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Auch kleine Hunde wollen erzogen und beschäftigt werden

Fast jeden Tag aufs Neue passiert es. Ich gehe mit meinem großen weißen Hund spazieren und begegne Hunden kleiner Rassen. Bereits von weitem sind die Kleinen zu hören. Sie bellen, knurren und ziehen an der Leine. Gerade so, als gäbe es kein Halten mehr. Ruhig gehe ich mit meinem Hund vorbei und grüße den Menschen. Dieser lächelt häufig nicht einmal verlegen, sondern schaut vielmehr so, als sei das Verhalten seiner Vierbeiner völlig selbstverständlich, schließlich sind sie ja klein! Nicht auszumalen wie die Reaktion wäre, wenn sich der große weiße Hund gegenüber den Kleinen so verhalten würde. 

Es gibt aber auch Kleinhundehalter, die das Verhalten ihrer Vierbeiner nicht belächeln. Sie reagieren bei Hundebegegnungen oft panisch und nehmen ihren Zwerg auf den Arm. Sehr häufig passiert dies nicht still, sondern mit lautstarken Äußerungen des Hundes von oben herab.

Ich möchte die Hundehalter kleiner Rassen hier keinesfalls an den Pranger stellen. Vielmehr möchte ich eine Lanze für die Kleinen brechen und dafür plädieren, dass es sich auch bei kleinen Hunden um solche handelt. Sie haben es verdient, als Hund wahrgenommen, behandelt und entsprechend ausgelastet zu werden. 

Zum Glück gibt es sie auch, die Halter kleiner Hunde, die alles daran setzen, dass auch die Kleinsten lernen, ordentlich an der Leine zu laufen, auf Rückruf zu kommen und andere, auch größere Hunde kennenzulernen. Aber weshalb werden die Kleinen häufig als „Kläffer“ abgestempelt? Wieso sind es insbesondere sie, die in der Leine hängen, Fußgänger, Kinder, Fahrradfahrer sowie Artgenossen anknurren und verbellen? Sind kleine Hunde anders zu behandeln als die großen? Was können ihre Halter dafür tun, dass sie die beschriebenen Verhaltensweisen nicht zeigen? Und wie können sie so dazu beitragen, dass mehr Menschen, insbesondere die Halter der großen Vertreter, nicht so voreingenommen gegenüber den Kleinen sind?

Alltägliche Missverständnisse 

Eine typische Modeerscheinung und eine Rasse, die mir insbesondere als Trainerin immer wieder begegnet, ist der Yorkshire Terrier. Wirkliche Minis mit einem Gewicht unter drei Kilo, bei denen es sich aber dennoch um „echte Terrier“ handelt. Durch ihr Erscheinungsbild, den zarten Körperbau, das glänzende, seidige Fell und die geringe Körpergröße werden sie gerne als Begleithund und für ein gemütliches Zusammensein auf der Couch und im Bett angeschafft. Ein Yorkshire Terrier, der Frauchen beim Shoppen in einer eigens dafür angeschafften Tasche begleitet, ist heutzutage kein seltenes Bild. Führt man sich das Gewicht und die Größe der kleinen Hunderassen vor Augen, so ist sicherlich ein wenig verständlich, weshalb es schwer fallen kann, diese Hunde als solche wahrzunehmen und nicht mit einem Kleinkind gleichzusetzen. Gerade wenn sie als Welpe einziehen, sind sie noch winziger und scheinen geradezu zerbrechlich. Da ist es nachvollziehbar, wenn es den Menschen schwerfällt, auch bei den Kleinsten Regeln aufzustellen, Strukturen zu etablieren und Verbote auszusprechen. Genau dieser Punkt führt auch häufig dazu, dass die Kleinen bereits von Beginn an besonders bemuttert werden und gerne viele Freiheiten zugesprochen bekommen. Frisst der Hund auch genug? Ist der Schlafplatz weich und gut genug? In kürzester Zeit werden sie mit Unmengen an Privilegien überschüttet. Hierzu gehören unter anderem eine große Ansammlung an Spielzeugen und Kuscheltieren, zahlreiche Liegestellen inklusive Bett und Couch sowie Kauartikel und Futter zur freien Verfügung. Dazu gesellt sich dann noch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit durch den Menschen. 

Was aus menschlicher Sicht nach einem Schlaraffenland für einen Hund klingen mag, bedeutet für den Vierbeiner jedoch wahnsinnig viel Stress. Durch viele Freiheiten und Privilegien möchte der Mensch die Bedürfnisse und Wünsche des Hundes erfüllen. Leider ist jedoch hier das Gegenteil der Fall. Unklare Strukturen und fehlende Regeln führen meist dazu, dass der Hund sich nicht an seinem Menschen orientieren kann. 

Die Hunde sind überfordert und müssen früh lernen, die Verantwortung zu übernehmen, und dies nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Menschen und die Sicherung des Territoriums. Häufig ist den Zwergen-Besitzern gar nicht bewusst, dass klare Regeln und Strukturen auch für die Kleinen unumgänglich sind. Möchte man seinem kleinen Begleiter als Hund gerecht werden, so ist dies jedoch unbedingt notwendig! 

Kommunikation zwischen Mensch und Hund 

Zum Übermaß an Privilegien kommen Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund hinzu. Aufgrund der geringen Größe neigen die Menschen dazu, dem Hund besonders nahe kommen zu wollen und beugen sich hierfür extra weit entgegen. Aus Sicht des Menschen gut gemeint, bringen sie den Hund damit aber in absolute Bedrängnis. Vornüberbeugen mit direktem Blickkontakt gilt unter Hunden als Drohfixieren. Die kleinen Hunde reagieren hierauf häufig mit sämtlichen Beschwichtigungssignalen, Erstarren oder zeigen Drohverhalten in Form von Knurren und Schnappen. Leider sieht der Mensch aufgrund ihrer geringen Größe häufig hierüber hinweg und nimmt den Hund dennoch einfach hoch. Für den Hund bedeutet dies großen Stress. Hat er im Vorfeld körpersprachlich um Abstand gebeten, wird er nun körperlich stark bedrängt. 

Natürlich gibt es auch kleine Persönlichkeiten, die es einfordern, vom Menschen getragen zu werden und auf dessen Schoß zu verweilen. Hierbei handelt es sich jedoch immer um erlernte Verhaltensmuster. Bettelt der Hund und kratzt am Bein des Menschen und wird daraufhin jedes Mal vom Menschen hochgenommen, so hat der Kleine ziemlich schnell verstanden, dass es ein Leichtes ist, den Menschen zu erziehen. Für viele Menschen sind die Kleinen ein Kindersatz, der von morgens bis abends verwöhnt werden muss. Zusätzlich zum Futter gibt es viele Leckereien, meist ungeteilte Aufmerksamkeit, Streicheleinheiten und Schmusestunden auf der Couch und auf dem Schoß. Agierender Part ist häufig nicht der Mensch, sondern viel häufiger der Hund, der gelernt hat, seinen Menschen zu manipulieren. Die Welt der Halter dreht sich fast ausschließlich um den kleinen Hund. Sie möchten, dass es ihm rundherum gut geht und verwöhnen ihn von vorne bis hinten. Aber wer trifft nun die wichtigen Entscheidungen im Zusammenleben? Wer buhlt dagegen unentwegt um Aufmerksamkeit? Wer besitzt zahlreiche Ressourcen und Privilegien? Durch dieses „Rundum-Sorglos-Paket“ wird dem Hund unbewusst vermittelt, dass der Mensch sich am Hund orientiert, nicht umgekehrt. 

Viele Hunde werden damit so überschüttet, dass sie in die Rolle des Verantwortlichen gedrängt werden. Wer viele Privilegien und Ressourcen besitzt, hat auch viel Verantwortung und muss sich um viele Dinge kümmern. Mit dieser Verantwortung sind viele Hunde, insbesondere die Kleinen häufig überfordert. Das Ausmaß dessen wird dann häufig unterwegs auf den Spaziergängen erst richtig deutlich.

Positive Hundebegegnungen 

Viele Halter kleiner Hunde scheuen förmlich den Kontakt mit Artgenossen, insbesondere mit Großen. Dies ist natürlich nicht ganz unbegründet. Die enormen Größenverhältnisse müssen unbedingt berücksichtigt werden. Chihuahua-Welpe und Bernhardiner-Welpe gemeinsam laufen zu lassen, darf zu Recht als fahrlässig bezeichnet werden. Es bedarf hier lediglich eines ungeschickten Remplers des Bernhardiners, um dem Kleinen ernsthaften Schaden zuzufügen. Ganz ungeachtet der negativen psychischen Erfahrung. 

Wichtig ist aber dennoch, dass die Kleinen auch größere Artgenossen kennenlernen, damit sie wissen, dass von diesen nicht grundsätzlich eine Gefahr ausgeht. Um positive Kontakte zu ermöglichen macht es daher Sinn, dass Hunde kleiner Rassen bereits in jungem Alter kontrollierten Kontakt zu großen Hunden haben, am besten jedoch mit erwachsenen Hunden. Diese sollten souverän mit anderen Hunden umgehen, den Umgang mit kleinen Hunden kennen und sie zumindest zu Beginn ignorieren. So können sich die kleinen Hunde langsam, in ihrem Tempo annähern und selbst bestimmen, wann sie Kontakt aufnehmen. 

Verwehrt man den Kleinen hingegen diesen Kontakt, werden die Großen immer unheimliche Riesen bleiben und für Unsicherheiten sorgen. Dies ist dann mitunter auch ein Grund, weshalb Artgenossen auf dem Spaziergang verbellt werden. Laute Randale an der Leine zeigen häufig die Hunde, die das Gegenüber nicht richtig einschätzen können und bei der Begegnung verunsichert sind. Gepaart mit zu viel Verantwortung für sich und den eigenen Menschen, schließt sich so der Kreis und das Verhalten erklärt sich fast von selbst, was nicht bedeuten soll, dass es dies entschuldigt. 

Was kann man als Kleinhund-Besitzer aktiv tun?

Pauschal lässt sich dies gut zusammenfassen: Die Zwerge als Hunde akzeptieren, respektieren und erziehen! Klare Regeln und Strukturen sind in jedem sozialen Gefüge wichtig und sorgen für Sicherheit. Nur dadurch wird der Hund lernen, sich am Menschen zu orientieren und bei Unsicherheiten bei diesem Schutz zu suchen. 

Konkret bedeutet das: Zuhause sollte der Hund nicht zu viele Privilegien und Ressourcen besitzen, sodass er diese gar nicht erst verwalten muss. Auf dem Schoß des Menschen darf gerne gekuschelt werden, allerdings nur dann, wenn der Mensch dies entscheidet. Denn das Kuscheln auf dem Schoß ist ein Privileg und sollte vom Vierbeiner auch als solches angesehen werden. Dabei heißt das nun nicht, dass der kleine Hund nicht auch einmal den Menschen zu einer gemeinsamen Kuschelstunde auffordern dürfte. Doch der Mensch entscheidet, ob er auf diese Aufforderung eingeht oder nicht. Und da sollte es dann nicht immer heißen: „Ach ja, komm schon her, wir schmusen!“ 

Kleine Rassen, große Unterschiede

Sieht man sich Kleinhunderassen einmal genauer an, so findet man darunter: Haus-, Hof- und Wachhunde, Hütehunde, Jagdhunde, kleine doggenartige Hunde sowie Rassen, die den Gesellschafts- und Begleithunden zugeordnet werden. Mit einem Gewicht von 2-3 kg und einer Schulterhöhe von 12-23 cm bei der kleinsten Rasse, dem Chihuahua, wird schnell klar, wie klein und zart Hunde gebaut sein können. Die Deutsche Dogge soll dagegen laut Rassestandard eine Mindestgröße von 72 cm, bei Rüden sogar mind. 80 cm aufweisen, nicht selten haben Doggen ein Gewicht von 70 – 90 kg. Hund ist also nicht gleich Hund, es gibt sie: Riesen und Zwerge! Aber von welchen Rassen stammen die Kleinsten ab? Was unterscheidet sie von den Großen? Hier lohnt es sich, die Entstehung der einzelnen Rassen zu betrachten. Zum einen gibt es Kleinhunderassen, die über Jahre hinweg lediglich mit dem Zuchtziel, dem Menschen optisch zu gefallen, gezüchtet wurden. Hierzu gehört beispielsweise der Mops. Sein großer runder Kopf und die weit hervorstehenden großen runden Kulleraugen erfüllen das vom Menschen erwünschte Kindchen-Schema

Es gibt aber auch viele andere kleine Hunderassen, die über Jahre hinweg für einen bestimmten Arbeitszweck gezüchtet wurden. Der Sheltie beispielsweise wurde zum Hüten von Herden eingesetzt. Jack Russell Terrier kamen, wie die großen Verwandten, bei der Jagd zum Einsatz. Der Zwergschnauzer sollte nicht nur Ratten verjagen, sondern diente ursprünglich als Haus-, Hof- und Wachhund. Und selbst ein Zwergdackel , der deutlich kleiner ist als der ursprüngliche Vertreter, ist und bleibt ein Dackel und somit ein echter Solitärjäger! Die für ihre ursprüngliche Verwendung notwendigen Verhaltensweisen und Eigenschaften der einzelnen Rassen sind auch heute noch tief in ihnen verankert. Dies bringt mit sich, dass auch die kleinen Vertreter unbedingt entsprechend ihrer Anlagen ausgelastet werden müssen, um ein möglichst artgerechtes Hundeleben führen zu können.

Zu einer guten Erziehung gehört auch das Training der so wichtigen Grundsignale wie Sitz, Platz, Bleib sowie ein guter Rückruf. Was nicht vergessen werden darf, ist die möglichst artgerechte Auslastung der kleinen Vierbeiner. Auch die Zwerge sollten gemäß ihrer Veranlagung beschäftigt werden. Je nach Vorlieben und Eignung kann dies in Form von Apportieren, Sucharbeit oder auch Agility erfolgen. Die Möglichkeiten sind auch hier vielfältig. Hat der kleine Hund dann noch gelernt, an lockerer Leine zu laufen, wird er vermutlich überall positiv auffallen, bei Nichthundehaltern, aber auch bei den Haltern großer Hunde. 

Viele kleine Hunde werden erst zum Anlaufpunkt für Artgenossen, weil sie so laut sind und sich auffällig verhalten. Bei einer ruhigen Annäherung wäre eine Begegnung sicherlich für beide Seiten deutlich entspannter. Der Kontakt zu Artgenossen sollte daher unbedingt ermöglicht werden. Hierbei ist natürlich wichtig, den Kleinen nicht mit jedem Hund, den man auf dem Spaziergang trifft, laufen lassen zu wollen. Vielmehr sollen von klein auf positive Kontakte ermöglicht werden. Gestaltet sich dies im eigenen Umfeld schwierig, ist eine Hundeschule sicherlich gerne behilflich. Hatte ein Hund in seiner Welpenzeit die Möglichkeit, Artgenossen unterschiedlichen Alters und Größe kennen zu lernen, kann er sich zu einem souveränen Begleiter entwickeln. 

Fazit: Auch kleine Hunde müssen erzogen und beschäftigt werden! Je mehr die Kleinen von Beginn an kennenlernen, desto besser finden sie sich in der Welt der Riesen und übergroßen Dinge und Gestalten zurecht. Je besser der Trainingsstand, desto besser lassen sich Alltag und Spaziergänge gestalten.

 

Artikel meiner Kollegin Ramona Houscht (<link heidelberg-mosbach/>Martin Rütter DOGS Heidelberg/Mosbach</link>) für die Zeitschrift "Mein Hund und Ich"