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Mein Hund will mit jedem Hund spielen - Ein möglicher Trainingsweg

Frauchen meldet sich in unserer Hundeschule, da sie den Fuss operieren musste und aktuell nur wackelig auf den Beinen steht. Bello hingegen freut sich immer ausgiebig, wenn er andere Hunde sieht – ganz besonders seine beste Freundin Luna. Er springt dabei gerne in die Leine und zieht so stark, dass Frauchen sich nicht mehr halten kann und Bello kaum noch Luft bekommt. Für Frauchen ist die Situation nicht mehr ertragbar. 

Viel Frust und wenig Geduld bei Hundebegegnungen

So wird Bello am heutigen Tag durch die Leine, welche Frauchen in der Hand hält, daran gehindert, seiner liebsten Hundefreundin Luna «hallo zu sagen» und mit ihr toben zu können. Der Wunsch, mit Luna zu rennen und zu springen, scheint somit für Bello unerfüllbar zu werden. Es entsteht Frust in ihm, denn normalerweise kann er immer gleich losrennen und mit Luna wilde Runden drehen. Er hat also nie gelernt, entspannt an der Leine neben Luna zu spazieren oder einfach ruhig und geduldig zu warten, bis Frauchen die Leine los macht. 

Da sich auch die beiden Frauchens gut miteinander verstehen, waren sie oftmals so tief in Gespräche versunken und haben sich selber gefreut, sich zu treffen, sodass sie die ersten Zeichen von forderndem und frustriertem Verhalten gar nicht mitbekommen haben. 

Der Ursprung des Problems

Angefangen hat es nämlich einmal damit, dass Bello, sobald er andere Hunde sah, folgende Verhaltensweisen zeigte:

  • (Leises) Fiebsen, später lauteres Fiebsen und am Ende sehr hohes und schnell aufeinander folgendes Bellen;
  • Schlechter ansprechbar sein und Grundsignale, wie z.B. «Sitz» nur noch langsamer ausführen können;
  • Hibbelig werden;
  • Tempo erhöhen, um schneller ganz nah bei den Hunden zu sein;
  • Beim Ableinen gleich davon rennen;
  • usw.

«Die Frauchens» der beiden Hunde haben es somit nie geübt, Bello und Luna auch mal nicht miteinander spielen zu lassen und entspannt an der Leine spazieren zu gehen und sie erst dann in den Freilauf zu schicken, wenn beide (!) ruhiges Verhalten zeigen. Oftmals fehlte ihnen entweder die Zeit, die Geduld oder aber das gegenseitige Verständnis dafür. Denn es ist doch so schön, die Hunde springen zu lassen und wie praktisch, «dann sind sie danach auch müde»! 

Auch wird Frauchen zu Hause ziemlich sicher auf viele Forderungen von Bello - wenn auch unbewusst - eingehen. Wer fühlt sich hier ertappt? 

  • “Dein Hund stupst an deiner Hand - Du streichelst ihn!”
  • “Dein Hund nimmt ein Spielzeug und wirft es durch die Wohnung - Du spielst mit ihm.”
  • “Du schickst deinen Hund auf seine Liegestelle - Er legt sich woanders hin und du denkst ‘okay’." 

Nun aber hat Frauchen das Problem, dass Bello nie gelernt hat, die Anwesenheit anderer Hunde entspannt zu ertragen. Vielmehr ist seine Erwartungshaltung, dass er mit allen Hunden spielen darf – Was nun aber im Moment nicht mehr möglich ist. Es entsteht Frust, den Bello über lautes Bellen und herumspringen kundtut. Da Frauchen auf diesen nicht eingehen kann – sie leint ihn nicht ab – und seine Erwartungshaltung somit nicht erfüllt, lässt Bello seinen Frust an Frauchen aus. Er springt sie an, beisst in die Leine und in ihre Arme. Frauchen geht es nun zu weit, weshalb sie ins Training einsteigen möchte. 

Was könnte ein möglicher Trainingsweg sein, bzw. könnte Bestandteil eines Trainingsplan von Frauchen und Bello werden?

Ein möglicher Trainingsweg

Impulskontrolltraining und Steigerung der Frustrationstoleranz

Der Begriff «Frust» leitet sich aus dem Lateinischen «frustra», was «vergeblich» bedeutet, ab. Frust entsteht bekanntermassen dann, wenn ein Lebewesen sich etwas wünscht oder sich ein Ziel setzt und dieser Wunsch bzw. dieses Ziel dann nicht erreicht werden kann.

Weshalb die Ziele oder Wünsche nicht erreicht werden können, kann an inneren oder äusseren Gründen liegen. Innere Gründe wären bspw. die Selbstüberschätzung, wogegen als äussere Gründe das Versagen von Wünschen durch andere genannt werden kann. 

Die Fähigkeit, frustrierende Bedingungen entspannt ertragen zu können, ist nicht nur genetisch bedingt, sondern unterliegt als Charaktereigenschaft auch Lernverhalten und Umweltbedingungen. Es ist mit anderen Worten möglich, durch Training einem rassebedingt weniger «nervenstarken» Hund beizubringen, eine gewisse Portion an Frust aushalten zu können. Die Frustrationstoleranz kann also durch gezieltes Training gestärkt werden. 

Dabei spielt das «Warten-lassen» eine grosse Rolle. So kann durch ein Impulskontrolltraining dem Hund das kleinschrittige – aber stetig und immer längere – Aushalten von bestimmten Situationen, Reizen, Erwartungen, usw. beigebracht werden. 

Bello muss lernen, dass seine Erwartungen nicht immer sofort und gleich erfüllt werden. So sind bspw. Übungen, bei welchen Frauchen ihm einen Reiz präsentiert, er aber nicht umgehend dorthin darf, sondern stattdessen etwas anderes zuerst tun muss, essenziell.

Darüber hinaus muss Bello  lernen, dass er immer nur dann mit seinen Hundefreunden spielen darf, wenn er ruhiges Verhalten zeigt (das heisst auch, dass er nicht fiebsen darf), was viel Geduld und Zeit in Anspruch nehmen wird. 

Beziehungsstärkung und Stressabbau

Unterstützend wäre es sinnvoll, für eine Zeitlang die Beschäftigung und das Spiel auf die Zusammenarbeit mit Frauchen zu beschränken. So lernt Bello nämlich, dass er die tollsten Spiele und Momente mit Frauchen draussen erleben darf und gar nicht mit anderen Hunden – letztlich ist sie ja auch sein wichtigster Sozialpartner. 

Ausserdem festigt sinnvolle Beschäftigung die Beziehung und wirkt stressreduzierend, was wiederum das entspannte Aushalten von Situationen begünstigt. Steht man nämlich unter Dauerstress, so ist man auch leichter reizbar.

 

Leinenführigkeit trainieren

Ausserdem wäre es sinnvoll ein Leinenführigkeitstraining zu starten mit dem Ziel, auch bei Hundebegegnungen entspannt an der Leine zu laufen. Dieses setzt wiederum ein Impulskontrolltraining und eine gute Ansprechbarkeit voraus. Denn: Ist Bello nicht in der Lage auszuhalten, dass er sitzen muss und Frauchen versteckt Leckerlis, so wird es dynamisch beim «Fuss-Laufen» ebenso wenig möglich sein, die Anwesenheit von anderen Hunden auszuhalten.

Klare Regeln und strukturierte Erziehung

Gleichzeitig muss Frauchen aber auch zu Hause üben und trainieren. Letztlich wird sie Bello in Hundebegegnungen nicht einschränken können, wenn sie zu Hause auch nicht in der Lage ist, Regeln aufzustellen und diese konsequent umzusetzen. So wird es wichtig sein, dass Bello lernt, auch zu Hause sich von Frauchen einschränken zu lassen und dies insb. in punkto «Bewegungsfreiheit». Denn nichts anderes passiert auf dem Spaziergang, wenn Frauchen ihn nicht zu anderen Hunden lassen kann. Es wird also grundlegend sein, dass Frauchen zu Hause in der Lage ist, Bello auf eine vordefinierte Liegestelle zu schicken (Einschränken der Bewegungsfreiheit) und parallel nimmt sich Frauchen das Privileg, sich frei in der Wohnung zu bewegen.

Beim Deckentraining geht es nämlich darum, dass die Hunde lernen, sich von uns Menschen in gewisser Hinsicht auch einschränken zu lassen. Sie sollen uns nicht überall hinterherlaufen und kontrollieren, vielmehr sollen sie diesen "Job" ablegen und zu Hause entspannen. Wichtig ist, dass der Mensch die Liegestelle definiert und sich die Hunde nicht einfach "irgendwo" hinlegen. Die Liegestelle sollte an einer nicht strategischen Position sein. Es geht letztlich um die Frage, wer territoriale und soziale Verantwortung übernimmt und in dieser Hinsicht Entscheidungen trifft. Genau dies benötigt ihr nämlich auch bei Besuch, sowie draussen z.B. bei den Hundebegegnungen, für den Rückruf, usw.. Ihr kommt also ohne klare Strukturen zu Hause auch draussen nicht voran.

Darüber hinaus wird es wichtig sein, dass Frauchen Bello stärker ignoriert, da er offenbar ja gelernt hat, dass seine Forderungen erfüllt werden. Kommt er also zu Frauchen, stupst an ihrer Hand, so ist sie gut beraten, ihn einfach mal nicht zu streicheln und seine Forderung nicht zu beachten. Gleiches gilt, wenn Bello ein Spielzeug durch die Wohnung trägt oder witzig im Wohnzimmer herumspringt. Lernt der Hund nämlich, dass auf jede Handlung von ihm eingegangen wird, so lernt er ziemlich schnell, dass wir Menschen einfach zu lenken sind. Es gilt also die Devise «Willst du gelten, mach dich selten!». 

Unser Fazit

Es ist klar, dass dies nur ein Beispielfall ist. Für einen nachhaltigen Trainingsplan muss noch viel stärker und individueller auf Mensch und Hund eingegangen werden. Der Praxisfall zeigt allerdings ebenso gut, dass es für den Trainingswunsch: «Mein Hund springt in die Leine, wenn er andere Hunde sieht!» mehr bedarf, als einzig das Training der Situation «Hundebegegnungen».