G wie Geschirr
Eine scheinbar nie enden wollende Frage beschäftigt früher oder später jeden Hundehalter im Verlauf seines Halter-Daseins: „Welches ist das perfekte Geschirr?“. Der Markt bietet heutzutage eine unüberschaubare Auswahl an verschiedenen Ausführungen, Materialien, Größen, Farben und Formen. Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Das perfekte Geschirr für „Jederhund“ gibt es nicht! Jeder Hund ist individuell gebaut und genauso individuell ist auch die Passform. Heute möchten wir Euch über die grundsätzlichen Vor- und Nachteile bei der Nutzung eines Geschirrs informieren sowie eine kleine Übersicht der derzeit gängigsten Modelle für den Alltag geben.
Allein bei der Verwendung eines Geschirrs scheiden sich die Geister. Während die eine Seite vom Einsatz dringend abrät, kommt bei der anderen kein Halsband an den Hund. Wir selbst positionieren uns genau in der Mitte. Für das Training der Hunde nutzen wir gern beides – jedes hat seinen eigenen Einsatzbereich, eigene Vor- und Nachteile
Die Vorteile eines Geschirrs: Der wohl größte Vorteil bei der Nutzung eines Geschirrs ist der, dass die empfindliche Kehle und Nackenwirbelsäule des Hundes nicht verletzt wird, sollte er doch einmal ziehen. Ein Hund, der noch keine gute Leinenführigkeit zeigt, sollte nicht am Halsband geführt werden. Insbesondere beim Einsatz einer Schleppleine bestehen wir auf die Verwendung eines Geschirrs. Die Verletzungsgefahr, wenn ein Hund die komplette Leinenlänge zum Anlauf nutzt, um zum Objekt seiner Begierde zu kommen, ist sonst immens.
Die Nachteile eines Geschirrs: Ein Hund kann durch ein Geschirr wesentlich mehr Kraft beim Ziehen entwickeln, als er es mit einem Halsband schaffen kann. Das entschuldigt jedoch nicht, dass man einen stark ziehenden Hund genau aus diesem Grund lieber am Halsband führt. Hier wäre ein intensives Leinenführigkeitstraining das Mittel der Wahl.
Sitzt ein Geschirr nicht gut am Hund, kann es letztendlich jedoch zu einem großen Nachteil werden. Es können schwere körperliche Spätfolgen durch ungleichmäßige Belastungen und Bewegungseinschränkungen entstehen.
Die gängigsten Geschirre für den Alltag im Überblick
Das Führgeschirr
Das sogenannte Führgeschirr gehört zu den beliebtesten Modellen auf dem Markt. Bei diesem Geschirr werden der Bauchgurt und die Halsung, die über den Kopf des Hundes gezogen wird, durch einen Brust- und Rückensteg miteinander verbunden. Je nach Anbringung der Stege entsteht auf dem Rücken ein H, Y oder X. Durch diese unterschiedlichen Formen wird die Belastung, die bei einem eventuellen Zug an der Leine entsteht, unterschiedlich auf dem Hundekörper verteilt.
Vorteile: Ein unschlagbarer Vorteil dieses Geschirrs ist, dass es von der Größe stark verstellbar ist. So kann es Hunde perfekt während des Wachstums begleiten und auch später immer individuell angepasst werden. Die Schulterblätter sind bei gutem Sitz frei und schränken den Hund in keiner Weise in seinen Bewegungen ein. Somit ist diese Form des Geschirrs auch hervorragend für sportliche Aktivitäten geeignet.
Nachteile: Doch auch dieses Geschirr kann Nachteile mit sich bringen. Nämlich dann, wenn es nicht gut eingestellt ist. Ist die Halsung zu klein eingestellt, drückt das Führgeschirr auf den sehr empfindlichen Bereich des Kehlkopfs und die Atmung wird erschwert. Ist der Rückensteg zu kurz, sitzt der Brustgurt viel zu nah hinter den Vorderbeinen, was ein unangenehmes Scheuern und eventuell offene Wunden unter den Achseln zur Folge hat.
Des Weiteren kann das Anziehen dieses Geschirrs Probleme machen. Da die Halsung über den Kopf des Hundes gezogen werden muss, sollte der Hund je nach Sensibilität an diese Prozedur erst in Ruhe gewöhnt werden. Meist wird dies jedoch gerade beim Welpen nicht berücksichtig und die Menschen stülpen es einfach drüber. Das führt mittelfristig dazu, dass der Hund die Flucht ergreift, sobald das Geschirr präsent wird. Im Idealfall lernt der Hund von Anfang an, dass er den Kopf selbstständig durch die Halsung steckt und ein übermäßiges festhalten und vornüber beugen des Menschen verhindert werden kann.
Unser Fazit: Ein gut eingestelltes und passendes Führgeschirr ist für fast alle Hunde die optimale Wahl. Der Handel bietet mittlerweile auch gepolsterte und wasserabweisende Varianten an. Doch gerade bei dieser Form des Geschirrs muss bei sensiblen Hunden eine Gewöhnung daran erfolgen.
Das Step - In Geschirr
„Step-In“ Geschirre werden häufig und mit Vorliebe von Kleinsthunde – oder Welpenbesitzern verwendet. Diese Geschirre bestechen dadurch, dass der Hund einfach in die für die Beine vorgesehenen Löcher einsteigen muss und es anschließend auf dem Rücken geschlossen wird.
Vorteile: Sie sind vor allem für Hunde geeignet, die sich ungern andere Geschirrarten über den Kopf ziehen lassen. Die „Soft“-Geschirre aus dieser Kategorie werden aus sehr weichen Materialien hergestellt. Somit besteht bei Ihnen kaum eine Gefahr von ungewollten Druck- oder Scheuerstellen.
Nachteile: Im Idealfall lernen die Hunde, selbstständig in dieses Geschirr zu steigen. Ansonsten kann es bei sehr bewegungsfreudigen Vierbeinern zur reinsten Geduldsprobe werden, dieses Geschirr anzulegen. Das übermäßige Festhalten des Hundes, um das Geschirr anzubringen, kann er als negativ empfunden werden, was eventuelles Meideverhalten zur Folge hat.
Für größere Hunde eigenen sich die Soft-Varianten nicht. Die stattdessen genutzten Gurte verlaufen über die Schultern und werden ebenso auf dem Rücken geschlossen. Dies kann jedoch zu einer starken Einschränkung der Bewegung der Schultern führen. Vor allem bei Zug kann der Hund sich somit nicht mehr seiner Anatomie entsprechend bewegen, was auf längere Sicht große gesundheitliche Probleme mit sich bringen kann. Zudem ist das Geschirr bei weitem nicht für alle Hunderassen geeignet. Insbesondere Hunde mit breitem Brustkorb können sich sehr schnell durch eine ruckartige Bewegung nach hinten daraus befreien.
Unser Fazit: Für Welpen und Kleinsthunde eignet sich das Softgeschirr meist sehr gut. Bei größeren Hunden sollte darauf verzichtet werden, da sie sich hieraus zu schnell befreien können. Im besten Fall sollte der Einstieg in das Geschirr in Ruhe trainiert werden, so dass der Hund hierfür nicht unnötig festgehalten werden muss.
Das Norweger - Geschirr
Das “Norwegergeschirr” erfreut sich ebenso großer Beliebtheit. Der Aufbau ist denkbar einfach: Ein Gurt, welcher waagerecht über die Brust verläuft, ist an beiden Schultern am meist verstellbaren Bauchgurt befestigt. Dieser verläuft hinter den Vorderbeinen und wir seitlich am Hund geschlossen. Auf dem Rückenstück ist bei vielen Geschirren noch eine Art Griff befestigt.
Vorteile: Das Anlegen des Norwegergeschirrs ist durch den Aufbau sehr einfach und vor allem für sehr sensible Hunde gut geeignet, da es nicht eng über den Kopf gezogen wird. Der Griff im Bereich des Rückens ermöglicht das schnelle Eingreifen des Menschen, wenn dies nötig ist. Das kann vor allem bei größeren Hunden von Vorteil sein, die sonst eventuell schlechter oder gar nicht zu halten wären. Bei gutem Sitz wird der Druck bei Zug auf der Leine auf dem gesamten Brustkorb des Hundes verteilt.
Nachteile: Das Geschirr kann meist lediglich am Bauchgurt in der Größe verstellt werden. Das kann insbesondere bei Hunden mit verhältnismäßig breiter oder schmaler Brust ein großer Nachteil sein. Durch den meist sehr lockeren Sitz, kann sich der Hund gegebenenfalls sehr schnell aus dem Geschirr befreien.
Leider hat das Norwegergeschirr für uns hauptsächlich Nachteile im Hinblick auf die hündische Anatomie. Durch den Brustgurt, auf dem zwar der Druck komplett verteilt wird, ist es dem Hund nicht möglich, raumgreifende Bewegungen mit den Vorderbeinen nach vorn zu machen. Er wird somit in seiner natürlichen Bewegung stark eingeschränkt was früher oder später zu großen physiologischen Nachteilen wird. Zudem erleben wir im Training kaum ein Norwegergeschirr was wirklich gut sitzt. Im Idealfall verläuft der Brustgurt in Höhe des Brustbeins. Die meisten sitzen jedoch viel höher. Das führt dazu, dass zum einen der empfindliche Bereich des Kehlkopfes auf Zug stark belastet wird. Zum anderen ist es dem Hund unmöglich, den Kopf beim Schnüffeln auf den Boden zu bringen ohne die Atemwege zu beeinträchtigen. Des Weiteren sitzt diese Form des Geschirrs häufig zu nah hinter den Vorderbeinen was unangenehme Scheuerstellen verursacht.
Unser Fazit: Da die meisten Norwegergeschirre, die es im Handel zu kaufen gibt, in irgendeiner Form die Anatomie und natürliche Bewegung des Hundes einschränken, raten wir zu den anderen Geschirrformen. Eine Maßanfertigung kann zwar die Nachteile etwas eindämmen, wird jedoch in den meisten Fällen die Einschränkungen nicht komplett aufheben können.
Das Sattel - Geschirr
Eine besondere Form des Norwegergeschirrs ist das „Sattelgeschirr“. Der Rückenteil des Geschirrs wird hier durch einen relativ großen Sattel, ähnlich wie beim Pferd, ausgetauscht. Beliebt sind diese Geschirre aus dem Grund, da der Handel eine Reihe von Klettaufklebern anbietet.
Vorteile: Dieses Geschirr bietet entgegen dem normalen Norwegergeschirr die Möglichkeit, den Brustgurt in seiner Weite zu verstellen. Die Vorteile des relativ unkomplizierten Einstiegs in das Geschirr sowie die größere Verteilung der Belastung im Bereich des Vorderkörpers bleibt erhalten.
Nachteile: Zusätzlich zu den bereits erwähnten Bewegungseinschränkungen kommt bei dieser Sonderform hinzu, dass der viel zu klobige Sattel auf dem Rücken die Bewegungsfreiheit der Schultern noch wesentlich mehr einschränkt als die Gurtvariante. Eine natürliche Gangart ist hiermit kaum mehr möglich. Zudem wird es unterhalb des Rückenteils im Sommer und bei höheren Temperaturen sehr warm und kann somit für den Hund schnell unangenehm werden. Durch den relativ starren Sattel auf dem Rücken sitzt das Geschirr meist viel zu locker am Hund. Dadurch rutscht es bei der Bewegung gern in alle Richtungen und der Hund lernt gegebenenfalls sehr schnell, wie er sich rückwärts darauf befreien kann.
Unser Fazit: Was auf den ersten Blick lustig aussieht und dem Hundehalter die Möglichkeit der Individualisierung durch Klettaufkleber gibt, ist für den Großteil der Hunde aufgrund der vielen Nachteile schlichtweg ungeeignet.