Wenn Hunde zur Gefahr werden...
Am 2.4.2017 hatten wir eine wirklich tolle Referentin bei uns zu Gast. Die renommierte Ethologin und Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz Frau Dr.Feddersen-Petersen referierte einen ganzen Tag lang zum Thema „Gefährliche Hunde“.
Zunächst ging Frau Dr.Feddersen-Petersen auf den Unterschied zwischen Jagd- und Aggressionsverhalten ein. Hierbei betonte sie, dass sich beide Verhaltensweisen neuronal wesentlich unterscheiden und auch andere Motivationen zugrunde liegen. So dient das Jagdverhalten keinen sozialen Belangen, wohin gegen Aggressionsverhalten ein natürlicher Bestandteil des Sozialverhaltens von Caniden ist und als soziales Regulativ in Gruppen eingesetzt wird. Hierdurch werden soziale Probleme konstruktiv und zielgerichtet angegangen, ohne destruktiv und zerstörerisch zu sein. Hierbei ist besonders die Sozialisierungsphase von besonderer Wichtigkeit. Aggressionsverhalten muss im sozialen Kontext gelernt werden, um seine Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung angemessen zu erreichen. So reduziert eine Niederlage im Kampf aggressives Verhalten in der Zukunft. „Gute aggressive Kommunikation sollte gelernt werden“, so Frau Dr.Feddersen-Petersen.
Wachsen Hunde in der 6.-8.Lebenswoche reizarm und isoliert auf, so zeigen sie später eine gesteigerte Angriffs-und Verteidigungsbereitschaft. Soziale Unsicherheit und Angst begleiten das gesamte Hundeleben, wenn die Jugendentwicklung ohne eine ausreichende Sozialisation an Artgenossen und Menschen erfolgte. Besonders in Zwingern aufgewachsene Hunde werden stets „schwierige“, oftmals bissige Hunde.
Auch sozial expansive Hunde, die in unklaren Verhältnissen zu ihren Haltern aufwachsen, stark vermenschlicht und verwöhnt werden, bei denen also eine klare Statuszuweisung fehlt und dabei eine gewisse Größe haben stellen ein mögliches Gefahrenpotential dar.
Oft weisen die besprochenen Beißunfälle auf soziologische Probleme hin. Die Halter versuchten, über ihre Hunde anderen Menschen zu imponieren oder Angst einzuflößen, um ihr eigenes Ego aufzuwerten. „Aggressionszüchtungen“ und Trainings zur Aggressionssteigerung sind eigentlich durch das Tierschutzgesetz verboten. Jedoch finden die entsprechenden Paragraphen selten Anwendung. Interessant war zu hören, dass Hunde, die bereits ein- oder zweimal auffällig wurden, und deren Halter bereits gewisse Auflagen zu erfüllen hatten, dennoch schwere Verletzungen (zum Teil mit Todesfolgen) verursachten. Eine weit konsequentere Ausschöpfung vorhandener Gesetze hätte etliche Wiederholungsfälle verhindert und würde überwiegend ausreichen, Probleme mit Menschen und ihren Hunden besser in den Griff zu bekommen.
Spannend war das Ergebnis von Studien aus ihrer Zeit am Institut für Haustierkunde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. So ist die Länge des Drohverhaltens von Haushunden im Vergleich zu ihren Vorfahren, den Wölfen viel kürzer. Dies ist wohl das Ergebnis der Domestikation durch den Menschen, der nun der Hauptsozialpartner für den Hund geworden ist.
Von gesteigerter Gefährlichkeit kann gemäß Frau Dr.Feddersen-Petersen dann gesprochen werden, wenn ein über das Maß hinausgehende Aggressionsverhalten des Hundes gezeigt wird, er nicht situationsadäquat reagiert, es keine natürliche Steigerung im Verhalten gibt und das Aggressionsverhalten plötzlich auftritt.
Anhand von einigen Fallbeispielen aus ihrer Gutachtertätigkeit erläuterte sie sehr detailliert die Aspekte, die Hunde zur Gefahr werden lassen. In den Fällen, bei denen Menschen sogar von Hunden getötet wurden waren die Opfer zu 70% Kleinkinder. Die betreffenden Hunde waren mangelhaft oder gar nicht auf Menschen sozialisiert und wurden nicht hundegerecht gehalten. Frau Dr.Feddersen-Petersen bezeichnete diese Hunde als „sozial verwahrlost“. Die Tötungsfälle ereigneten sich entweder im Rahmen eines kooperativen Beutefangverhaltens oder im Kontext sozial motivierter Aggression, bei der eine Streiterei zwischen Kind und Hund zum Ernstkampf eskalierte. So konnte das Verletzungsmuster an den Opfern zum Beispiel Hinweise auf die Motivation des entsprechenden Hundes bzw. der Hunde geben. Gab es Bisswunden, die am ganzen Körper verteilt waren, sprach dies eher für eine sozial motivierte Aggression. Waren die Verletzungen hauptsächlich im Kopf- und Nackenbereich, dann handelte es sich um Beutefangverhalten.
"Der Begriff gefährlicher Hund ist rasseneutral für Individuen über bestimmte Merkmale zu bestimmen: der Situation nicht angemessenes Aggressionsverhalten, Angriffe und ungehemmtes Beißen (ohne Beißhemmung) von Sozialpartnern (Artgenosse, Mensch) u.a. Tierarten.(...) Es sind die Züchter (Massenzuchten!) und Besitzer bzw. das gesamte soziale Umfeld, das Hunde gefährlich werden lässt.", so Frau Dr.Feddersen-Petersen abschließend.
Hunde sind außerordentlich anpassungsfähig und lernbereit. Eine konsequente und für den Hund klare Zuweisung seines sozialen Status im Familiengefüge - sprich Erziehung – stellt eine gute Gefahrenprophylaxe dar. Des weiteren müssen Hunde sowohl körperlich als auch geistig ausgelastet werden und die Möglichkeit haben, ein soziales Leben führen zu können.