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Kommunikationsmissverständnisse unter Hunden

Die komplexen Bewegungen und Haltungen der Rute gehören zu den wichtigsten Faktoren der Hundesprache
Der „Ridge“ am Rücken des Rhodesian oder Thai Ridgebacks ist nicht mehr als ein Gendefekt
Auch die französische Bulldogge gilt aufgrund ihres Phänotyps in den Augen vieler sensibler Hunde als „Canis non grata“

Viele Menschen glauben, dass die Kommunikation unter Hunden überaus komplex sei. Ist sie aber im Kern gar nicht. Auch wenn sie sich an vielen Stellen von der menschlichen Kommunikation unterscheidet und daher oft Fehlinterpretationen zur Folge hat, kommuniziert der Hund im Allgemeinen sehr klar und deutlich. Problem ist nur: Der Mensch hat ihn durch die Rassehundezucht zu einer Säugetierspezies mit den größten innerartlichen Varianten gemacht. Vom Ein-Kilo-Chihuahua bis zum 90-Kilo-Mastiff, von Glatt- bis Langhaar, von rund bis schmal, von Steh- bis Hängeohr ist alles dabei. Was aber nicht in diesem großen Paket enthalten ist, ist ein Sprachkurs, quasi als Übersetzungshilfe für die vielen rassespezifischen Eigenheiten und Kommunikationsformen, die der Canis lupus familiaris so mit sich bringt.

Ein Beispiel: Der Mops, als eine der beliebtesten Hunderassen, ist objektiv betrachtet für Artgenossen ein einziges Mysterium. Er kommt daher mit seinen Glubschaugen, seiner in Falten gelegten Stirn, einem klassischen Passgang, Ringelschwänzchen und zumeist grunzend. Was für viele Menschen süß wirkt und keineswegs böse gemeint sein soll, ist für viele Hunde schlicht bedrohlich. Dieser Vierbeiner ist nämlich nicht klar lesbar und zeigt in seinem Ausdrucksverhalten aus Hundesicht eher paradox-aggressive Züge. Fein kommunizierende Hunde empfinden seinen Gesichtsausdruck oft als Drohung. Die herausquellenden Augen sind schließlich schnell mit einem bedrohlichen Fixieren zu verwechseln. Dazu die faltige Stirn, die den Blick finsterer macht und bei einer ernst gemeinten offensiven Drohung von Hunden gezeigt wird. Dazu kommt ein röchelndes Atmen, das in der Fachsprache auch BAS – Brachyzephales Atemnot-Syndrom genannt wird. Durch die gezielt gezüchtete Rundköpfigkeit der Hunde kommt es zu verengten Nasenlöchern und auch Nasenhöhlen, missgebildeten Gaumensegeln und Veränderungen am Kehlkopf. Abgesehen von den massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen deuten Artgenossen diese Atemnot oft als Knurren, kennen sie doch eine Lautäußerung in der Form nicht. Unterstützt durch einen tänzelnden Passgang (das linke und rechte Beinpaar bewegen sich jeweils gleichzeitig), lässt sich auch schnell auf einen Imponiertrab schließen, der wiederum manchmal provokativ gemeint ist. Die züchterisch erwünschte, eng eingerollte Rute sorgt auch gerne für Missverständnisse. Oft ist sie zu kurz oder liegt zu eng an, was für andere Hunde wiederum Ängstlichkeit ausdrückt – ist die Rute nicht sichtbar, muss sie schließlich eingezogen sein. Aber nicht nur der Mops trägt das Schicksal des undeutbaren Hundes. Zum Beispiel auch die französische Bulldogge gilt aufgrund ihres Phänotyps in den Augen vieler sensibler Hunde als „Canis non grata“.

Apropos Rute: Manche Rassen werden mit Stummelruten (Brachyurie) oder völliger Schwanzlosigkeit (Anurie) geboren. Sie gehören sogar teilweise zum Standard, wie z. B. beim Australian Shepherd, der Englischen Bulldogge oder dem Bobtail. Für mich sind Stummelruten, egal welcher Länge – oder wohl eher Kürze –, ein triftiger Grund, Hunde aus der Zucht auszuschließen. Schließlich wird sich der liebe Gott schon etwas dabei gedacht haben, als er den Hund mit einem Schwanz ausgestattet hat. Von den möglichen gesundheitlichen Folgen und Gleichgewichtsstörungen soll aber hier nicht die Rede sein. Vielmehr sind von Brachyurie und Anurie betroffene Hunde in ihrer Kommunikation mit Artgenossen stark eingeschränkt. Visuelle Kommunikation und die komplexen Bewegungen und Haltungen der Rute gehören zu den wichtigsten Faktoren der Hundesprache. Ganz abgesehen von der Funktion als gezielter „Duftzerstäuber“ für andere Hundenasen.

Das durch Menschenhand bewusst verursachte Kupieren der Rute wurde ja Gott sei Dank mittlerweile per Gesetz verboten. Dennoch sind Ausnahmen erlaubt, z. B. dann, wenn „der Eingriff für die vorgesehene Nutzung des Tieres, zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist“, lautet es im österreichischen Tierschutzgesetz § 7 (2). Als rechtmäßiger Grund für die Amputation wird immer wieder die potenzielle Verletzungsgefahr bei der Arbeit der Tiere genannt. So soll z. B. der jagdlich geführte Hund immer wieder unter Rutenverletzungen leiden, wenn er durchs Dickicht muss, und wird deshalb prophylaktisch im Welpenalter kupiert. Konsequenterweise müssten aus meiner Sicht dann aber auch alle anderen Extremitäten amputiert werden...

Der „Ridge“ am Rücken des Rhodesian oder Thai Ridgebacks wirkt zunächst wie ein besonderes Rassemerkmal, ist aber nicht mehr als ein Gendefekt, der weitere Hautkrankheiten verursachen kann. Er zeigt sich durch einen Fellstreifen entlang des Rückens, der in die entgegengesetzte Richtung wächst. Für andere Hunde wirkt er aber auch gerne irritierend, grenzt er sich doch optisch kaum von einer aufgestellten Bürste der Rückenpartie ab, welche wiederum ein Zeichen von aggressiver und/oder unsicherer Erregung sein kann. Kommt also der freundlich gesinnte Ridgeback dem nächsten Border Collie entgegen, der ja beispielsweise sehr fein kommuniziert, kann dieser aufgrund der paradoxen Körpersprache sehr unsicher reagieren. Das wiederum kann sich in Angst oder Aggression oder sogar in beidem äußern. Und am Ende „hat er doch gar nix gemacht“. Auch den anatomisch normalen Rundrücken bei Windhunden können andere Hunde körpersprachlich missverstehen. Der abgerundete Rücken ist ja eigentlich ein Ausdruck für Angst. Das widerspricht dem Charakter der Windhunde, die im Kern eigentlich offensiv und sicher sind. Nicht zufällig gelten sie aufgrund ihrer Optik als beliebte Mobbing-Opfer für asoziale Hunde. Fazit ist, dass sichtlich der Mensch in der Hauptverantwortung für eine Menge gesundheitlicher, aber eben auch kommunikativer Probleme bei Hunden steht. Sei es durch übertriebenen Zuchtidealismus, Unwissen oder schlicht Dummheit. Das Tierschutzgesetz hilft in Qualzuchtfragen und mit Verboten zu unnötigen Eingriffen an Tieren, aber die Realität zeigt, dass eine konsequente Umsetzung dieser Gesetze ein Wunschgedanke bleibt. Was wir als Hundehalter nun tun können, ist lediglich, unsere Hunde bestmöglich zu sozialisieren. So früh wie möglich sollten sie (unter kontrollierten Bedingungen) möglichst viele Hunderassen kennenlernen und nicht nur ihre Rassekollegen treffen. Nur das rechtzeitige Vorstellen anderer Rassen und folglich auch verschiedenster optischer Merkmale und Kommunikationsweisen in der Sozialisierungsphase (ca. 8. bis 16. Lebenswoche), lässt Hunde verstehen, dass eine gewisse Vielseitigkeit in Aussehen und Verhalten normal ist. Für alle Hunde, die zu spät dran sind, weil sie z. B. aus dem Tierschutz kommen, ist der Zug noch nicht abgefahren. Ein sensibles Heranführen und kontrollierte Begegnungen mit anderen Hunden können auch aus einfältigeren Hunden später noch sichere Vierbeiner machen, die alle Sprachen verstehen.

Ein Beitrag unserer Kollegin Conny Sporrer von Martin Rütter DOGS Wien für “crazy4dogs”