Wenn die Haare zu Berge stehen...
Gestern traf ich mit einer Kundin zu einem gemeinsamen Spaziergang, da sie ihre Hündin bei Hundebegegnungen als unsicher empfindet und ihr helfen möchte, diese Unsicherheit zu überwinden.
Als wir ein Stück unterwegs sind, kommt uns auch ein Hund entgegen. Von weitem sehe ich, dass dieser Hund freundlich ist und erläutere der Kundin, woran dies zu erkennen ist. Nachdem wir den Hundehalter gefragt haben, ob ein Kontakt der beiden Hunde für ihn in Ordnung wäre, leinen wir die Hunde hab und entlassen diese in den Freilauf. Sofort nähert sich die Kundenhündin dem fremden Hund und beschnüffelt diesen ausgiebig am Hinterteil. „Sehen sie, Herr Lindhorst, wie unsicher Bella ist?“ fragt mich die Kundin. Ich möchte nun wissen, woran die Halterin die Unsicherheit bei ihrer Hündin erkennt. „Na sehen sie nicht die aufgestellten Haare im Nackenbereich bei Bella? Das haben Hunde doch nur, wenn sie unsicher oder ängstlich sind“ antwortet die Kundin. Stimmt das wirklich?
Das Aufstellen der Haare bei Hund im Nackenbereich und/oder entlang des Rückens oder am Rutenansatz – fachlich auch als Piloerektion bezeichnet – zeigen Hunde in unterschiedlichen Situationen. Dieses Aufrichten des Fells geschieht dabei unwillkürlich, dass heißt der betreffende Hund kann diesen Vorgang nicht bewusst steuern. Grund dafür ist der vegetative Teil des Nervensystems und hier vor allem der sogenannte Sympathikus. Dieser aktiviert den Organismus und sendet leistungsfördernde Signale an den Körper. Schüttet der Körper nun Adrenalin aus, dann ziehen sich die Haarbalgmuskeln zusammen. Die mit den Haarbalgmuskeln verbundenen Haarfollikeln richten sich auf, es entsteht die sogenannte Bürste beim Hund.
Generell zeigt die Bürste erst einmal eine Erregung des betreffenden Hundes an. Diese Erregung kann verschiedene Gründe haben. Unsicherheit oder Angst, aber auch eine aggressive Stimmung, Nervosität oder eine spielerische Erregung können das Aufstellen der Haare bedingen. Grobe Faustregel, je mehr Haare aufgestellt werden, desto erregter der Hund. Einige Hunde stellen aber auch die Haare an Körperstellen auf, wenn sich dort ein Schmerzpunkt befindet. Diese Fellveränderungen siehst Du häufig bei Problemen im Bewegungsapparat des Hundes.
Ob die Kundenhündin nun unsicher in Hundebegegnungen ist, entscheidet nicht nur das Aufstellen der Haare am Körper, sondern die damit verbundene Körperhaltung.
Stellt ein Hund über den ganzen Rücken die Haare auf, knickt in den Gliedmaßen ein, legt die Ohren eng an den Kopf, klemmt die Rute an oder ein und wölbt den Rücken auf, dann deutet dies auf Unsicherheit oder im extremen Falls sogar Angst hin. Oft wird diese Körperhaltung auch von Zittern oder einer plötzlichen Schuppenbildung und Haarausfall begleitet.
Die Kundenhündin zeigte aber genau das Gegenteil einer solchen Körperhaltung. Mit aufgerichteter, weit ausholend wedelnder Rute, stolz geschwellter Brust, erhobenen Kopf und durchgedrückten Gliedmaßen näherte sich diese dem entgegenkommenden Artgenossen. Die Bürste war bei ihr auch nur zwischen den Schulterblättern, im Nackenbereich zu erkennen. Viele Hunde zeigen bei dem ersten Kontakt mit einem fremden Hund zunächst eine Bürste. Da sie den Hund noch nicht gut genug kennen, entsteht eine leichte Unsicherheit. Auch wenn der Hund freundlich wirkt und sich auch so verhält, kann er sich ja dennoch plötzlich anders verhalten. Erst wenn man den Hund mehrmals getroffen hat und er für den eigenen Hund dadurch einschätzbar wird, verschwindet auch die Bürste beim erneuten Wiedertreffen. Also musst Du Dir keine Sorgen machen, wenn Dein Hund ebenfalls bei fremden Hunden zunächst die Haare aufstellt. Schau Dir seine Körperhaltung genauer an und entscheide daraufhin, ob dieser Kontakt sinnvoll ist oder nicht.