Hundesalon - Ja oder Nein?
Expertenbeiträge
Ein Artikel von Giulia Lautz (Martin Rütter DOGS Wil/St. Gallen)
Für jede Rasse ist ein Rassestandard festgelegt, in dem das Aussehen, angefangen von der Körperform über Größe und Gewicht bis hin zum Haarkleid, also der Fellart, Felllänge sowie Fellfarbe, beschrieben wird.
Abweichungen vom Standard gelten dabei als Fehler, bei starken Abweichungen wird der Hund nicht zur Zucht zugelassen. Damit will man erreichen, dass eine Rasse ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild hat und ein Hund allein aufgrund seines Aussehens eindeutig einer Rasse zugeordnet werden kann. Ursprünglich entwickelten sich Rassen – und dementsprechend auch der Rassestandard – aufgrund von charakterlichen Eigenschaften, der Mensch brauchte Hunde, die ihm bei der Jagd, beim Hüten oder bei anderen Aufgaben im Arbeitsalltag von Nutzen waren. Im Laufe der Zeit änderte sich dies jedoch gravierend: Hunde werden heutzutage kaum noch in ihrem ursprünglichen Aufgabenbereich eingesetzt. Vielmehr leben sie in der Familie und sind einfach nur Begleiter des Menschen, die dem Menschen gefallen müssen, und das insbesondere in Bezug auf das Aussehen. Die Zucht von Hunden richtete sich also immer mehr am persönlichen Geschmack des Menschen aus, sodass viele Hunderassen heutzutage kaum noch Ähnlichkeiten mit ihren Vorfahren von vor 50 Jahren haben. Gefragt war, was niedlich und kuschelig ist, und dazu gehörte leider auch immer dickeres, dichteres und längeres Fell. Doch auch wenn der Kuschelfaktor beim Hund damit immer größer wurde, bringt ein solches Fell doch auch einige Nachteile mit sich, angefangen von ständiger und aufwendiger Pflege bis hin zu deutlicher Beeinträchtigung des Hundes im Alltag. Ob ein solches Zuchtkriterium daher immer auch für den Hund positiv ist, darüber lässt sich streiten.
Beim Hund unterscheidet man die Fellart in Bezug auf Länge und Beschaffenheit, es gibt die Fellarten „Kurzhaar“ und „Langhaar“, zudem unterscheidet man zwischen „Drahthaar“ bzw. „Rauhaar“ und „Glatthaar“. Außerdem wird das Fell in Bezug auf Vorhandensein von Unterwolle unterschieden, so besteht das Fell beim „Stockhaar“ aus dem Deckhaar (dem sogenannten Grannenhaar oder Leithaar) und der Unterwolle (dem sogenannten „Wollhaar“). Stockhaarige Hunde, wie z. B. der Golden Retriever, der Labrador Retriever und der Deutsche Schäferhund, haben also dickes, hartes Deckhaar sowie dichte, feine Unterwolle. Durch diesen Aufbau verfängt sich die Luft im Fell, sodass eine gute Thermoregulation gewährleistet wird bzw. aufgrund der Fetthaltigkeit des Deckhaars das Fell wasserabweisend ist und der Hund so gut bei nass-kaltem Wetter geschützt wird.
Bei kurzhaarigen Hunden, wie z. B. den English Pointer oder den Magyar Vizsla, bei denen das Haar gerade einmal wenige Millimeter lang ist, gibt es keine bzw. kaum Unterwolle. Diese Hunde sind damit absolut pflegeleicht! Allerdings fällt das kurze Haar bereits nach wenigen Wochen (6 bis 12 Wochen) aus, sodass häufig Haare in der Wohnung zu finden sind, die sich auch gerne fest im Stoff von Sofa, Teppich, etc. verfangen. Der Wohnungsputz wird dadurch unter Umständen aufwendiger!
Bei langhaarigen Hunden unterscheidet sich die Felllänge je nach Rasse, von mittellang wie beim Briard oder beim Pudel bis hin zum bodenlangen Fell des Maltesers gibt es alle möglichen Varianten. Einige langhaarige Hunde, wie z.B. der Yorkshire Terrier, haben dabei keinen jahreszeitlich bedingten Fellwechsel, diese Hunde haaren also nicht regelmäßig mehrfach im Jahr. Das Fell bedarf jedoch aufwendiger Pflege, damit es nicht verfilzt. Wer sich also einen langhaarigen Hund kauft, muss diesen regelmäßig bürsten sowie Blätter und Stöckchen auskämmen. Doch nicht jeder Mensch und auch nicht jeder Hund findet diese tägliche und z. T. stundenlange Prozedur angenehm. Bedeutet das nun, dass man sich in diesem Fall keinen Hund einer solchen Rasse kaufen darf? Um diese Frage zu beantworten, muss man überlegen, ob ein Kürzen des Fells für den Hund von Nachteil ist. Im Gegensatz zu rauhaarigen Hunden oder Hunden mit Unterwolle führt das Kürzen des Fells bei langhaarigen Hunden nicht zu einem Nachteil, das Fell wächst weiterhin gleichmäßig nach, die Struktur des Fells verändert sich nicht. Wenn man nun noch bedenkt, dass im Winter der Schnee am langen Fell hängen bleibt und Klumpen bildet, sodass die Hunde z. T. nicht mehr laufen oder sitzen können, im Frühling und Herbst Ästchen und Blätter hängen bleiben und sich im Fell verknoten sowie im Sommer den Hunden durch das lange Fell die Hitze zu schaffen macht, dann gibt es doch genügend Gründe um langes Fell zu kürzen. Auf welche Länge genau muss dabei von Fall zu Fall entschieden werden. Langes Fell folgt mit Sicherheit nicht der Devise „form follows function“, also dem Prinzip, dass die Funktion die Form vorgeben soll. Das bedeutet nichts anderes, als dass es keinen sinnvollen Grund gibt, warum Hunde sehr langes Fell besitzen, außer dem, dass dem Menschen diese Fellvariante gut gefällt. Natürlich gibt es aber auch Menschen und Hunde, die das Pflegeritual genießen – dann ist es optimal für beide Seiten. Auch wer mit seinem Hund züchten möchte, muss sich an die im Standard vorgegebene Felllänge halten, in diesem Fall ist die aufwendige Pflege dann unabdingbar.
Fazit ist: Wenn also der Yorkshire Terrier oder Malteser aufgrund der Rasseeigenschaften und des Charakters dieser Hunde ideal zu einer Familie passt, gibt es keinen Grund auf einen solchen Hund zu verzichten, wenn man zur aufwendigen Fellpflege nicht bereit ist. Allerdings sollte der Besuch des Hundefrisörs dann von Welpe an geübt werden, damit der Hund in kleinen Schritten an das Kürzen bzw. Scheren des Fells gewöhnt werden kann! Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass die meisten Halter von langhaarigen Hunden ihren Hund nicht nach dem vorgegebenen Rassestandard scheren lassen, sondern eine praktische „Kurzhaarfrisur“ bevorzugen! Diese wird dann häufig auch an die Jahreszeiten angepasst, im Sommer darf sie gerne etwas kürzer sein als im Winter, sodass die Hunde im Sommer die Hitze besser ertragen, im Winter aber ausreichend Kälteschutz vorhanden ist. Natürlich fühlt sich ein Hund direkt nach dem Scheren im ersten Moment „ungewohnt“ anders, das kurz zuvor noch üppig vorhandene Fell fehlt ja auf einmal. Unser Hund Tiago, der regelmäßig geschoren wird, rollt sich die ersten zwei Tage nach dem Scheren immer eng zusammen beim Schlafen. Danach liegt er jedoch – wie zuvor auch – der Länge nach ausgestreckt, das kürzere Fell stört ihn überhaupt nicht mehr.
Da auch geschorenes bzw. geschnittenes Haar wieder nachwächst, muss der Hund eigentlich auch nach der Schur regelmäßig gebürstet werden, damit das Fell nicht verfilzt. Vorteil des kürzeren Fells ist, dass auch die Pflege nun nicht so lange dauert und damit viel weniger aufwendig ist als bei langem Fell. Ist jedoch selbst dafür keine Zeit vorhanden bzw. hat der Hund auch damit große Probleme, also z. B. starke Angst vor dem Bürsten, können bei regelmäßigem Besuch des Salons eventuell verfilzte Stellen direkt mit herausgeschnitten werden.
Bei einigen langhaarigen Hunderassen gibt es sehr eigenwillige Schuren. Hierfür ist insbesondere der Pudel bekannt, angefangen von der modernen Schur bis hin zur Löwenschur, bei dem das Fell an der Hinterhand bis zu den Rippen kurz geschoren wird. Welche Schur man bevorzugt, muss jeder Mensch für sich entscheiden. Solange genügend Fell belassen wird, dass keine Sonnenbrandgefahr droht, spielt die Länge des Fells für den Vierbeiner selbst keine Rolle. Auch wenn viele Menschen eine solche Schur als hässlich ansehen, hat der Hund kein solches Empfinden dafür. Allerdings sollte eine Schur auch nicht dazu führen, dass andere Hunde den Hund „anders“ wahrnehmen und dann z. B. mit Aggression auf ihn reagieren.
Da ich auch als Hundetrainer tätig bin, muss ich jedoch noch auf einen weiteren Aspekt bei langhaarigen Hunden hinweisen: Die Kommunikationsfähigkeit, sowohl dem Menschen gegenüber als auch im Kontakt mit Artgenossen. Bei vielen langhaarigen Hunderassen, wie z. B. dem Briard, soll laut Rassestandard auch das Fell am Kopf, und hier insbesondere im Bereich der Augen, sowie am Fang, lang belassen werden. Langes Fell über den Augen behindert den Hund jedoch beim Sehen, es verhindert aber auch, dass das Gegenüber den langhaarigen Hund einschätzen kann. Ein Hund kann mit den Augen so viel ausdrücken, er kann das Gegenüber starr fixieren, kann beschwichtigend wegschauen, die Augen vor Angst weit aufreißen oder aber auch einfach nur freundlich und entspannt blicken. Damit es nun nicht zu Kommunikationsmissverständnissen kommt, sollte man bei diesen Hunden die langen Haare über den Augen regelmäßig kürzen. Dies ist allerdings laut Rassestandard nicht erlaubt! In dem Fall können die langen Haare über den Augen mit einem kleinen Haargummi zusammengehalten werden. Leider findet das nicht jeder Hund angenehm. Zudem wird durch das Zusammenbinden der Haare auch die Kommunikation mit den feinen Gesichtsmuskeln erschwert. Ein Gummiband sollte daher nur dann genutzt werden, wenn der Hund aufgrund des Zuchteinsatzes ausgestellt werden soll. Im Grunde genommen ist es aber auch längst an der Zeit, solche Rassestandards zu überprüfen. Ein Kriterium, welches den Hund in seinem Verhalten so stark einschränkt, aber keinen wirklichen Nutzen hat, sollte nicht Bestandteil eines Rassestandards sein! Auch langes Fell um den Fang behindert die Kommunikation: Wird Knurren mit Zähne zeigen unterlegt ist dieses visuelle Zeichen für das Gegenüber nicht sichtbar. Das bedeutet, dass der andere Hund erst anhand der weiteren Reaktion merkt, dass der Hund gedroht hat. Schnell kann dies dann zu Kommunikationsmissverständnissen führen – der Hund hat „aus dem Nichts heraus“ gebissen. Dabei wurde das Drohverhalten des Hundes einfach nur nicht gesehen.
Neben der unterschiedlichen Felllänge gibt es beim Hund auch unterschiedliche Fellstrukturen. Beim Drahthaar (Länge bis 2,5 cm) bzw. Rauhaar (Länge ab 2,5 cm) handelt es sich im Gegensatz zum Glatthaarfell um borstiges, enganliegendes Deckhaar, bei dem ein neues Haar aus dem gleichen Haarfollikel herauswächst, in dem das alte Haar noch drin steckt. Das alte Haar bleibt im Follikel stecken, stirbt ab und wird daher von der Farbe her blasser. Ist das Deckhaar „reif“, also abgestorben, sitzt es locker in der Haut, fällt aber nur teilweise aus und führt daher zu einem starken Juckreiz beim Hund. Viele Hunde scheuern sich dann gerne und versuchen so, das überschüssige Fell loszuwerden. Das Fell muss nun „getrimmt“ werden, dabei wird das abgestorbene Haar von Hand herausgezupft. Dies tut dem Hund im Normalfall nicht weh, da das Fell ja lose in der Haut sitzt. Allerdings sollte ein Hund auch an die Prozedur des Trimmens von Welpe an gewöhnt werden, denn unter Umständen kann dies beim großen Hund über vier Stunden lang dauern! Zudem gibt es immer wieder auch einige Stellen, an denen das Haar etwas fester sitzt und nicht gut herausgezupft werden kann, das dabei entstehende Ziepen wird von vielen Hunden als unangenehm empfunden.
Natürlich kann man solche Hunde nun auch scheren, allerdings verändert sich dabei bei den meisten Rassen die Haarstruktur, das Haar wird weicher. Draht- bzw. rauhaarige Rassen wurden ursprünglich meist als Jagdhund eingesetzt, wie z. B. viele Terrier. Das dicke, harte Haar bietet dem Hund einen für seinen Arbeitsbereich idealen Schutz, es ist wasser- und schmutzabweisend und bietet Schutz vor Verletzungen. Wird ein Hund daher aktiv als Jagdhund eingesetzt, darf der Hund keinesfalls zu kurz geschoren werden. Zudem wird das Fell des Hundes durch eine Schur farblich heller. Dies liegt daran, dass sich die meisten Farbpigmente in den Haarspitzen befinden. Zudem werden die alten, abgestorbenen, helleren Haare durch das Scheren ja nicht entfernt. Dies ist auch der größte Nachteil des Scherens solcher Hunde, das alte, abgestorbene Haar verbleibt unter Umständen sehr lange in der Haut, das neue Haar kann nicht durchbrechen. Dies kann andauernden Juckreiz verursachen. Zudem kann es auch oft dazu kommen, dass nach mehrfacher (bei einigen Rassen bereits nach ein- oder zweimaliger) Schur das Fell gar nicht mehr getrimmt werden kann. Es muss also immer individuell je nach Rasse und Hund entschieden werden, welche Vor- bzw. Nachteile überwiegen. Wir haben in unserem Kundenstamm allerdings noch keinen draht- bzw. rauhaarigen Hund erlebt, der nach dem Scheren krank geworden ist. Hat ein Hund Probleme mit der Prozedur des Trimmens, sollte man sich daher für ein Scheren entscheiden. Das Scheren des Hundes dauert oft nur halb so lange wie das Trimmen, es ist für den Hund weniger unangenehm (kein Ziepen) und damit in der Regel weitaus stressfreier!
Einige Kunden suchen allerdings den Salon auf, weil das Fell des draht- bzw. rauhaarigen Hundes für eine Ausstellung die richtige Länge haben oder im Urlaub möglichst kurz und pflegeleicht sein soll. Niemals jedoch darf Fell getrimmt werden, dass noch gar nicht reif ist. Die Haare sitzen so fest in der Haut, dass dies zu nackter Haut und blutigen Stellen führt, aus denen sich nicht selten auch Trimmekzeme entwickeln. Ein solches Trimmen ist dann sehr schmerzhaft für den Hund und kann häufig nur durchgeführt werden, indem der Hund komplett fixiert und mit Maulkorb gesichert wird. Solche Maßnahmen sind natürlich absolut abzulehnen, ein seriöser Salon wird einen solchen Kunden immer ohne Zögern nach Hause schicken!
Welches Fell ihr Hund auch hat, immer sollte die Pflege nicht nur auf die Fellart und den jeweiligen Rassestandard abgestimmt sein, sondern vor allem auch individuell auf den jeweiligen Hund. Kann ich einem Hund mithilfe einer Schur / Frisur den Alltag erleichtern bzw. ihm zu normalem, arttypischem Verhalten verhelfen, sollte dieser Aspekt immer vor dem Einhalten des Rassestandards stehen.