sheltie u.v.m.
3. TREIBHUNDE
Treibhunde wurden ursprünglich dafür gezüchtet, das Vieh von der Weide oder vom Markt zu treiben. Meistens hatten sie aber auch noch Zusatzaufgaben, wie z. B. das Bewachen des Hofes oder das Ziehen von Wägen. Treibhunde sind bis heute robuste Hunde, die sich aufgrund dessen unter Umständen auch als Familienhund eignen, sofern die Kinder nicht zu klein sind. Durch ihre geringe Empfindlichkeit können sie z. B. gut verkraften, wenn mal ein Kind über sie stolpert. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass diese Tiere früher für harte Arbeit gezüchtet wurden und sie demzufolge bis heute sinnvoll beschäftigt werden wollen. Rassen: Rottweiler, Entlebucher Sennenhund, Australian Cattle Dog, Welsh Corgie u.v.m.
4. HERDENSCHUTZHUNDE
Diese auch Hirtenhunde genannten Rassen haben auch heute noch die Funktion, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht auf Schafherden aufzupassen und sie im Ernstfall gegen Wölfe, Bären oder Diebe zu verteidigen. Ihre Selbstständigkeit ist dabei wichtig, schließlich sollten sie auch einige Tage ohne den Hirten auskommen können. Für die Haltung in unserer Gesellschaft ist diese Eigenschaft aber ein großer Nachteil. Auch die stark ausgeprägte Territorialmotivation lässt den Hirtenhund als klassischen Familien- und Anfängerhund kategorisch ausscheiden. Herdenschutzhunde können leider nicht entsprechend ihrer natürlichen Veranlagung ausgelastet werden und sollten tatsächlich nur dort leben, wo sie ihrer Leidenschaft des Aufpassens auch wirklich frönen dürfen. Achtung: Herdenschutzhunde dürfen keinesfalls mit Hütehunden verwechselt werden. Rassen: Kuvasz, Komondor, Kangal, Owtscharka u.v.m.
5. JAGDHUNDE
Früher waren Hunde vor allem unentbehrliche Jagdpartner. Sei es, um ein Tier aus dem Bau zu treiben, Wild aufzuspüren oder geschossenes Wild zum Menschen zu bringen. Dadurch, dass Jagen aber immer spezieller wurde und Hunde spezifischere Aufgaben bekamen, entwickelten sich innerhalb der Jagdhunde unterschiedliche Gruppierungen: Gemeinschaftsjäger, Solitärjäger und Meutejäger. Diese sind auch heute noch in ihren Veranlagungen und Eigenschaften in puncto Hundeauswahl von Bedeutung.
Gemeinschaftsjäger
Diese Rassen bilden die größte Gruppe unter den Jagdhunden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie für die mehr oder weniger enge Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden. Sie sollten dem Jäger die Beute anzeigen (Vorstehhunde), Wild „hoch machen“, also in die Luft scheuchen, damit der Jäger es schießen kann, dem Jäger das geschossene Wild bringen (apportieren) und vieles mehr. Gemeinschaftsjäger müssen vor allem ruhig und nervenstark sein und gut mit dem Jäger kooperieren. Daher eignen sie sich in der Regel auch für Anfänger und als Familienhunde, sofern sie nicht aus einer jagdlichen Leistungszucht kommen. Rassen: Golden Retriever, Labrador Retriever, Magyar Vizsla, Irish Setter, Pudel u.v.m.
Solitärjäger
Solitärjäger wurden überwiegend für die „Baujagd“ eingesetzt. Sie sollten also Fuchs, Dachs und Co. selbstständig aus dem Bau treiben oder töten und dementsprechend klein, robust und unempfindlich sein. Da es immer ihre Aufgabe war, schnell und eigenständig zu handeln, eignen sie sich weniger als Anfänger- oder Familienhunde. Durch ihr scharfsinniges Temperament sind sie schnell aufgedreht und neigen dazu, selbst die Kontrolle zu übernehmen. Rassen: Dackel, Jack Russell Terrier, Deutscher Jagdterrier, Border Terrier, Fox Terrier u.v.m.
Meutejäger
Meutejäger sollten in einer großen Gruppe Wild hinterherjagen und deshalb untereinander möglichst verträglich sein. Das heißt, dass ihnen relativ egal ist, mit wem sie jagen, Hauptsache sie jagen. Ähnlich kann sich das Zusammenleben mit dem Menschen gestalten: Oft ist ihnen der Halter nicht so wichtig und sie begeben sich selbstständig auf die Suche nach Fressbarem. Deshalb ist diese Rasse für Anfänger und Familien nur bedingt geeignet. Rassen: Beagle, Basset Hound, Bloodhound u.v.m.
6. DOGGENARTIGE HUNDE
Einige dieser Rassen wurden ursprünglich zum Kampf gegen andere Hunde, Bären oder Stiere gezüchtet. Daher rührt der heutzutage leider sehr negativ belegte Begriff „Kampfhund“. Mit diesem Wort wird aber eigentlich nur der ursprüngliche Verwendungszweck erklärt. In Kampfarenen (engl.: „Pit“, daher z. B. der Name „Pitbull“) fanden diese unmoralischen Schaukämpfe statt. Die gewünschte Aggression richtete sich aber nur gegen das jeweilige Tier im Ring, Aggression gegenüber Menschen war gänzlich unerwünscht und ist bis heute auch selten anzutreffen, es sei denn, sie ist explizit gefördert worden. Dennoch ist es wichtig, diesen Rassen im Alltag klare Regeln und Strukturen zu vermitteln. Sonst besteht die Gefahr, dass unerwünschte Verhaltensweisen gezeigt werden, die aufgrund der körperlichen Beschaffenheit dieser Vierbeiner unangenehm werden könnten. Rassen: Deutsche Dogge, Bullmastiff, Bullterrier, American Staffordshire Terrier u.v.m.
7. WINDHUNDE
Windhunde wurden ursprünglich zur Jagd gezüchtet. Sie sollten in heißen, trockenen, baumlosen Gebieten Gazellen und Antilopen hetzen. Ihr Körperbau wurde perfekt daran angepasst. Sie lieben es, dynamisch zu sprinten, und haben ihre Umgebung als so genannte „Sichthetzer“ stets im Auge. Windhunde sind also passionierte Jäger, aber unter entsprechender Anleitung auch für Anfänger geeignet. Als Familienhund eignen sich diese sensiblen Vierbeiner nur dann, wenn die Kinder schon größer sind und die Bezugspersonen mit ihrer Jagdmotivation umgehen können. Rassen: Whippet, Podenco, Afghanischer Windhund, Greyhound u.v.m.
8. GESELLSCHAFTS- UND BEGLEITHUNDE
Diese Rassen sind einzig und allein dafür gezüchtet worden, um dem Menschen zu gefallen. Sie sollten keine speziellen Aufgaben übernehmen, wie z. B. zu wachen oder bei der Jagd zu helfen, sie sollten einfach nur anwesend und niedlich sein. Daher zeichnen sie sich bis heute durch große Verträglichkeit und wenige Probleme in der Haltung aus. Die meisten eignen sich auch gut als Anfänger- und Familienhunde. Leider wird oft vergessen, dass auch der kleinste Hund hündische Bedürfnisse hat und nicht vermenschlicht werden sollte. Vorsicht ist beim Thema Qualzucht geboten: Einige der Rassen leiden durch das gewollt gezüchtete Kindchenschema mit rundem Kopf, flacher Nase, kompaktem Körper, Falten und großen Kulleraugen unter schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen. Daher unbedingt vorher genau informieren! Rassen: Mops, Französische Bulldogge, Cavalier King Charles Spaniel, Bologneser, Chihuahua u.v.m.
9. HUNDE VOM URTYP
Hunde dieser Kategorie zeigen einen noch sehr ursprünglichen Lebensstil. Alle Motivationen, wie das Jagen, die Territorial- und Sexualmotivation und ihre soziale Motivation, sind bis heute in noch starker Ausprägung vorhanden. Sie waren früher teilweise zum Ziehen von Lasten über lange Strecken im Einsatz, aber genauso wichtige Wachhunde. Ihr Futter erjagten sie meist selbstständig. Da diese Rassen sich oft sehr erwachsen benehmen, sind sie eher an für sie sinnvollen Aufgaben interessiert. Da man einen Ball nicht essen kann, gibt es für diese Hunde oft keinen Grund ihm nachzulaufen. Aufgrund ihrer Selbstständigkeit sind Hunde vom Urtyp für Anfänger weniger geeignet, denn es erfordert sehr viel Konsequenz, Disziplin und Geduld, sie zu erziehen. Rassen: Siberian Husky, Akita Inu, Tschechoslowakischer Wolfshund, Eurasier, Samojede u.v.m.
FAZIT
Alles in allem soll diese „Schubladisierung“ natürlich nur als Richtlinie angesehen werden. Niemals darf vergessen werden, dass es innerhalb der Rassen auch viele Unterschiede gibt, gerade wenn z. B. zwischen sog. „Arbeitslinien“, also Hunden, die nach wie vor für Arbeit gezüchtet werden, und „Showlinien“, also Hunden, die nur mehr als Begleithunde dienen, gesprochen wird. Und auch innerhalb eines Wurfes gibt es selbstverständlich immer verschiedene Charaktere, die bei der Hundeauswahl eine erhebliche Rolle spielen. Nicht zu vergessen auch die Bedingungen des Züchters und die entsprechende Sozialisierung, die ja bereits dort beginnen sollte. Daher gilt auf jeden Fall: Lassen Sie sich bei der Auswahl Ihres neuen Vierbeiners am besten von Profis beraten, lassen Sie sich Zeit, treffen Sie keine voreiligen Entscheidungen und hören Sie auf Ihr Bauchgefühl – dann steht der Entscheidung für den richtigen Hund fürs Leben nichts mehr im Weg.
Artikel meiner Kollegin Conny Sporrer (DOGS Hundeschule Wien) aus crazy4dogs