Hundesenioren – Von der grauen Schnauze bis zum letzten Weg
Eine lange Zeit ist er ein aktiver Wegbegleiter – munter und immer in Bewegung. Jetzt liegt er neben Ihnen und strahlt mehr Ruhe aus denn je. Im Laufe der Jahre wird die Beziehung inniger, man versteht und vertraut sich blind. Das Leben mit einem alten Hund beschreiben viele Hundebesitzer als eine ganz besondere Erfahrung. Wie sich der Hund im Alter verändert und was Sie dabei im Auge behalten sollten, haben wir Marc Lindhorst von Martin Rütter DOGS Kiel & Lübeck gefragt.
Welche Faktoren beeinflussen das Lebensalter eines Hundes?
Nicht nur wir Menschen werden immer älter, auch die Lebenserwartung unserer Hunde ist im Laufe der Zeit gestiegen. Wie kommt es zu dieser Steigerung der Lebenserwartung bzw. welche Faktoren beeinflussen das Lebensalter des Hundes?
Die Größe eines Hundes beeinflusst maßgeblich seine Lebenserwartung. Große Hunde haben eine niedrigere Lebenserwartung als kleine, weil sie schneller altern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Göttingen, in die Daten von mehr als 50.000 Hunden einflossen, die 74 verschiedenen Rassen angehörten. Während es die Vertreter großer Rassen wie Doggen und Bernhardiner nur auf fünf bis acht Lebensjahre bringen, kommen Terrier, Dackel und andere kleine Rassen mit zehn bis 14 Jahren auf fast die doppelte Lebenserwartung.
Genetik spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Statistiken zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Vorfahren des Hundes und den Nachkommen gibt. Sind die Elterntiere alt geworden, wird auch der Nachwuchs selbst mit einiger Wahrscheinlichkeit ein hohes Alter erreichen. Dies liegt daran, dass die Elterntiere ihre zelluläre Gesundheit und erfolgreichen Zellreparaturmechanismen an ihre Kinder weitervererben. Daher ist die Auswahl eines guten Züchters besonders wichtig. Diese sollten weniger auf extreme Größe züchten, sondern vielmehr auf eine hohe Lebenserwartung.
Ein weiterer wichtiger Faktor für die gestiegene Lebenserwartung unserer Vierbeiner sind die Haltungsbedingungen. So werden Hunde heute anders gehalten als noch vor einigen Jahrzehnten. Sie leben nicht mehr draußen in Zwingern und gehen tagtäglich bei Wind und Wetter einer anstrengenden Arbeit nach. Die meisten Hunde leben heutzutage gemeinsam mit ihren Menschen in gut beheizten Unterkünften, erhalten regelmäßig Auslauf, werden körperlich und geistig beschäftigt und liebevoll gepflegt. Hinzu kommen die enormen Fortschritte auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung unserer Hunde sowie die ausgewogenere Ernährung.
Wenn ein Hund den Übergang vom erwachsenen zum alten Hund durchläuft, fallen meist einige Veränderungen auf. Doch wann ist ein Hund überhaupt alt, was bedeutet “alt” eigentlich und mit welchen Veränderungen muss man rechnen?
Das Seniorenstadium eines Hundes lässt sich nicht am tatsächlichen Lebensalter feststellen, sondern vielmehr an den Alterszeichen. Altern wird als fortschreitender und nicht umkehrbarer biologischer Prozess bezeichnet, der nach und nach zum Verlust der Organfunktionen führt und mit dem Tod endet. Dieser Prozess setzt bei den meisten Hunden zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr ein (abhängig von der Größe bzw. dem Gewicht des Hundes).
Das Alter macht sich bei jedem Hund unterschiedlich bemerkbar. Oft sind die ersten „grauen“ Haare besonders im Schnauzenbereich erkennbar, da die pigmentbildenden Zellen nach und nach ihre Funktion verlieren. Bei einigen Hunden lässt das Aktivitätsniveau nach und sie bewegen sich weniger oder ungern. Grund hierfür ist die generelle Verlangsamung des Stoffwechsels. Die Ruhephasen werden dementsprechend länger. Hierdurch kommt es zum Abbau von Muskelmasse und die Gefahr, Fettpolster anzulegen, erhöht sich. Durch die Abnutzung der Gelenke über die Jahre kommt es meist zu weiteren körperlichen Einschränkungen, da bestimmte Bewegungen nun schmerzhaft sein können. Lunge, Herz und Nieren funktionieren im Alter nicht mehr so gut wie früher. Auch eine Unterfunktion der Schilddrüse ist bei vielen Hundesenioren nicht ungewöhnlich. Da das zelluläre Reparatursystem nur noch eingeschränkt arbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit einer Tumorbildung erhöht. Besonders Gesäugetumore, Mund- und Rachentumore sowie Leber- und Milztumore drohen nun wahrscheinlicher zu entstehen. Die Funktion von Gehör, Nase und Augen wird zunehmend schlechter. Auch der Geschmackssinn ist von Veränderungen betroffen, sodass einige Hundesenioren das Interesse an Futter verlieren bzw. eine Vorliebe für sehr geschmacksintensives Futter entwickeln.
Die Fellstruktur kann sich im Alter ändern und bietet so weniger Schutz vor Nässe. Durch einen beginnenden Haarausfall mangelt es oft an Unterwolle, sodass Hundesenioren nun sehr viel schneller frieren, als in jungen Jahren. Übelriechender Atem und Probleme bei der Futteraufnahme haben oft ihre Ursache in Zahnproblemen des betagten Hundes. Entzündungen des Zahnfleischs, Zahnstein, abgenutzte bzw. abgebrochene Zähne und Karies sind keine Seltenheit und machen eine Zahnbehandlung erforderlich. Auch die Haut des Hundeseniors verändert sich. Meist wird sie trockener und spröder. Lipome sind gutartige Fettgeschwülste, die nun vermehrt auftreten. Solange sie nicht sehr groß sind oder den Hund stören, müssen diese nicht behandelt werden.
Einige ältere Hunde sind nun nicht mehr in der Lage, ihren Harn oder Kot über einen längeren Zeitraum einzuhalten. Die Inkontinenz im Alter kann verschiedene Ursachen haben. Nierenerkrankungen, Diabetes oder Harnwegsinfektionen sind die häufigsten Auslöser für die nachlassende Stubenreinheit.
Auch das Gehirn ist vom Alterungsprozess betroffen. So lässt die Konzentrationsfähigkeit nach und ältere Hunde brauchen oft mehr Zeit, um sich auf neue Situationen einzustellen und neue Aufgaben zu verstehen. Nun kann es auch zu Verhaltensveränderungen kommen. Manche Hundesenioren reagieren jetzt massiver auf Reize oder werden unsicherer und ängstlich. Durch die abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit werden viele ältere Hunde sehr anhänglich und haben Probleme mit dem Alleinbleiben.
Erkennt der alte Hund plötzlich seine Besitzer nicht mehr oder verläuft sich in der Wohnung, dann leidet er wahrscheinlich an einer CDS, dem cognitive dsyfunction syndrome, eine der Alzheimer-Erkrankung ähnlichen Gedächtnisstörung. Orientierungslosigkeit, Apathie oder vermehrte Unruhe, zunehmende Vergesslichkeit und Inkontinenz sowie ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus können erste Anzeichen hierfür sein.
Viele Hundehalter möchten, dass ihr Hund seinen Lebensabend in Ruhe verbringen kann. Aber Bewegung sollte doch nach wie vor wichtig sein. - Was braucht ein Hund im Alter und wie kann man ihn beschäftigen, um ihn glücklich und gesund zu halten?
Die meisten Hunde haben kein Problem damit, älter zu werden. Vielmehr bereiten uns Hundehaltern die Veränderungen Sorgen und wir fürchten vermehrt um die Gesundheit unseres vierbeinigen Weggefährten.
Auch bei unseren Hunden gilt: „Wer rastet, der rostet“. Durch ein richtiges Maß an Bewegung bleiben nicht nur Muskeln, Gelenke und der Kreislauf in Schwung, es wird auch die Durchblutung aller Organe gefördert, sodass das Risiko für Übergewicht und Folgeerkrankungen sinkt. Darüber hinaus beeinflusst die regelmäßige Bewegung an frischer Luft die Psyche des Hundeseniors, denn durch die gemeinsamen Spaziergänge werden Stresshormone besser abgebaut. Hierbei gilt aber der Grundsatz, den alten Hund nicht zu überfordern. Lassen Sie Ihren Hundesenior mitentscheiden, denn er weiß am besten, wann eine Pause nötig ist. Gleichmäßigkeit spielt auch bei der Art der Bewegung eine zentrale Rolle, da so Überbelastungen vorgebeugt wird. Viele kurze Spaziergänge über den Tag verteilt sind effektiver als einmal täglich eine große Runde zu gehen. Ist Ihr älterer Hund eine Wasserratte, dann bieten sich Schwimmausflüge zum See an. Der gleichmäßige Bewegungsablauf und die Tragkraft des Wassers schonen die Gelenke und regen den Kreislauf an. Beim Schwimmen kann Ihr Hundesenior auch besser Maß und Tempo der Bewegung selber bestimmen. Vermeiden Sie aber diese Form der Bewegungstherapie in der kalten Jahreszeit.
Doch nicht nur eine angemessene körperliche Beschäftigung beeinflusst die Alterungsprozesse des Hundes, auch eine ausreichende geistige Belastung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Bei allen Beschäftigungen für ältere Hunde gilt: Kurze Übungseinheiten, rechtzeitige Pausen, Erfolgserlebnisse und Spaß sollten im Vordergrund stehen.
Aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit sind Suchspiele als Beschäftigungsform für viele Hundesenioren ideal. Verstecken Sie das Lieblingsspielzeug Ihres Hundes und lassen Sie es sich bringen. Werfen Sie eine Handvoll Futter auf eine Wiese oder den mit Laub bedeckten Waldboden und beobachten Sie Ihren Hundesenior, wie er freudig nach diesem stöbert. Bieten Sie Ihrem Hundesenior verschiedene Denksportaufgaben, bei denen seine Problemlösefähigkeit gefordert wird. Durch selbständiges Ausprobieren und das anschließende Erfolgserlebnis werden verschiedenste Hormone ausgeschüttet, die einer senilen Demenz vorbeugen.
Aufgrund der abnehmenden körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sind im Zusammenleben mit einem Hundesenior aber auch wiederkehrende Rituale wichtig. Schlaf- und Futterplatz sollten sich immer an derselben Stelle befinden. Feste Fütterungs- und Spazierzeiten geben dem älteren Hund im Alltag die nötige Sicherheit und Orientierung.
Irgendwann kommt der Zeitpunkt und der Hund signalisiert, dass die Zeit für ihn gekommen ist, zu gehen. Er zieht sich zurück, die Gelenke schmerzen, er ergibt sich seinen Altersleiden oder gar seiner Krankheit. Man weiß, dass man ihm einen würdevollen Abschied schuldig ist. Doch wann ist die Zeit gekommen, den Hund gehen zu lassen? Nach welchen Kriterien sollte man diese Entscheidung treffen?
Vor dieser Entscheidung graut es jedem Hundehalter und auch meine Frau und ich mussten diese Entscheidung bereits einmal treffen. Wann ist also der Tag gekommen, an dem die Lebensqualität des Hundes nicht mehr gegeben ist und ich meinen Hund gehen lassen muss? Hierauf gibt es keine eindeutige Antwort. Viele Hunde signalisieren jedoch, dass es jetzt Zeit ist, Abschied zu nehmen. Das Fressen wird eingestellt oder die depressiven und inaktiven Phasen nehmen überhand. Auch massive Schmerzen, für die es keine Linderung gibt, können eine Entscheidung zum Wohle des Hundes begünstigen. Unser Egoismus muss hintenangestellt werden, wenn es darum geht, den Zeitpunkt des Abschiednehmens festzulegen. Wir dürfen nicht die Lebensquantität auf Kosten der Lebensqualität unseres Hundes erhöhen. Falls Sie Zweifel haben, fragen Sie Menschen, die Ihren Hund gut kennen oder Ihren Tierarzt, ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Wenn nun aber der Tag gekommen ist, den treuen Gefährten gehen zu lassen, dann ist es die Pflicht des Hundehalters, ihn auf diesem letzten Weg zu begleiten. Viele Tierärzte kommen zu einem nach Hause und ersparen dadurch Hund und Mensch unnötigen Stress. Die gewohnte Umgebung macht das Abschiednehmen leichter. Ob Sie vorab einen letzten ausgiebigen Spaziergang mit Ihrem Hund unternehmen oder die letzten Stunden mit Schmuseeinheiten auf dem Sofa verbringen, auch hierbei gibt es keine mustergültige Lösung. Hören Sie auf Ihren Bauch und tun Sie das, was Ihrem Hund gut tut. Bleiben Sie bis zum letzten Moment bei Ihrem Hund und erleichtern Sie ihm so das endgültige Gehen.
Lassen Sie im Anschluss den Prozess des Trauerns bewusst zu. Versuchen Sie nicht, Ihre Traurigkeit zu unterdrücken. Erinnern Sie sich dabei aber an die schönen gemeinsamen Erlebnisse, von denen es im Zusammenleben mit Ihrem Hund mit Sicherheit etliche gab.
Folgendes Zitat des schottischen Dichters Walter Scott (1771-1832) bringt es abschließend treffend auf den Punkt: "Ich habe des Öfteren darüber nachgedacht, warum Hunde ein derart kurzes Leben haben, und bin zu dem Schluss gekommen, dass dies aus Mitleid mit der menschlichen Rasse geschieht. Denn da wir bereits derart leiden, wenn wir einen Hund nach zehn oder zwölf Jahren verlieren, wie groß wäre der Schmerz, wenn sie doppelt so lange lebten?“