Früh übt sich, wer ein Traumhund werden will
Das hat viele Vorteile, aber auch jede Menge Nachteile, die sich vor allem in einem Wort zusammenfassen lassen: Arbeit. Einerseits bedarf es einer Menge Disziplin und Konsequenz, den kleinen Vierbeiner von Anfang an zu erziehen, andererseits aber auch einer Menge Fleiß, ihn angemessen auf sein späteres Leben vorzubereiten. Aber eines gilt auf jeden Fall: Wer sich verantwortungsvoll um Erziehung und Aufzucht kümmert, erhält später seinen Traumhund!
Im Idealfall wird der Welpe mit 8 Wochen vom Züchter abgeholt. Das hat mit der Entwicklungsphase zu tun, in der er gerade steckt. In etwa der 4. bis zum Ende der 7. Woche durchlebt der Hund die sogenannte sensible Sozialisierungsphase, früher auch gerne Prägungsphase genannt. In dieser Zeit sollte er mit Maß und Ziel bereits beim Züchter mit vielen verschiedenen Umweltreizen konfrontiert werden, um optimal auf sein späteres Leben vorbereitet zu sein. In dieser Phase kann sich der Hund bestimmte Eindrücke und Erfahrungen am allerbesten einprägen. Dazu bauen Welpen jetzt auch eine stärkere Verbindung zu ihren Sozialpartnern (also im Rudel lebenden Hunden und Menschen) auf. Deshalb ist es umso wichtiger, den Welpen als zukünftiger Halter schon in dieser Phase mehrmals zu besuchen. Nur so hat der Hund auch die Möglichkeit, sich Dich geruchlich, akustisch und optisch einzuprägen.
Prägung beim Züchter
Apropos Sinnesreize: In der sensiblen Phase ist es, wie schon angesprochen, sehr wichtig, Hunde in allen möglichen Bereichen zu desensibilisieren. Tut dies ein Züchter nicht, ist er meiner Meinung nach schon als unseriös einzustufen. Akustisch werden Hunde z. B. desensibilisiert, indem sie behutsam Geräusche von Mixer, Staubsauer, Rasenmäher oder einer zuschlagenden Türe kennenlernen. Optisch, indem sie raschelnde Planen und Plastiksackerl, aber auch Autos, Fahrräder, Skateboarder und gerne auch viele verschiedene Menschen kennenlernen. Wenn Ihr Hund als erwachsenes Tier manchmal bestimmte Menschen unsicher anbellt, dann hat es oftmals damit zu tun, dass er als Welpe zu wenig verschiedene Menschen kennengelernt hat, um sie alle als „unbedenklich“ auf seiner Festplatte abzuspeichern. Es kann daher nicht schaden, mit den Kleinen in Seniorenheime, vor Krankenhäuser oder Spielplätze zu gehen, weil sie dort überall Menschen sehen werden, die sich z. B. durch Gehhilfen, Rollstühle, Skates etc. anders bewegen als der durchschnittliche Mensch auf der Straße. Auch geruchliche Desensibilisierung ist nicht zu unterschätzen. Die Kleinen sollten nicht nur an die unterschiedliche Haptik verschiedener Böden gewöhnt werden, sondern auch an deren verschiedene Gerüche. Und nicht zuletzt ist auch die Gewöhnung an verschiedenste taktile Reize wichtig. Gute Züchter haben in ihrem Zuhause einen wahren Erlebnisparcours aufgebaut. Klettermöglichkeiten, verschiedene Spielgegenstände, Wackelbretter, Bällebäder und andere kreative Herausforderungen bieten den Welpen die Chance, ihre Körper und motorischen Fähigkeiten kennenzulernen und zu verbessern. Neben der Desensibilisierung verschiedener Reize ist es aber auch sinnvoll, die jungen Hunde schon in dieser frühen Phase bewusst auf verschiedene Reize zu sensibilisieren. Benutzt der Züchter zum Beispiel jedes Mal die Pfeife, wenn die Kleinen gefüttert werden, wird es später ein Klacks, einen sicheren Rückruf zu trainieren. Nach der sensiblen Sozialisierungsphase ist die weitere Sozialisierungsphase dran – also ungefähr ab der 8. Lebenswoche –, eben jener Zeitraum, in welchem der Welpe im Optimalfall in sein neues Zuhause zieht. In dieser Phase lassen sich Hunde stark durch ihre Sozialpartner beeinflussen, die als Vorbilder und Orientierungshilfen angesehen werden, und entwickeln ihre Persönlichkeit. Leben Welpen nun weiterhin bei Mutter, Geschwistern und gegebenenfalls noch anderen Rudelmitgliedern, besteht die Möglichkeit, dass eben diese Sozialpartner als Lehrmeister angesehen werden. Man macht es dem Hund damit also unnötig schwer und könnte ihn als Züchter schon früher abgeben, um ihm einen neuerlichen sozialen Lernprozess bei seinen zukünftigen Haltern zu ersparen.
Regeln geben Sicherheit
Neue Gerüche, eine neue Umgebung, ein neues soziales Umfeld. Für viele Welpen ist der Einzug in ihr neues Zuhause ein absolut harter Einschnitt, der uns dafür verantwortlich macht, gerade in dieser Phase für den Hund alles so richtig wie möglich zu machen. Nichts ist für den Hund nun wichtiger als Sicherheit. Herausgerissen aus seinem gewohnten Rudel, sollte er nun zumindest wissen, an wem er sich orientieren kann. Das funktioniert bei Hunden vor allem über klare Strukturen. Wenn Hunde die Lernerfahrung sammeln, dass ihre neuen Menschen sich auch wie echte Leittiere verhalten, fällt es ihnen natürlich leichter sich zu entspannen und sich zu orientieren. Das heißt also, dass die Erwachsenen der neuen Familie alles dafür tun sollten, diese Rolle authentisch zu vermitteln. Dazu gehört nicht nur, dem Hund viel körperliche Nähe zu geben, sondern auch, ihm an der richtigen Stelle Grenzen zu setzen. Wurde z. B. vorab in der Familie vereinbart, dass die Küche für den Hund tabu ist, sollte man dies dem Welpen auch bei seiner ersten Erkundungstour deutlich machen. Lässt Du ihn in dieser neuen Phase immer wieder in die Küche, weil Du zum Beispiel ein schlechtes Gewissen hast, wird ein späteres Verbot für ihn unverständlich und überdies schwieriger beizubringen sein. Grenzen zu setzen und sie bei seinen Sozialpartnern zu kennen, gehört zu jeder Beziehung dazu. Auch in einer Liebesbeziehung gibt es beispielsweise Regeln, die dafür sorgen, dass das Zusammenleben harmonisch und konfliktfrei bleibt. Hunde könnten sich in einem Hunderudel gar nicht erlauben, täglich Konflikte auszutragen, sie müssen sich mit wichtigeren Dingen wie dem Nahrungserwerb oder dem Schutz vor Feinden beschäftigen. Daher sind Regeln so wichtig. Empfehlenswert ist es auch, Deinen Welpen von Anfang an an eine Transportbox zu gewöhnen, die immer in Deiner Umgebung platziert ist. In der Welpenzeit suchen Hunde stark nach Nähe, deswegen ist es ratsam, diese Box nachts auch direkt neben Deinem Bett zu platzieren. So gibst Du Deinem Hund das Gefühl, bei Dir zu sein, ohne dass er lernt, zu sehr an Dir zu „kleben“. Darüber hinaus hat eine solche Box auch den Vorteil, dass Du sofort merkst, wenn Dein Hund unruhig wird und hinaus muss. Für eine schnelle Stubenreinheit ist das Gold wert.
Training und Alltag
Was die ersten Erfahrungen draußen betrifft, ist es in erster Linie wichtig, Deinem Hund auch dort beizubringen, sich immer an Dir zu orientieren und ihm ein starkes Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Dies kann auch bedeuten, den Kleinen in Situationen, in denen er Unsicherheit zeigt, entspannt hochzunehmen und an der Stelle vorbeizutragen oder abzuwarten. Auch in der Begegnung mit anderen Hunden gibt es keinen, wie so oft gedachten, „Welpenschutz“ – diesen gibt’s nur im eigenen Rudel. Wenn also ein fremder Hund zu energisch auf den Welpen zuläuft, wäre es eigentlich ein Vertrauensbruch, ihm in dieser Situation nicht zu helfen. Am einfachsten geht das natürlich über das Hochheben. Ganz wichtig dabei ist, dass Du den Hund auf dem Arm dann nicht vollschwätzt oder versuchst ihn zu trösten. Du möchtest ja der souveräne Orientierungsgeber sein, also gilt es auch, sich entsprechend „cool“ zu verhalten. Hysterie oder Hektik wären hier kontraproduktiv. Auch aktive Beschäftigung draußen (mit Dir!) ist von Anfang an sehr wichtig. Lernt Dein Hund vom ersten Tag an, dass Du spannender bist als das vorbeifliegende Blatt oder ein anderer Hund, hast Du es später umso leichter, ihn zu rufen oder locker an der Leine zu führen. Beginne also jetzt schon mit gemeinsamen Futtersuchspielen, leichten Apportierübungen und Rennspielen. Und baue diese Übungen auch kurz ein, bevor Du Deinen Vierbeiner mit anderen Hunden spielen lässt. So lernt er erst aufmerksam mit Dir zu sein, bevor er rennen darf. Was das eigentliche Training betrifft, gilt auch: Früh übt sich, wer ein Meister werden will! Es gibt keine Trainingsform, die man nicht in Maßen schon in dieser frühen Phase trainieren könnte. Jetzt schon mit ein paar Schritten Leinenführigkeit zu starten, den Rückruf zu trainieren oder dem Welpen beispielsweise beizubringen, auf „Aus“ Dinge auszuspucken, macht es einfach so viel leichter, als ihm erst Unerwünschtes abzutrainieren, um dann mühsam das richtige Verhalten neu aufzubauen. Auch wenn all diese und viele weitere Maßnahmen und Regeln mühsam klingen, so müssen wir uns auch immer wieder vor Augen halten, dass wir uns ja dafür entschieden haben, einen Hund aufzunehmen. Wir holen ihn aus seinem vertrauten Umfeld heraus und verpflichten ihn quasi, sich in unserer bizarr erscheinenden Menschenwelt optimal anzupassen. Deswegen sind wir es unseren Vierbeinern auch absolut schuldig, ihnen so früh wie möglich unsere Anforderungen freundlich beizubringen und sie verantwortungsvoll in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Danke Conny Sporrer von <link wien _blank>Martin Rütter DOGS Wien für den gelungenen Artikel!