Die Pubertät und ihre Schwierigkeiten
Kommt dir das bekannt vor?
Erst gerade war Dein Hund ein süsser, kleiner und watscheliger Welpe, der sich vorbildlich benommen hat. Doch nun, beinahe von Heute auf Morgen, entfernt er sich immer weiter von dir, hat seinen Namen plötzlich vergessen und kommt auch nicht mehr zurück, wenn du ihn rufst. Andere Hunde sind plötzlich viel interessanter und auch zu Hause benimmt sich dein Hund grenzenlos.
An was erkenne ich "den Start der Pubertät"?
Die Pubertät ist Teil der Adoleszenz, das heisst der Entwicklung vom "kindlichen" Welpen zum erwachsenen Hund. Die Entwicklungsphasen "Pubertät" und "Adoleszenz" können nicht schematisch voneinander getrennt werden - sie greifen fliessend ineinander über.
Die Pubertät beginnt nach der Welpenzeit. Dies ist je nach Rasse und von Hund zu Hund individuell unterschiedlich. Indikator ist unter anderem der Zahnwechsel, der zwischen dem vierten und siebten Lebensmonat einsetzt. Der Rüde beginnt ungefähr auch in dieser Zeit das "Beinchen zu heben", zeigt sich interessierter für Markierungen anderer Hunde und wird allgemein in seinem Verhalten ruppiger. Wogegen bei der Hündin ein offensichtlicher Indikator die Läufigkeit ist.
Ganz allgemein werden Rüden langsamer erwachsen als Hündinnen und bei kleineren Hunden ist die Pubertät in aller Regel früher abgeschlossen als bei grossen Hunderassen. Die Pubertät kann aber auch von anderen Faktoren, wie bspw. dem Ernährungszustand und von Stress beeinflusst werden. Obwohl beim Hund biologisch gesehen die Geschlechtsreife erreicht ist, ist er erst nach Abschluss der Pubertät und nach Abschluss der Adoleszenz körperlich, geistig und sozial betrachtet erwachsen.
Was passiert in der Pubertät?
Mit der Entwicklung der Sexualität und Geschlechtsreife findet eine Hormonumstellung statt. Gleichzeitig erfolgen im Gehirn quasi "Umbauarbeiten". Synapsen werden dahingehend abgebaut, dass nur noch jene vorhanden bleiben, welche auch weiterhin genutzt werden. Dies ist deshalb von grosser Wichtigkeit, da die Synapsen vereinfacht gesagt der Signalübertragung und Speicherung von Informationen dienen.
Diese Umstellung im Gehirn bedeutet für uns Menschen, mit unseren Hunden nachsichtig zu sein! Bereits gelernte Signale wie bspw. "Hier" oder "Sitz" müssen nochmals neu gelernt - ja quasi "aufgefrischt" werden - tun wir dies nicht, so verlernen unsere Hunde die Signale. Dabei sollten wir die Schwierigkeit entsprechend der Pubertät anpassen, die Übungen wiederum leichter gestalten und dem Hund die Möglichkeit geben, das von uns Verlangte überhaupt umsetzen zu können. Nichts anderes gilt für die kennengelernten Umweltreize bspw. Bus oder Tram fahren, Lastwagengeräusche usw. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir nicht nur unseren Welpen, sondern auch unseren pubertierenden Hund fortlaufend auf die Umweltreize sozialisieren.
Durch die hormonelle Umstellung sind viele pubertierenden Hunde verunsichert. Manche zeigen dies durch vermehrtes Bellen. Andere können die Mülltonne, die schon immer beim Nachbar in der Einfahrt steht, plötzlich nicht mehr einschätzen und beurteilen diese als gefährlich. Sie stellen die Nackenhaare auf, zeigen auf der einen Seite eine geduckte Körperhaltung sind aber gleichzeitig neugierig oder aber sie zeigen ihren Zwiespalt durch Warnwuffen oder springen hin und her. Unter anderem deshalb ist es für uns Menschen oft schwierig, pubertierende Hunde richtig einschätzen zu können. Daher ist es wichtig, dass wir unseren Hund bspw. nicht dazu zwingen, die Mülltonne zu begutachten. Vielmehr liegt es an uns Menschen ruhig zu bleiben, Verantwortung zu übernehmen und unseren pubertierenden Hunden "eine Hand zu bieten".
Letztlich entwickelt sich aber gerade auch in dieser Zeit ein ausgeprägtes Neugier- und Erkundungsverhalten. Gleiches gilt für das Jagdverhalten, das sich in der Junghundezeit verstärkt weiterentwickelt. Der Junghund möchte nun das ausleben, was er in der vorherigen Zeit erfahren und gelernt hat. Im besten Fall hat der Hund bereits ganz früh gelernt, dass der Mensch bzw. du der spannendste Jagd- und Spielpartner bist. So wird sich dein pubertierender Junghund auch jetzt auf Beute- und Jagdspiele mit dir einlassen.
Löst eine Kastration Probleme?
Wir raten grundsätzlich davon ab, einen Hund insb. in dieser Zeit und “aus Prinzip” kastrieren lassen. Eine Kastration in dieser Entwicklungsphase kann dazu führen, dass die körperliche und geistige Veränderung nicht abschliessend stattfinden kann.
Es ist wichtig, dass wir uns die Vorgänge, welche die Pubertät und Adoleszenz mit sich bringen vor Augen halten. Viele glauben, dass ihr pubertierender Junghund mit Absicht nervt oder extra stur ist. Allerdings kann es auch einfach nur der hormonellen und physiologischen Entwicklung geschuldet sein.
So gilt auch in dieser Zeit das Sprichwort: "In der Ruhe liegt die Kraft". Gewiss bedeutet das nicht, dass wir Menschen inkonsequent werden sollen. Vielmehr sollten wir unserem Hund in dieser Zeit durch klare Strukturen und angepasstes Training Sicherheit und Orientierung bieten. Grundsignale, Reiz-Impuls-Kontrolle usw. sollten weiterhin gefestigt, geübt und ausgebaut werden.
Im besten Fall hat dein Hund in dieser Zeit Kontakt zu anderen älteren, gelassenen und gut sozialisierten Hunden und weniger zu ebenso pubertierenden, frechen und körperlichen Hunden.