Ist mein Hund intelligent?
Jeder von uns hat doch seinem Hund schon mal eine unglaubliche Schlauheit attestiert. In gewissen Situationen haben Sie aber sicher auch schon mal kopfschüttelnd nicht verstanden, warum Ihr Hund z. B. Ihren Kommandos nicht folgen kann. Aber was macht Intelligenz bei Hunden eigentlich aus? Und gibt es wirklich dumme Hunde?
Was ist Intelligenz eigentlich?
Um eine Antwort auf diese Frage finden zu können, bedarf es erst einmal einer Begriffsdefinition. Das lateinische Wort „intelligentia“ steht für Erkennungsvermögen und Verstand. Dabei wird Intelligenz, zumindest beim Menschen, in viele verschiedene Kategorien unterteilt: sprachliche Intelligenz, logisch-mathematische Intelligenz, räumliche Intelligenz, musikalische Intelligenz, soziale Intelligenz, Handlungsintelligenz. So kann jemand zum Beispiel unglaublich schnell im Kopfrechnen, in sozialen Interaktionen mit Menschen aber schnell überfordert sein. Dies ist auch der Grund für die häufige Kritik an Intelligenztests: Oft basieren IQ-Werte nämlich nur auf rational messbaren Ergebnissen wie Allgemeinbildung, mathematischem und räumlichem Verständnis sowie Wortschatz und Gedächtnisleistung. Fähigkeiten wie soziale, praktische und emotionale Intelligenz werden dabei meist nicht berücksichtigt. „Offensichtlich sagt der IQ wenig über die Intelligenz eines Menschen aus“, meint der neuseeländische Intelligenzforscher James Robert Flynn kritisch dazu. Ähnlich komplex ist es auch bei der Intelligenzermittlung von Hunden. Der amerikanische Psychologe und Hundeforscher Dr. Stanley Coren unterscheidet die instinktive Intelligenz, also die ererbten Fähigkeiten, die zumeist in engem Zusammenhang zur Rasse stehen, die adaptive Intelligenz, also die im Laufe des Lebens erlernten Fähigkeiten sowie die Arbeits- und Gehorsamsintelligenz.
In einem seiner Tests ermittelte er unter den bekanntesten Hunderassen ein Ranking der Intelligentesten. Seine Basis waren eine Fülle von Forschungsergebnissen und die systematische Befragung von Ausbildern in über 1.000 Hundeclubs in Nordamerika. Die Ergebnisse gingen um die Welt: Platz 1 der Border Collie, Platz 2 der Pudel, gefolgt vom Deutschen Schäferhund, dem Golden Retriever und dem Dobermann. Was hier aber nicht vergessen werden darf: Für seine Liste zog Coren nur die Arbeits- und Gehorsamsintelligenz heran.
Was macht Intelligenz bei Hunden aus?
Basierend auf Corens Ergebnissen gehört der Basenji mit zu den unintelligentesten Hunden. Aber mal ehrlich: Ein Hund, der zum Teil bis heute noch mit Urvölkern im afrikanischen Busch lebt und dort als Jagdhelfer fungiert, kann und darf doch gar nicht dumm sein. Es ist doch völlig klar, dass ein solcher Hund es vielleicht nicht sinnvoll findet, auf Verlangen des Menschen Sitz zu machen oder einen Ball zu apportieren. Aber selbstständig eine knifflige Jagdstrategie zu finden, wird ihm immer möglich sein. In unserer Gesellschaft und mit der heutigen Form der Hundehaltung machen wir aber gemeinhin den Fehler, nur Kooperationsbereitschaft als einzigen Indikator für Intelligenz zu bewerten. Bringt der Bernhardiner den Ball nicht zurück, schließen wir häufig daraus, dass er nicht versteht, wie das funktioniert. Oft ist aber das Gegenteil der Fall und der Hund weiß sehr wohl wie das technisch funktionieren würde, erkennt aber daraus für sich keine Sinnhaftigkeit, was wiederum eher für Intelligenz spricht. Oder ist der Border Collie, der zum 238. Mal dem Ball hinterherläuft, um mit schielenden Augen erneut einzufordern, dass er nochmal geworfen wird, wirklich schlauer?
Vielmehr sollte Intelligenz bei Hunden auch anhand der Kreativität beim Lösen von Aufgaben bemessen werden. Schon bei ein paar Wochen alten Welpen kann man hier deutliche Tendenzen erkennen. Kürzlich habe ich einen Wurf Border Collies beim Züchter besucht. Es ging ihm darum, eine professionelle Einschätzung zu erhalten, welcher Hund wohl am besten den Anforderungen des jeweils zukünftigen Halters entspricht, auch ein Therapiehund sollte auserkoren werden. Mittels einer Reihe von Tests konnten wir verschiedenste Eigenschaften prüfen. Ein sehr spannender Test in puncto Strategiefindung ist es, ein gut duftendes Stück Wurst unter einem von drei Bechern zu verstecken und zu beobachten, wie die Welpen an die Sache herangehen. Einerseits ist schon spannend, welche Hunde genau beobachten, wo das Futterstück untergebracht wird, andererseits ist es aber auch interessant zu sehen, wie sie sich anstellen, um unter den auserwählten Becher zu gelangen. Tatsächlich haben drei von fünf Border Collies bereits im Alter von 43 Tagen bewiesen, dass sie den ersten erfolgreichen Versuch exakt reproduzieren, um dadurch effektiver an die Nahrung zu kommen. Einer von ihnen verlor nach dem dritten erfolglosen Versuch übrigens die Motivation weiterzumachen, der andere schlief währenddessen ein.
„Dumme Hunde sind genügsamer“
„Hunde mit einer derart hohen Motivation und Lernbereitschaft wirken zwar im ersten Moment interessant, spätestens im Zusammenleben werden aber alle Nachteile deutlich“, so Hundeversteher Martin Rütter. Die Führung solcher Hunde ist wesentlich komplexer und anstrengender, da sie immer neue Wege finden werden, Regeln zu umgehen und mehr ausprobieren. Der Hundeexperte rät sogar wortwörtlich eher zu „dummen Hunden“, da diese im Umgang wesentlich genügsamer sind. Jene Border Collies, die beim Welpentest unmotiviert waren oder sogar eingeschlafen sind, zeigen schon mal, dass ihr Temperament und ihre Kreativität nicht grenzenlos sind – bei einer Rasse wie dem Border Collie kann das zunächst kein Nachteil sein. Zu motivieren sind diese Hunde immer, sie herunterzudrehen ist die aufwendigere Aufgabe.
Kann man Intelligenz trainieren?
Es gibt viele Hunde, die zwar eigentlich eine schnelle Auffassungsgabe haben, aber beim Training schnell überfordert oder frustriert sind. Meistens haben diese Vierbeiner nicht wirklich gelernt zu lernen – aber auch das will erlernt sein! Allen Hunden ist Konzentration und die Fähigkeit zu lernen, wenn auch nicht immer auf dem gleichen Weg, beizubringen. Einen Hund sukzessive beim Denken zu fördern, ist also durchaus möglich, Grenzen wird es aber immer geben.Auch die oft beliebten Intelligenzspiele werden Ihren Hund nicht schlauer machen. Sie werden aber, richtig angewandt, mit dafür sorgen, dass Ihr Vierbeiner lernt sich zu konzentrieren. Darüber hinaus haben sie durchaus auch Potenzial, seinen Horizont in puncto Strategiefindung zu erweitern. Dennoch ist es in unserer Gesellschaft wichtiger, Hunde vor allem auf einer sozialen Ebene zu fördern. Intelligenzspiele, bei denen zum Beispiel Holzschubladen mit Pfote oder Schnauze bedient werden, fördern eher das selbstständige Erarbeiten von Lösungen. Für das Zusammenleben von Mensch und Hund ist es aber immer ratsam, den Menschen als wichtigen Partner zu etablieren und eher Dinge zu trainieren, die dem Hund suggerieren, dass die Hilfe des Halters unentbehrlich ist. Dafür eignen sich für alle Rassen zum Beispiel das Apportieren mit einem Futterbeutel oder gemeinsame Futtersuchspiele.
Die Intelligenz des Halters....
Letztendlich wird es nie einen guten Indikator oder aussagefähigen Test für die Ermittlung der Intelligenz unserer Hunde geben. Dennoch ist es wichtig, sie gerade vor der Anschaffung eines neuen Hundes aus allen Blickwinkeln zu beleuchten, denn all die beschriebenen Eigenschaften zu kennen und vor allem zu wissen, wie man richtig damit umgeht, ist unentbehrlich für ein harmonisches Zusammenleben. Und eins noch zum Schluss: Auch die Lehrfähigkeit des Menschen darf bei der Ermittlung von Intelligenz bei Hunden nicht außer Acht gelassen werden. Viel zu oft beherrschen Hundehalter die Grundlagen von Körpersprache und Kommunikation nicht und werden dadurch für ihren Hund zum unlesbaren Buch. Auch das falsche Timing führt oft dazu, dass der Hund zu Unrecht als lernschwach bezeichnet wird. Ein gutes Gefühl für Pausen und das richtige Maß an Trainingsintensität sind ebenfalls Voraussetzung. Es gibt also auch für Menschen im Umgang mit Hunden noch viel zu lernen.
Ein Beitrag unserer Kollegin Conny Sporrer von der Martin Rütter Hundeschule Wien