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Der letzte Weg - Über den schwierigsten Abschied von Hund und Mensch

Es ist wohl der schwerste Weg, den man im Leben mit seinem Hund gehen muss: Der letzte Weg. Oft geht ihm ein langes Leiden voran, man stellt sich unzählige Fragen, um den richtigen Zeitpunkt zu wählen, und danach entsteht eine tiefe Leere. So hart und schwierig das Thema auch ist, viele von uns Hundemenschen sind früher oder später davon betroffen, am Ende eine Entscheidung treffen zu müssen. Da man dann immer in einem hochemotionalen Ausnahmezustand ist, sollte man schon im Vorhinein „bestmöglich“ auf das Abschiednehmen vorbereitet sein. Vor allem, um nicht kurzfristig Entscheidungen zu treffen, die man später bereut…

Aus  dem  offenen  Brief  an  eine  Tierarztpraxis (14.02.2016):

... Ich war nicht gefasst auf das, was dann wirklich geschah. Beim Einstechen der Nadel in Chiccos rechte Flanke jaulte dieser sofort auf. Sein Jaulen wurde während der Verabreichung immer lauter und lauter. Auch als die Nadel, die ihm starke Schmerzen bereitete, wieder herausgezogen wurde, beruhigte er sich nicht, was normalerweise der Fall sein sollte. So hatte er in seinen 16,5 Jahren noch nie auf eine Spritze reagiert. Noch war ich der Überzeugung, das lässt jetzt gleich nach. Doch Chicco beruhigte sich nicht. Sein Jaulen wurde immer  lauter  und  ging  in  ein  noch  lauteres,  anhaltendes Bellen über. Er konnte bellen, er konnte auch energisch bellen, aber derartiges hatten wir in seinem ganzen Leben von ihm noch nie gehört. Ganz offensichtlich bereitete ihm das Narkosemittel höllische Schmerzen, während er hilflos und wehrlos in meinen Armen hing. Blind und unfähig sich irgendwo abzustützen – so wie ich ihn in den Armen hielt –, versuchte er verzweifelt der Situation zu entkommen. Er bellte und bellte. Ratlose Blicke. Sie haben dann den Raum verlassen und das Licht irgendwie ausgemacht ...

Chicco würde sich schon beruhigen. Wir standen im spärlichen Licht einer offenen Tür zu einem Nebenraum quasi im Dunkeln. Licht konnten wir keines machen, weil der einzige Schalter im Raum nicht funktionierte. Chicco beruhigte sich nicht. Er bellte und bellte. Er versuchte weiterhin, der Situation zu entkommen. Mehr als zwei Minuten bellte er aus Leibeskräften. Seine Hinterläufe begannen  zu  krampfen.  Ich  spürte  keine,  aber  auch  nicht die  geringste  Wirkung  irgendeines  Sedativums.  Ich  habe mich ernsthaft geprüft, ob ich den Mut aufbringe, ihn mit einem beherzten Schlag gegen die Kante des Metalltisches zu erlösen. Ich habe den Mut nicht aufgebracht und in Beruhigungsabsicht weiter leise auf ihn eingeredet (es diente wohl eher zu meiner Beruhigung und der meiner Frau). Schließlich, nach ca. fünf Minuten verließen Chicco langsam die Kräfte. Ganz sicher nicht durch das gespritzte Mittel.  Er  war  einfach  erschöpft.  Das  Bellen  ebbte  langsam ab und ging in ein Wimmern über. Sein Atem war kräftig. Sein Herz schlug heftig. Die Krämpfe an den Hinterläufen ließen nach. Im Verlauf weiterer fünf Minuten verstummte schließlich auch das Wimmern, die Atemamplitude ließ nach und die Atmung wurde ruhiger. Chicco wurde schwerer in meinen Armen. Die Atmung verlangsamte sich und wurde flacher. Als nach einiger Zeit die Atmung aussetzte, hielt ich ihn noch eine Weile, bis ich sicher war, dass er nicht mehr lebte. Meine Frau und ich brachen in Tränen aus. Ich war verzweifelt und hilflos. Ich habe mich bei Chicco wieder und wieder für dieses Martyrium entschuldigt. Hätte ich auch nur im Ansatz einen Hinweis darauf gehabt, was wir da gerade  erlebt  hatten,  würde  Chicco  noch  leben,  und  ich würde ihn weiter pflegen bis an sein natürliches Lebensende. Es war zu spät ...“

Der  Verfasser  dieses  Briefes  hat  versucht  das  Bestmögliche für sein Tier zu tun und sich vertrauensvoll an eine Tierarztpraxis gewandt, natürlich in dem Bewusstsein, sich und sein Tier in Händen von Profis zu wissen. Was aber in Chiccos Fall vor sich ging, sollte eine Mahnung an alle Tierärzte dieser Welt sein. Und ein Denkanstoß, auch als Tierhalter im Vorhinein immer  genau  zu  hinterfragen,  wie  das  „Prozedere“  der Einschläferung vor sich geht. Auch wenn das eigentlich den Profis überlassen sein sollte und es emotional sehr schwer sein kann.

Der Begriff „Euthanasie“ stammt aus dem Griechischen und  bedeutet  etwa  „der  gute  Tod“.  Eine  fachgerechte Einschläferung  kann  man  als  „gut“  bezeichnen,  wenn das Tier dabei keine Schmerzen empfindet. Viele Tierärzte  sprechen  von  einem  sanften  „Hinübergleiten“. In  der  Regel  sollte  der  Tierarzt  einen  Venenzugang (Venenkatheter) legen, um dann durch diesen ein Narkosemittel  in  starker  Dosierung  und  anschließend  die Injektionslösung zur Tötung zu injizieren. Durch diese intravenöse Verabreichung kommt es innerhalb von Sekunden zum Narkoseeintritt (der Hund schläft tief ohne Bewusstsein) und kurz darauf zum Tod durch Atem- und Herzstillstand  (der  Hund  bekommt  durch  die  Narkose davon nichts mehr mit).

Sehr  ängstliche  oder  auch  abwehrbereite  Hunde  können noch vor Legen des Venenkatheters zusätzlich eine Beruhigungsspritze  verabreicht  bekommen. Nur in Ausnahmefällen, wenn eine intravenöse Verabreichung nicht möglich ist, kann die Injektionslösung auch – aber nur nach vorhergehender  Sedierung (!)  des  Hundes  – zum Beispiel in das Herz oder in den Bauchraum appliziert werden. Dies ist wohlgemerkt kein verpflichtender Weg, da in manchen Zulassungsbescheiden oft lediglich die intravenöse Verabreichung des Euthanasiepräparats ohne vorangegangene Narkose vorgegeben ist.

In Chiccos Fall wurde leider weder eine Sedierung eingesetzt, noch eine intravenöse Injektion vorgenommen – sein Tötungsmittel wurde direkt in den Bauchraum injiziert. Dies hatte für den alten Chicco einen langen Todeskampf bei vollem Bewusstsein zur Folge, was einen qualvollen  Tod  bedeutet, der sich im Extremfall  sogar über Stunden hinziehen kann. Auch wenn es manchen Tierärzten übertrieben erscheinen mag, diesen Weg mit „Netz und doppeltem Boden“ zu gehen, so ist es nun mal der sicherste. Hätte Chiccos Halter das gewusst und nicht dem vermeintlichen Profi vertraut, hätte er seinem geliebten Hund viel Leid erspart. Von einem „guten Tod“ kann hier leider nicht die Rede sein...

Apropos  Leid.  Laut  Tierschutzgesetz  ist  es  in  Österreich verboten, Tiere „ohne vernünftigen Grund zu töten“ (§ 6,  Absatz  1) und „einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen“ (§  5, Absatz 1). Auch in Deutschland ist die Rechtslage deutlich: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ (§ 1). Klar ist also, dass ein Tier nicht ohne triftigen Grund eingeschläfert werden darf. Was aber den triftigen Grund  ausmacht, entscheiden letztendlich wir selbst, in Absprache mit einem Tierarzt, der die Tötung dann ausführen muss. Dieser macht sich in  Deutschland  übrigens  mit  bis  zu  drei  Jahren Freiheits- oder einer Geldstrafe strafbar, wenn eine Tötung ungerechtfertigt vorgenommen wird. Allerdings sieht Paragraf 17 des deutschen Tierschutzgesetzes auch eine Freiheitsstrafe  vor, wenn „einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leid zugefügt werden“. Auch in Österreich ist die Rechtslage klar, wenn auch die Strafen dazu etwas milder sind: Wer ein Tier „ohne vernünftigen Grund“ tötet oder  ihm  „Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt“ begeht nach § 38 des Tierschutzgesetzes eine „Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit  einer  Geldstrafe bis zu 7.500 Euro, im  Wiederholungsfall bis zu 15.000 Euro, zu bestrafen“. In der juristischen Literatur gilt übrigens die übereinstimmende Meinung, dass auch ein „Nicht-Beenden“ von Schmerz und Leid als strafbar anzusehen ist. Lange Rede kurzer Sinn: Es bedeutet viel Verantwortung über den Tod eines Tieres zu entscheiden. Und das ist auch gut so.

Als ich vor langer Zeit einmal vor dieser Entscheidung stand, hat jemand zu mir gesagt: „Sieh es nicht als Bürde, sondern als Privileg, das wir Menschen gegenüber Tieren haben. Wir dürfen sie erlösen.“ Diese  Aussage gebe ich allen mit, die mich mit der Frage des richtigen Zeitpunkts konfrontieren. Es gibt leider keinen Kriterienkatalog, der allgemein gültig ist und bei der Entscheidung über das „Wann“ helfen könnte. Es gibt Hunde, die mit einer Lähmung der Hinterhand glücklich mit einem Rollwagen durch die Gegend flitzen, und andere, deren Lebensqualität unter solchen Umständen extrem leiden würde. Dann wiederum gibt es  Hunde, die ihr ganzes Leben lang gemütlich unterwegs waren und gerade im fortgeschrittenen Alter noch träger werden und am liebsten schlafen, das ist nicht automatisch  ein  Grund für Erlösung. Alte Hunde kommen nach dem Liegen oft nicht mehr richtig auf die Beine. Mit ein paar ausgelegten Teppichen in der Wohnung lässt sich dieses Problem manchmal einfach umgehen, oft verhindert nur der rutschige Holz- oder Fliesenboden das Aufstehen. All das soll nichts verharmlosen, sondern als Aufruf an das eigene Bauchgefühl verstanden werden. Versprochen, es wird den Tag oder Moment geben, wo Du spürst, dass es nun an der Zeit ist, Deinen Vierbeiner gehen zu lassen. Das muss nicht einmal mit einem konkreten Ereignis zu tun haben, sondern mit einem Gefühl, das vielleicht nur durch einen Blick vermittelt wird.

Natürlich muss der Anspruch sein, seinem Hund den letzten Weg so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch wenn die traurige Stimmung nicht wirklich überspielt werden kann, versuche, so gut es geht, Fassung zu bewahren und alles so normal wie möglich zu gestalten.  Ich persönlich heiße es  gut,  den  Hund  zu Hause an seinem Lieblingsplatz einschläfern zu lassen, sei es in seinem Körbchen, im Garten oder am geliebten Sonnenplatz auf der Terrasse. Auch wenn dies nicht alle Tierärzte gewährleisten können und  manchmal auch kritisch sehen, so bin ich sicher, dass es der entspannteste Weg ist, den man gehen kann. Sei für Deinen Hund da und tun das, was ihm immer gutgetan hat. Lasse ihn an der Leberwurst lecken oder kraule ihn an seiner Lieblingsstelle, in diesen letzten Minuten ist alles erlaubt, Hauptsache, er findet seine Ruhe.

Entscheidest Du Dich für die Variante, Deinen Hund beim Tierarzt euthanasieren zu lassen, versuche einen Termin außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten zu machen. Unruhe, andere Tiere und lange Wartezeiten machen den letzten Weg keineswegs schöner.

Wenn Du einen zweiten Hund hast, lasse ihn am Ende unbedingt an Deinem toten Hund schnüffeln. Hunde kennen den Tod und verstehen ihn auch als solchen, wenn sie die Möglichkeit haben „sich zu  verabschieden“. Hunde, die keine Gelegenheit dazu bekommen haben, suchen oft noch sehr lange nach ihrem verlorenen Freund.

Zum Schluss bleibt nur noch die Frage, was nach dem Einschläfern mit dem Tier passiert. Auch dies sollte vorab geklärt sein. Entscheidest Du Dich dafür, den Hund selbst, z. B. im eigenen Garten zu bestatten (Achtung, ist nicht überall erlaubt und von Bundesland zu Bundesland anders), solltest Du schon vorab ein Grab vorbereitet haben. Generell ist dies ratsam, wenn es sich um einen alten, kranken Hund handelt, schließlich weiß man nicht immer genau, wann der Tag des Abschieds kommt. Wird das Tier in der Tierarztpraxis zurückgelassen oder dem Tierarzt mitgegeben, wird es über eine Tierkörperverwertung beseitigt. Auch wenn die Information nicht schön ist, möchte ich sie der Vollständigkeit halber hier geben: In der Tierkörperverwertung werden die Kadaver der Tiere zerkleinert, bei 380 Grad gekocht und dann zu  Tiermehl verarbeitet, das wiederum im Anschluss verbrannt werden muss. Eine andere Option ist die Bestattung in einem Tierkrematorium. Der leblose Körper wird  dort, je nach Wunsch, einzeln oder mit  anderen verstorbenen Tieren verbrannt. Hier besteht, im Gegensatz zur Humankremierung, die Möglichkeit, die Asche in einer Urne mit nach Hause zu nehmen oder dort zu beerdigen. Außerdem gibt es die  Möglichkeit, aus der Asche einen Edelstein anfertigen zu lassen, der dann z. B. als Schmuckstück getragen werden kann. Eine weitere Alternative stellt ein Tierfriedhof dar, auf dem der Hund in einem Sarg beerdigt wird.

Alles in allem keine leichten Entscheidungen und Wege, vor  allem  dann,  wenn  sie  in  der  schwersten  Zeit  für Hund und Mensch stattfinden müssen. Deswegen ist es ratsam, sich zumindest gedanklich früh genug mit dem Eingehen  in  die  ewigen Jagdgründe unserer geliebten Hunde zu beschäftigen. Auf dass sie alle in Würde von uns gehen können.