Kastration - Löst sie Probleme?
Noch immer kursieren Pauschalargumente, wonach eine Kastration verhindern würde, dass der Hund Aggressionsverhalten oder streunendes Verhalten entwickeln könnte. Dass Aggressionsverhalten jedoch nicht immer auf Sexualverhalten zurückzuführen ist und Hunde übrigens auch zum Jagen abhauen, wird dabei nicht berücksichtigt.
* Der vorliegende Beitrag bezieht sich nicht auf Kastrationen, Sterilisationen oder anderweitige medizinische Eingriffe aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit und/oder Indikation!
Hypertrophiert sexuelles Verhalten - Was bedeutet das?
Nur, weil dein Hund bei anderen Hunden, Menschen oder Gegenständen schon aufgeritten ist und sich schwieriger konzentrieren kann, wenn eine läufige Hündin in der Nähe ist, heisst das noch lange nicht, dass er/sie hypersexuell ist!
Sexualverhalten ist zunächst einmal ein ganz normales Verhalten, dass zu den verschiedenen Grundmotivationen von Hunden gehört. Ausserdem gehört Aufreiten nicht einzig zum Spektrum Sexualverhalten, sondern kann drüber hinaus bspw. auch zum Zwecke der Bewegungseinschränkung aus territorialer Motivation gezeigt werden.
Hinzu kommt, dass Sexualverhalten oftmals auch eine Frage des Rangstatus ist. So ist es problemlos möglich, dass in einem gut funktionierenden Hunderudel mehrere unkastrierte Tiere leben. Zur Verpaarung berechtigt ist nämlich nicht jeder, sondern nur die ranghöchsten Hunde. Dies setzt jedoch ein gut strukturiertes und funktionierendes Rudel voraus!
Allerdings ist gerade dies im Zusammenleben Mensch-Hund oft das Problem. Viele Menschen verpassen es, im Alltag klare Strukturen zu etablieren und die relevanten Aufgaben und Verantwortungen zu übernehmen. So passiert es viel zu oft, dass der Hund - mangels Handeln des Menschen - die Aufgabenlücken füllt und diese selbständig übernimmt. Als Folge kann es dann auch soweit kommen, dass der Hund den "Partner Mensch" für sich beansprucht und dieses Privileg durchsetzt. Je nach Hund, Rasse und genetischen Veranlagungen ist die Übernahme anderer Aufgaben unterschiedlich wichtig und relevant. Es ist hier also der Einzelfall von entscheidender Bedeutung!
So ist es mit der richtigen, konsequenten Erziehung und der "menschlichen Übernahme" der relevanten Aufgaben und Strukturen nämlich möglich, den Hund auch in sexueller Hinsicht zu erziehen.
Eine gute Portion an Frustrationstoleranz ist ein "absolutes Muss"!
Zur richtigen und konsequenten Erziehung gehört auch dazu, dass ein Hund ganz generell lernen muss, dass die bestehenden Bedürfnisse nicht immer sofort und "auf jetzt gleich" erfüllt werden.
So ist es unumgänglich dass Hunde lernen, mit Frust umzugehen, auch auf sexueller Ebene. Ein Hund muss in der Lage sein, die Gesellschaft gleichgeschlechtlicher Konkurrenten zu dulden und nicht bei jeder Anwesenheit eines Hundes des anderen Geschlechts "hallo sagen" und Kontakt aufnehmen zu müssen. Allerdings verpassen es bereits viele Menschen, ihrem Hund beizubringen, dass der "Lieblingsball" nicht sofort fliegt, nur, weil man ihn in der Hand hält.
Kann Hypersexualität zu Aggressionsverhalten führen?
Die Antwort lautet "ja". Übermässiges Sexualverhalten kann zu Aggressionsverhalten führen. Damit eine Kastration überhaupt Hilfe verschaffen kann, muss vorgängig klar eruiert worden sein, dass das Sexualverhalten der Auslöser und die Ursache für das Aggressionsverhalten sind und nicht bspw. eine territorial-motivierte Aggression.
Wann macht eine Kastration Sinn?
Unabhängig medizinischer Indikationen (!) kann eine Kastration Abhilfe verschaffen, wenn der Hund trotz entsprechender Trainings- und Erziehungsmassnahmen an massivem Dauerstress, Appetit- und Schlaflosigkeit aufgrund hypersexuellen Verhaltens leidet.
Ein “normal-sexuell-motivierter” und intakter Hund weiss, ob es sich beim Gegenüber, um einen Rüden, eine Hündin, einen kastrierten Rüden oder eine kastrierte Hündin handelt. Es gibt allerdings auch Hunde, die derart sexuell sind, sodass sie sich gar nicht mehr arttypisch mit dem Gegenüber befassen können, sondern einzig ihre sexuellen Bedürfnisse durchsetzen.
Bei stark ritualisiertem Verhalten muss allerdings angemerkt werden, dass auch eine Kastration ihre Grenzen hat. Ritualisierte und erlernte Verhaltensweisen bleiben ritualisiert und werden nicht "gelöscht", nur, weil die entsprechenden Hormone "weg" sind.
Zum Schluss sei auch nochmals darauf hingewiesen, dass Hormone nicht nur für den physiologischen Teil eine wichtige Bedeutung spielen, sondern auch auf der Verhaltensebene nicht zu unterschätzen sind. Eine Kastration kann letztlich immer nur eine unterstützende Massnahme sein und stellt keine "Alleinlösung" dar.
Wusstest du, dass es nebst der Kastration auch die Sterilisation gibt?
Bei der Sterilisation bleiben die Geschlechtsorgane intakt, einzig die Eileiter bzw. Samenstränge werden quasi "unterbrochen". Bei der Kastration hingegen werden die sowohl bei der Hündin, als auch beim Rüden die Geschlechtsorgane entfernt.
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