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Die richtige Wahl schützt vor Enttäuschungen

Die Entscheidung ist gefallen: Ein Hund aus dem Tierschutz soll einziehen. Doch wie findet man den passenden Begleiter? Das Internet ist voll von herzergreifenden Bildern und rührseligen Geschichten. Hier ist es schwer, einen kühlen Kopf zu behalten und keine rein emotionale Entscheidung zu treffen. Doch auch wenn der Gedanke, einem in Not geratenen Hund zu helfen, im Vordergrund steht, sollte die Entscheidung, welcher Hund infrage kommt, genau überlegt sein! Denn wenn am Ende beide, Hund und Mensch, eher gestresst und unglücklich über die neue Lebenssituation sind, ist letztlich niemandem geholfen. Denn nichts ist wohl schlimmer für einen Hund, der schon einmal sein Zuhause verloren hat, als noch ein weiteres Mal umzuziehen oder im schlimmsten Fall sogar im Tierheim zu landen.

Nicht das Aussehen ist wichtig, sondern das Wesen

Als Erstes sollte daher – auch vor Anschaffung eines Hundes aus dem Tierschutz – die Frage geklärt werden, welcher Hund zu dem jeweiligen Menschen, den weiteren Familienmitgliedern sowie der allgemeinen Lebenssituation passt. Viele Menschen entscheiden sich für einen Hund häufig einzig und allein aufgrund seines Aussehens. Doch viel wichtiger ist, was das Erscheinungsbild eines Hundes in Bezug auf die Haltung aussagt. Ein großer Hund muss auch an der Leine gehalten werden können und braucht mehr Platz im Auto als ein kleiner. Ein Hund mit langen Haaren beansprucht mehr Zeit des Menschen, da die Pflege und auch die Reinigung des Hundes nach dem Spaziergang aufwendiger sind. Dafür bleiben kurze Haare in jedem Pullover, im Bezug des Sofas oder in der Autodecke stecken ...
Doch noch viel entscheidender für das Zusammenleben von Mensch und Hund ist der jeweilige Charakter, das Wesen des Hundes. Der Weimaraner sieht zwar elegant und anmutig aus mit seinem häufig silbern scheinenden Fell und macht in Bezug auf Reinigung und Pflege zumindest in der Kurzhaar-Variante sicherlich wenig Arbeit. Dass in ihm aber ein knallharter Jagdhund steckt, der seine Passion auch ausleben will, fällt vielen Menschen erst dann auf, wenn sie ihrem Hund auf dem Spaziergang nur noch verzweifelt hinterherrufen können. Und wenn dann beim Besuch meiner Hundeschule der Wunsch geäußert wird, dass der Hund doch bitte nicht mehr jagen soll, muss ich den Menschen erst einmal die Bedürfnisse ihres Hundes erläutern. Denn ein Jagdhund, der jagt, macht genau das, wofür wir Menschen ihn gezüchtet haben! Sicherlich kann man nun durch Training erreichen, dass der Weimaraner einigermaßen ausgelastet ist, auch wenn Herrchen oder Frauchen keine Jäger sind. Doch wenn diese sich eher gemütliche Spaziergänge am nahe gelegenen Entenweiher im Park vorgestellt hatten, jetzt aber täglich Fährten legen oder Schleppen ziehen, Dummys werfen und verstecken sowie die nächsten Monate, bis der Rückruf zuverlässig klappt, nur mit Schleppleine unterwegs sein sollen, wird die Belastung für viele Menschen unendlich groß. Die Vorstellung von der Haltung eines solchen Hundes ist dann einfach um Längen von der Realität entfernt gewesen. Und nicht immer findet sich ein Mittelweg, der für beide Parteien befriedigend ist. Manchmal ist es dann tatsächlich besser, sich nach einem neuen Zuhause für den Hund umzusehen. Ein Zuhause, in dem er wirklich glücklich werden kann und das zu seinen Bedürfnissen passt. Natürlich sollte eine solche Erfahrung dann auch dazu führen, einen neuen Hund sorgfältiger auszuwählen.

Für den einen ein Problem, für den anderen pures Glück

Doch genau dieses Beispiel zeigt, dass Hunde aus dem Tierschutz bei Weitem keine Problemhunde sein müssen. Selbst wenn das Verhalten für den bisherigen Halter ein Problem darstellte, kann es für einen anderen Menschen absolut erwünscht und der Hund damit der Traum eines vierbeinigen Begleiters sein. Doch Tierschutzhund ist nicht gleich Tierschutzhund...
Zumal es unendlich viele Gründe gibt, aus denen ein Hund ein neues Zuhause sucht. So können geänderte Lebensumstände durch Umzug, Trennung oder Jobwechsel, aber auch der Tod des bisherigen Halters zu einer Abgabe des Hundes führen. Hunde werden auf der Straße aufgegriffen, aus schlechter Haltung befreit oder aber aus dem Ausland eingeführt. Und genauso unterschiedlich ist dann auch ihre Vorgeschichte. Ein Hund, der von einem guten Züchter zu seiner Familie gekommen ist und von dieser bis zur Abgabe, z.B. aufgrund einer Scheidung, sowohl gut versorgt als auch entsprechend erzogen und in Bezug auf seine Bedürfnisse gehalten wurde, unterscheidet sich in seinem Verhalten von einem Hund, der in einem spanischen Bergdorf groß wurde oder aus Profitgründen in einem Kellerverschlag bei einem Vermehrer aufwuchs, jeden Tag ums Überleben kämpfen und viele negative Erfahrungen mit Menschen machen musste. Denn das Verhalten eines Hundes wird nicht nur durch die Gene bestimmt, sondern zu einem Großteil durch die Umwelt beeinflusst. Schlechte Prägung und Sozialisierung sowie negative Erfahrungen kann man nicht wie die Inhalte der Festplatte eines Computers einfach löschen und neu konvertieren, auch nicht durch noch so viel liebevolle Zuwendung und Training im neuen Zuhause. Das beste Beispiel dafür ist meine Hündin Coco, die sich trotz meiner großen Erfahrung im Umgang mit Hunden nicht mehr zu einem sicheren und souveränen Hund entwickeln wird. Denn Hunde, die wenig bzw. keinen Kontakt zu Menschen hatten, reizarm groß wurden oder andere Deprivationsschäden haben, werden ihre Unsicherheit nicht nach ein paar Monaten Eingewöhnungszeit einfach so ablegen. Zwar sind meistens Verbesserungen möglich, doch häufig bleiben Ängste und Unsicherheiten zurück.
Natürlich heißt das nun nicht, dass alle Hunde aus dem Tierschutz schlecht sozialisiert und traumatisiert sind. Doch wer einen solchen Hund aufnehmen will, sollte sich auf die Besonderheiten bei der Haltung vorbereiten und darauf ein- stellen, dass sich auch das eigene Leben in einigen Punkten deutlich verändern wird. Kann ein Hund nicht allein bleiben, meidet er Menschen oder zeigt sogar aggressives Verhalten gegenüber anderen Menschen, wird ein kontaktfreudiger Mensch im Zusammenleben mit diesem Hund mit Sicherheit nicht glücklich werden. Denn der Hund kann sich nicht von heute auf morgen an das veränderte Leben anpassen. Und im Grunde genommen wäre es auch nicht fair, so etwas zu verlangen. Denn nicht der Hund hat sich ja für sein neues Zuhause entschieden, es war der Mensch, der für den Hund bestimmt hat, wo dieser leben soll. Der Mensch muss sich bzw. sein Leben also an die Bedürfnisse des Hundes anpassen und den Hund in kleinen Schritten an das neue Lebensumfeld gewöhnen. Doch auch wenn der Hund sich eingelebt hat, können sich immer wieder einmal Situationen ergeben, die ein längst vergessenes und überwunden geglaubtes, problematisches Verhalten beim Hund auslösen. Die Familie muss also bereit sein, den Hund so zu nehmen, wie er ist, und nicht etwa mit der Hoffnung, dass sich „das schon bald geben wird“. Nicht selten heißt es sonst dann oftmals, dass der Hund dieses oder jenes nur macht, „um den Menschen zu ärgern“. Muss er nicht eigentlich vielmehr dankbar sein, dass man ihn gerettet hat? Dass es ihm jetzt so gut geht? Dass er alles bekommt, was er braucht, und mit so viel Liebe überschüttet wird? Wer solche Gedanken hat, sollte jedoch generell lieber von der Haltung eines Hundes Abstand nehmen.

Manche Hunde sind Wundertüten, deren Wesen sich spät offenbart

Doch häufig sind die Vorgeschichte und die wahren Abgabegründe von Hunden aus dem Tierschutz gar nicht bekannt. Entweder, weil es sich um Fundtiere handelt, oder aber weil die angegebenen Gründe, wie z. B. eine Hundehaarallergie, allzu fadenscheinig wirken. Dadurch entsteht natürlich ein gewisses Risiko, da sich Probleme erst im späteren Zusammenleben zeigen können. Von Vorteil ist jedoch, dass der Charakter und die Wesenszüge des erwachsenen Hundes gut durch Tests herausgestellt werden können. Ein professioneller Hundetrainer kann mithilfe verschiedener Tests herausfinden, welche Eigenschaften ein Hund besitzt und ob er zu den Vorstellungen und Wünschen der zukünftigen Familie passt, sowie auf vorhandene oder eventuell auftretende Probleme hinweisen. Auch die Mitarbeiter eines Tierheims kennen ihre Hunde meist sehr genau. Ein gutes Tierheim berät die Interessenten bei der Auswahl des Hundes und erklärt ausführlich, welcher Hund in Bezug auf seinen Charakter zur Familie passen könnte. Dieser Punkt gilt entsprechend für eine verantwortungsvolle Pflegestelle, in welcher der Hund auf seine neue Familie vorbereitet wird. Damit wird deutlich, wie wichtig ein persönliches Kennenlernen des zukünftigen Familienmitglieds vor einer Entscheidung über die Aufnahme ist. Im Tierheim haben Sie die Möglichkeit, den ausgewählten Hund in Ruhe kennenzulernen und ihn mehrfach sowie in den unterschiedlichsten Situationen zu erleben. Denn verantwortungsvolle Vermittler werden Ihnen nicht direkt beim ersten Mal den Hund mitgeben. Sie werden zudem eine Vielzahl an Fragen über sich ergehen lassen müssen. Denn einem engagierten Tierschützer ist es genauso wichtig wie einem guten Züchter, eine möglichst passende Familie zu finden, damit der Hund nicht wieder abgegeben werden muss.
Alle diese Punkte sprechen damit natürlich auch gegen eine Vermittlung von Hunden einzig und allein über das Internet. Viele Tierschutzorganisationen bieten sogenannte „Direktadoptionen“ im Internet an, bei denen der Hund mit einem Foto und einer meist sehr emotionalen Beschreibung auf der Webseite der Organisation vorgestellt wird, wobei der Hund selbst aber häufig noch im Ursprungsland lebt. Bei erfolgreicher Adoption wird der Hund entweder per Flugzeug mit einem Flugpaten oder über einen Autotransport nach Deutschland gebracht und am Flughafen bzw. aus dem Kofferraum heraus direkt der neuen Familie übergeben. Es versteht sich von selbst, dass ich von solchen Direktvermittlungen strikt abrate, da kein persönliches Kennenlernen im Vorfeld möglich ist.
Die Beschreibung der Hunde ist oft auch mit Vorsicht zu betrachten, da sich viele Hunde in Auffangstationen, in denen oftmals zahlreiche Hunde auf engstem Raum gehalten werden, deutlich gestresst verhalten. Doch auch die Haltung in Einzelhaft, in oftmals viel zu kleinen Zellen ohne die Möglichkeit auf ausreichende Bewegung sowie geistige Anregung, gibt keinen Hin- weis auf das Verhalten in Bezug auf Artgenossen. Das Verhalten der Hunde in diesen Auffanglagern ist daher häufig nicht übertragbar und liefert keine seriösen Rückschlüsse über das zukünftige Verhalten im neuen Zuhause. Hinzu kommt, dass es häufig an geschultem Personal mangelt, sodass die Einschätzung der Hunde oft nicht professionell erfolgt. Letztlich gibt es meistens sowieso nicht die notwendigen Rahmenbedingungen für seriöse, professionelle und damit aussagekräftige Tests. Wenn Sie sich daher für einen Hund interessieren, der über das Internet vermittelt werden soll, sollten Sie sich die Mühe machen und diesen in seiner Heimat besuchen. Dies ist natürlich oftmals aufgrund der weiten Wege, aber auch aufgrund einer notwendigen schnellen Vermittlung, da der Hund sonst getötet wird, nicht möglich. Aus diesem Grunde arbeiten viele seriöse Tierschutzorganisationen mit Pflegestellen zusammen, die den Hund zunächst einmal aufnehmen, sodass eine Tötung verhindert wird. Der Hund wird medizinisch untersucht und versorgt sowie auf das zukünftige Leben in einer Familie vorbereitet. Nach einer Eingewöhnungsphase kann der Hund dann deutlich kompetenter beurteilt werden. Auch in Bezug auf die Einschätzung der Gesundheit des Hundes hat dieses Vorgehen deutliche Vorteile. Denn einige Tests liefern erst dann zuverlässige Ergebnisse, wenn der Hund bereits länger, also über mehrere Wochen bis Monate, befallen ist.

Lassen Sie Ihren neuen Hund in den ersten Wochen nie frei laufen

Die ersten Tage mit dem neuen Familienmitglied sollten Sie ruhig und ohne viel Aufregung gestalten. Es gilt jetzt, sich in den kommenden Tagen und Wochen auf- einander einzuspielen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Bei Ankunft in Ihrem Zuhause sollten Sie dem Hund erst einmal die Möglichkeit geben, sich nach der Autofahrt zu lösen. Stellen Sie aber dabei sicher, dass er nicht entlaufen kann, indem Sie ihn entweder in einem umzäunten Umfeld aus dem Auto lassen oder aber mit einem Sicherungsgeschirr und an der Leine bzw. Schleppleine führen. Nicht wenige Hunde entlaufen tatsächlich in dem Augenblick, in dem eigentlich ihr neues, entspanntes Leben beginnen sollte. Ein Drama für alle Beteiligten. Häufig winden diese Hunde sich aus dem Geschirr bzw. Halsband. Abhilfe verschaffen hier sogenannte ausbruchssichere Geschirre.
Diese haben einen zweiten Bauchriemen, der hinter dem Rippenbogen sitzt. So kann sich der Hund beim Zurücklaufen das Ge- schirr nicht über den Kopf ziehen. Und auch wenn es schwerfällt, laden Sie noch nicht alle Bekannten ein, um das neue Familienmitglied vorzustellen. Ihr Hund hat genug damit zu tun, Sie und die zur Familie gehörenden Personen sowie gegebenenfalls weitere im Haus lebende Hunde oder andere Tiere kennenzulernen. Etablieren Sie ruhige Liegeplätze, z. B. im Wohnzimmer, damit der Hund dort auch wirklich abschalten und sich entspannen kann. Hier dürfen ihn weder Kinder noch Besucher stören, er soll sich sicher und wohl fühlen. Die Umgebung erkunden Sie in den ersten Tagen in kurzen Ausflügen, der Hund muss die Möglichkeit haben, alle Eindrücke zu verarbeiten. Ein Freilauf sollte erst nach einer ausreichenden Eingewöhnungszeit in überschaubaren Gebieten, und natürlich erst dann, wenn der Hund zuverlässig auf den Rückruf reagiert, stattfinden. Denken Sie immer daran, dass es möglicherweise Fluchtauslöser gibt, die Sie noch nicht kennen. Somit sollten Sie in den ersten Monaten immer auf Nummer sicher gehen.
Häufig neigen wir Menschen dazu, Tierschutzhunde zu verwöhnen, sodass wir darüber sinnvolle Regeln und Strukturen vergessen. Gerade wenn der Hund eine schreckliche Vorgeschichte hat, haben viele den Drang, etwas an ihm „wiedergutzumachen“. Dies führt oft zu Problemen, denn Hunde benötigen klare Strukturen.

Ein Hund braucht klare Regeln, keine Wiedergutmachung

Wenn der Hund weiß, welche Regeln im Zusammenleben bestehen, gibt ihm das Sicherheit. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass ein Hund aus zweiter Hand niemals auf der Couch liegen darf, nur Befehle befolgen muss und nie eigenen Bedürfnissen nachgehen darf. Hier gilt das gleiche wie für Hunde, die von Welpe an beim Menschen leben: Sie müssen für sich und Ihren Hund sinnvolle Regeln fürs Zusammenleben finden, die beiden Parteien ein glückliches Leben ermöglichen. Welche Regeln das sind, hängt dabei individuell von Ihnen und Ihrem Hund ab. Wenn Sie diese Punkte beachten, steht einem glücklichen Zusammenleben mit Ihrem Hund aus zweiter Hand nichts mehr entgegen.

Die Hunde-Persönlichkeit

PROFESSIONELLE TESTS GEBEN Z.B. AUFSCHLUSS ÜBER:
Freilauf im umzäunten Gelände
✽ Sexualverhalten: Wie und wo löst sich der Hund?
✽ Jagdverhalten: Verfolgt er Spuren, wo und wie schnüffelt er?
✽ Territorialverhalten: Wie betritt er das Gelände, wo und wie bewegt er sich darauf?
✽ Explorationsverhalten/Umweltsicherheit: Erkundet er neugierig die Umgebung? Zeigt er Unsicherheiten in Bezug auf umgebende Reize?

Freilauf mit dem Menschen/der Familie
✽ Orientierung/Bindung: Orientiert er sich an seinen Menschen oder geht er seinen eigenen Interessen nach? Spiel mit dem Menschen/ der Familie
✽ Lässt er sich auf ein Spiel mit seinen Menschen ein?
✽ Wie verhält er sich im Umgang mit Beute? Gibt er Beute ab?
✽ Frustrationstoleranz: Wie verhält er sich in einer Spielpause?

Freilauf mit anderen Hunden
✽ Wie verhält er sich bei der Annäherung von fremden Hunden?
✽ Wie verhält er sich im direkten Kontakt mit fremden Hunden?

Verhalten gegenüber Menschen/Kindern
✽ Wie reagiert er, wenn Kinder am Zaun des Testgeländes entlangrennen?
✽ Wie reagiert er auf die frontale Annäherung eines fremden Menschen?

 

Ein Artikel unserer Kollegin Annabelle Jusko von der Martin Rütter Hundeschule Pinneberg/Quickborn