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Verhaltensprobleme: Nur eine Frage der Zeit

Die Geschehnisse im April haben das Thema Hundehaltung nochmal ordentlich angeheizt. Und wie auch immer die Tatsachen sich nun abgespielt haben, fest steht: Hunde können für die Gesellschaft gefährlich werden. Und wie auch Autofahrer im Sinne der Allgemeinheit VOR dem Lenken eines Fahrzeugs über dessen Umgang geschult werden müssen, sollten auch Menschen VOR der Anschaffung eines Hundes mit der Verantwortung und dem richtigen Umgang vertraut gemacht werden, oder etwa nicht?

Leider hat der in manchen Regionen verpflichtende Hundeführschein bisweilen dazu geführt, bestimmte Rassen noch mehr zu stigmatisieren und in eine Ecke zu stellen. Wer dann die verpflichtende Prüfung bestanden hat, erweist sich als befähigt, einen „Kampfhund“ zu „führen“. 

Um hier gleich klare Worte zu finden: Es ist fachlich natürlich völlig inkorrekt ausschließlich gewisse Rassen anzuprangern und sie dann auf schwarzen Listen zu führen, die im Übrigen in jeder Region anders aussehen. Nach welchem Prinzip es die angeführten Hunde auf die Listen schaffen, bleibt übrigens auch unklar. Der langjährige Rasseanführer der Beißstatistik hat es jedenfalls nicht darauf geschafft. 

Unterm Strich könnte man zu jeder Rassegruppe Vor- und Nachteile aufzählen. Auch Kampfhunde haben Eigenschaften, die sie im ersten Moment nicht super kompatibel erscheinen lassen. Sie wurden früher(!) für Kämpfe gegen Hunde, Bullen, Bären und Co. gezüchtet, weswegen ihnen bis heute oft unter anderem geringes Drohverhalten aber eine relativ hohe Frustrationstoleranz zugesprochen wird. Eine Eigenschaft, die sie jedenfalls nicht besitzen durften, war Aggressionsverhalten gegenüber Menschen. Da sie sich in den Kämpfen oft so fest in ihrem Gegner verbissen haben, konnten sie nur durch menschliche Hilfe getrennt werden. Da war gänzlich unbrauchbar, den Menschen zu verletzen. Mindestens ebenso riskant für die Gesellschaft können übrigens Eigenschaften wie die oft geringe Frustrationstoleranz bei Hütehunden, die ausgeprägte territoriale Motivation bei Haus- und Hofhunden, die „Mannschärfe“ so mancher Jagdhunde oder die häufige Unsicherheit bei kleinen Gesellschaftshunden sein. Beißkraft hin oder her: Wenn ein kleiner Terrier verletzen will, kann er das sehr wirkungsvoll tun.

Es sollen hier natürlich keineswegs Ängste geschürt oder bestimmte Hunderassen an den Pranger gestellt werden. Vielmehr geht es darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es nicht erst bei der Haltung eines Hundes darum geht, sich mit dessen Verhalten zu beschäftigen.

Es sollte also angestrebt werden, bereits vor der Aufnahme eines Hundes Schulungen zur Auswahl des richtigen Hundes verpflichtend anzubieten. Quasi als Modul I des Hundeführscheins. In diesem Modul sollte dann über die Eigenschaften und Bedürfnisse der verschiedenen Rassegruppen aufgeklärt werden und nicht zuletzt darauf hingewiesen werden, was bei der Auswahl des richtigen Hundes, egal ob vom Züchter oder Tierheim, beachtet werden sollte. Der niedlichste Labradorwelpe eines unseriösen Züchters wird im späteren Leben höchstwahrscheinlich große soziale Defizite aufweisen, wohingegen ein Staffordshire Bullterrier aus einer verantwortungsvollen Zucht ein super kompatibler Hund sein kann.

Ein weiteres Modul eines verpflichtenden Hundeführscheins sollte eine praxisnahe Schulung in puncto Körpersprache und Kommunikation von Hunden sein. Ob mit oder ohne Nachweis: Jeder Hundehalter sollte seinen Hund und auch andere Vierbeiner richtig verstehen können, um richtig auf verschiedene Umstände reagieren zu können. Es geht also nicht vorrangig darum, seine auswendig gelernte Sachkunde zu beweisen oder dem Hund Sitz-Platz-Bleib beizubringen, sondern vor allem darum, richtig zu entscheiden, ob seinem Vierbeiner gewisse Situationen überhaupt zuzumuten sind. Wenn der Hundehalter seinen Hund gut einschätzen kann und richtig zu agieren weiß, würden viele Hundekonflikte dieser Welt erst nicht entstehen.

Zugegeben, das alles klingt sehr selbstverständlich und womöglich glaubt jeder Hundemensch, auch seinen Hund richtig zu verstehen, wie auch ich, bevor ich mich intensiv damit beschäftigt habe und eines Besseren belehren ließ. Und leider beweisen viele Menschen auf den Hundewiesen dieser Welt ihre Laienhaftigkeit auch täglich aufs Neue. Ich kann mir dann immer nur an den Kopf greifen, wie falsch und vermenschlicht so manche Begegnungen gedeutet werden. Ohne eine Verpflichtung auf solche Kurse wird sich nur leider nichts ändern. 

Die Vorstellung, wie viele Menschen mit Hunden zusammenleben, die nicht richtig verstanden, gehalten und erzogen werden, lässt einen wirklich traurig werden. Dass es dadurch häufig zu unerwünschter Aggression, Verhaltensstörungen und anderen Problemen mit unseren Hunden kommt, ist doch völlig selbstverständlich und im Prinzip nur eine Frage der Zeit.

 

 

 

Artikel meiner Kollegin Conny Sporrer (DOGS Hundeschule Wien)