Jagdverhalten in die richtigen Bahnen lenken
Als Tochter eines passionierten Jägers bin ich mit den unterschiedlichsten Jagdhunderassen aufgewachsen. Mein Kleiner Münsterländer „Linus“ ist ein sogenannter Allrounder unter den Jagdhunden. Er liebt alle „jagdlichen“ Beschäftigungsformen und ist mit Spaß dabei, auch wenn es um Ersatzbeute geht. Das macht es mir leicht, ihn täglich geistig und körperlich auszulasten. Bei der Arbeit mit Wild ist er zielstrebig und hochkonzentriert bei der Sache. In meinem Beruf als Hundetrainerin habe ich mich von Beginn an auf die komplexe Ausbildung der verschiedenen Jagdhunderassen spezialisiert. Dabei mache ich täglich die Erfahrung, dass ein Jagdhund, genauso wie ein „jagender Hund“, seine Menschen an die Belastungsgrenze bringen kann.
Jagen macht einfach Spaß!
Immer wieder wird mir während des Trainings die Frage gestellt: „Warum macht er das, er bekommt doch zweimal täglich sein Fressen?“ Unsere Hunde jagen, im Gegensatz zu Wildcaniden wie Wölfen oder Kojoten, tatsächlich in den seltensten Fällen, um Nahrung zu erwerben.
Die Antwort ist viel einfacher: Jagen macht unseren Hunden einfach Spaß und hat zudem selbstbelohnenden Charakter. Allein schon das Hetzen der Beute ist für den Hund ein befriedigendes Gefühl, denn beim Jagen werden „Glückshormone“ ausgeschüttet. Der Hormoncocktail aus Dopamin, Serotonin, Endorphinen, Adrenalin und Noradrenalin hat ein hohes „Suchtpotenzial“ und führt dazu, dass Hunde immer wieder dieses angenehme Gefühl haben wollen und daher nach jeder Gelegenheit suchen, ihrer jagdlichen Motivation nachgehen zu können.
Deshalb ist es für die Halter von jagdlich motivierten Hunden besonders wichtig, zum einen den Charakter ihres Hundes gut zu kennen, zum anderen aber auch, ihren Hund anhand der Körpersprache gut einschätzen bzw. lesen zu können, um dadurch den Beginn des „Jagens“ zu erkennen. Denn wenn der Hund erst einmal dem Hasen oder Reh hinterherhetzt, ist es eigentlich bereits zu spät. Der Hund kann dann meist erst zurückgerufen werden, wenn er die Beute gepackt hat oder wenn er einsieht, dass er keine Chance hat, das Tier zu bekommen, und das kann erfahrungsgemäß dauern...
Die einzelnen Bestandteile sind je nach Rasse, und bei Jagdhunden je nach Einsatzschwerpunkt, unterschiedlich starkausgeprägt. Allen Rassen ist gemeinsam, dass das „Jagen“ nicht erst mit dem Losrennen des Hundes – also dem Hetzen – beginnt, sondern bereits mit dem Beobachten oder Erschnüffeln – dem sogenannten Orten. Kann ich diesen Zeitpunkt erkennen, kann ich genau jetzt eingreifen und somit den weiteren Ablauf der Handlung steuern.
Verschiedene Einsatzgebiete
Jagdhunde werden meist entsprechend ihrer „Spezialisierung“ für die dazu passende Jagdart eingesetzt. Die Apportier- und Schweißhunde kommen bei der Arbeit „nach dem Schuss“ zum Einsatz, um das Wild nach erfolgreicher Jagd zu suchen und den Jäger zum Wild zu führen bzw. das Wild zum Jäger zu bringen. Die Vorsteh- und Stöberhunde werden hauptsächlich für die Arbeit „vor dem Schuss“ gebraucht, um wahrgenommenes Wild anzuzeigen oder aufzustöbern. Häufig zum Einsatz kommen auch die sogenannten Solitärjäger, zu denen die Dackel und Terrier zählen. Ihre Spezialisierung liegt bei der Arbeit „unter der Erde“, im Fuchs- oder Dachsbau. Hier stöbern sie den Fuchs auf, verfolgen ihn und treiben ihn aus dem Bau. Dabei kann es auch schon einmal zu einem Kampf unter der Erde kommen, denn gerade Raubwild ist durchaus sehr wehrhaft und kann seinen Unmut über die Störung durch den Hund mit heftigen Bissen äußern.
Diese Spezialisierungen wurden über Jahrzehnte durch die Zucht verfeinert und für den jagdlichen Gebrauch „optimiert“, indem das für die jeweilige Jagdart benötigte Verhalten der ursprünglichen Handlungskette verstärkt wurde. Die jagdliche Motivation steckt generell in jedem unserer Hunde, vom Deutschen Terrier bis zum Bichon Frisé. Aber nicht bei allen Rassen wurde diese Motivation durch die Zucht weiter verstärkt.
Jagdhunde – Einteilung in Gruppen
Grundsätzlich kann man Jagdhunde in drei unterschiedliche Gruppen einteilen, den Gemeinschaftsjäger, der bei der Jagd eng mit dem Menschen zusammenarbeitet, den Meutejäger, der in einer großen Gruppe von Hunden, der sogenannten Meute, jagt, und den Solitärjäger, der bei der Jagd, in dem Fall der Baujagd, auf sich allein gestellt ist und damit grundsätzlich sehr selbstständig handelt. Ein kleiner Überblick Die Zahl der Jagdhunderassen ist enorm. Hier dennoch einige Beispiele in alphabetischer Reihenfolge:
• Gemeinschaftsjäger/Vorstehhunde:
Deutsch Drahthaar, Deutsch Kurzhaar, Deutsch Langhaar, Deutsch Stichelhaar, Englisch Setter, Epagneul Breton, Gordon Setter, Griffon, Großer Münsterländer, Irish Setter, Kleiner Münsterländer, Magyar Vizsla, Pointer, Pudelpointer, Spinone, Weimaraner
• Gemeinschaftsjäger/Stöberhunde:
Cocker Spaniel, Deutscher Wachtelhund, English & Welsh Springer Spaniel
• Gemeinschaftsjäger/Apportierhunde:
Chesapeake Bay Retriever, Curly Coated Retriever, Flat Coated Retriever, Golden Retriever, Labrador Retriever, Nova Scotia Duck Tolling Retriever, Pudel
• Meutejäger/Schweißhunde:
Alpenländische Dachsbracke, Basset, Bayrischer Gebirgsschweißhund, Beagle, Bloodhound, Brandl Bracke, Deutsche Bracke, Foxhound, Hannoverscher Schweißhund, Steirische Rauhaarbracke, Tiroler Bracke, Westfälische Bracke
• Solitarjäger:
Border Terrier, Cairn Terrier, Deutscher Jagdterrier, Foxterrier, Manchester Terrier, Parson Russel Terrier, Teckel, Welsh Terrier, West Highland White Terrier
Jagdhunde als Familienmitglieder?
Immer häufiger werden die ursprünglich ausschließlich Jägern vorbehaltenen Hunderassen, wie der Deutsch Drahthaar, der Große Münsterländer, der Weimaraner oder die Bracken, auch als reine Familienhunde abgegeben und gehalten. Zudem werden viele im Ausland „aussortierte“ Jagdhunde über den Tierschutz nach Deutschland importiert.
Aber ist die Haltung eines solchen Jägers denn überhaupt möglich, ohne dass der Mensch an seinem Jagdhund verzweifelt oder aber der Hund ein langweiliges Leben ohne Befriedigung seiner Bedürfnisse führt?
Ein Jäger bzw. ein Mensch mit einem Jagdschein macht den Jagdhund noch nicht glücklich! Vielmehr sind der Praxiseinsatz, also die Passion des Jägers und die dazu passende Spezialisierung des Hundes hierfür entscheidend. Hinzukommt, dass im Bundes- bzw. Landesjagdgesetz Jagdzeiten (Schusszeiten) für jede Wildart festgelegt sind. Wild darf also nicht zu jeder Zeit bejagt werden, doch was macht der Hund in der sogenannten „Schonzeit“? Damit er dann nicht „arbeitslos“ ist, sollte auch ein Jäger seinen Hund in dieser Zeit alternativ beschäftigen, je nach Rasse z. B. mit Apportiertraining, Fährtentraining oder freier Suche. Es ist also wichtig, dass das gewählte Alternativverhalten der Spezialisierung des Hundes entspricht und sein Jagdverhalten durch die Ersatzbeschäftigung befriedigt wird. Durch ein gut aufgebautes Training kann ein Hund zwar fast alles lernen, aber mit dem entsprechenden „angeborenen Talent“ lernt es sich leichter und mit deutlich mehr Spaß!
Unsere Hunde sind Beutegreifer, denen wir das Jagen nicht abgewöhnen können! Es ist ein ausgeprägter Bestandteil ihres Charakters, der das Wesen dieser Hunde zu einem Großteil überhaupt erst ausmacht. Durch alternative Beschäftigungsformen ist es aber auch Nicht-Jägern möglich, passionierte Jagdhunde bzw. Hunde mit starker jagdlicher Motivation zu halten und damit das Jagdverhalten dieser Hunde kontrollier- und händelbar zu machen. Durch zeitgemäßes, gut aufgebautes Training lässt sich dann auch ein solcher Hund durch den Alltag bzw. durch schwierige Situationen „steuern“. Ob ich die „perfekte“ Ersatzbeschäftigung für meinen Jagdhund gefunden habe, zeigt mir mein Hund, wenn er Freude am Training hat und danach zufrieden und ausgeglichen ist.
Was Jagdhunde lernen müssen
Die Ausbildung eines Jagdhundes ist, genauso wie das Training eines „jagenden Hundes“, sehr umfangreich und auch zeitaufwendig. Zum Aufbau und der Ausübung eines geeigneten Alternativverhaltens kommt ein intensives „Basistraining“ mit gut gefestigten Grundsignalen hinzu. Man sollte sich bereits vor dem Start des Trainings Gedanken machen, denn die Auswahl der „Signale“ kann entscheidend sein. Diese sollten sich nicht nur gut voneinander unterscheiden, wie das bei Signalen ja grundsätzlich der Fall sein sollte, sie müssen auch bei Hintergrundgeräuschen weittragend und durchdringend sein, damit der Hund sie auch auf weite Distanz und in stark dynamischen Situationen überhaupt wahrnehmen kann.
Daher wird gerade für die entscheidenden Signale, wie das Stoppen auf Distanz und den Rückruf, in der Regel der Pfiff einer Hundepfeife genutzt. Das Stopp-Signal bzw. der Stopp-Pfiff dient dabei zur Unterbrechung im Freilauf bzw. als Abbruch, mit dem man jede weitere Aktivität des Hundes unterbinden kann. Wenn gewünscht, kann dieses Stoppen fest mit einer bestimmten Position (Steh, Sitz, Platz) des Hundes kombiniert werden.
Das körpersprachliche Führen des Hundes über größere Distanzen ist ebenso wichtig wie eine zuverlässige Leinenführigkeit und das freie Folgen, sowohl an der Seite als auch hinter dem Menschen, auch unter stark ablenkenden Reizen. Dabei sollte das Training der Grundsignale, so wie jedes Hundetraining, in kleinen Schritten, mit vielen Wiederholungen und von reizarmen zu reizvollen Situationen aufgebaut werden.
Eine hohe Impulskontrolle, wie sie auch bei der Schuss- und Standruhe erforderlich ist, kann dem jagdlich passionierten Hund in schwierigen Situationen das Leben retten. Bei einer perfekten Impulskontrolle kann sich der Hund bei einem hoch erregenden Reiz ohne Aufforderung durch seinen Menschen selbst beherrschen. Eine hundertprozentige Impulskontrolle in allen Situationen ist für den Hund in der Regel jedoch nicht erreichbar. Im Training sollten deshalb so viele unterschiedliche Gegebenheiten wie möglich geübt und durch einen geschickten Trainingsaufbau zusätzlicher Frust oder Stress vermieden werden. Denn jedes Mal, wenn der Hund seine Impulse kontrollieren muss, wenn er also dem Reiz widersteht, dem Apportiergegenstand hinterher zu laufen, die Beute an der Reizangel zu packen oder den Gerüchen auf dem Boden zu folgen, entsteht beim Hund Frust. Mit jeder Übung steigt der Frustlevel an und man muss im Training darauf achten, dass „das Fass nicht überläuft“. Bevor dies geschieht, muss das Impulskontrolltraining beendet werden, der Hund muss entweder die Möglichkeit erhalten, dem Impuls jetzt, natürlich auf Signal des Menschen, nachzugeben, oder sich komplett zu entspannen, indem das Training ganz beendet wird.
Mehr und mehr kann der Hund durch ein kontrolliertes Training immer weiter gesteigerte Reize immer länger aushalten. Laufen langfristig alle Bemühungen ins Leere, die Impulskontrolle des Hundes zu steigern, sollten medizinische Ursachen, wie z. B. Schmerzen, Schilddrüsenfehlfunktionen etc., ausgeschlossen werden.
Körperlich und geistig auslasten
In Kombination mit dem Training der Jagdsequenzen bzw. der Alternativbeschäftigung erreicht man somit eine gute geistige und körperliche Auslastung des jagenden Hundes. Das Arbeiten mit „echtem Wild“ sollte jedoch immer den jagdlich geführten Hunden vorbehalten bleiben!
Dennoch muss auch bei diesen nicht für jedes Training Wild genutzt werden. Der moralische und ethische Aspekt sollte immer eine Rolle spielen, wenn Tiere ihr Leben lassen müssen. Natürlich muss ein Hund, der den Jäger auf der Jagd begleitet, bevor es an den richtigen Einsatz geht, auch den Umgang mit Wild erlernt haben. Denn ein Kaninchen oder eine Ente muss beispielsweise doch ganz anders getragen und festgehalten werden als ein Dummy. Ein guter Jagdhund benötigt dazu allerdings nicht hunderte von Trainingseinheiten. Ein Übungstag in der Junghundezeit, um den jungen Hund an den Geruch von Wild und das Gefühl des weichen, befellten Körpers im Maul zu gewöhnen, zwei bis drei Trainings im Alter von etwa einem Jahr vor der Jugendprüfung, bei welcher die Anlagen des noch jungen Hundes überprüft werden sowie zwei bis drei Trainings im Alter von etwa zwei Jahren, wenn die Brauchbarkeit des Hundes überprüft wird und er mit Bestehen dieser Prüfung die Eignung für den Jagdeinsatz bescheinigt bekommt, sind in der Regel vollkommen ausreichend. In der restlichen Zeit kann man auch diese Hunde mit Wildersatz, also mit Dummys, trainieren. Für den Hund spielt es letztlich keine Rolle, ob er der Spur eines Kaninchens, eines Felldummys oder sogar eines einfachen Dummys folgt, solange er nur seine Nase einsetzen kann. Auch sämtliche Apportierübungen lassen sich hervorragend mit Dummys durchführen. So kann der Hund in Feld und Wald versteckte Dummys suchen, auf ein – vorab für den Hund nicht sichtig – ausgelegtes Dummy eingewiesen werden oder aber von einem Helfer geworfene Dummys auf Signal des Menschen holen.
Auch das Training an der Reizangel macht den meisten Jagdhunden großen Spaß. Wichtig ist, von Anfang an den Schwerpunkt nicht auf das Hetzen, sondern auf die Impulskontrolle zu legen. Der Jagdhund muss also erst einmal eine Zeitlang sitzen bleiben, während die Beute an der Reizangel vor ihm hin und her bewegt wird, bis er dann auf ein Signal seines Menschen hinterherhetzen darf. Auch der Aufbau des Stopp- bzw. Abbruchsignals sowie das Vorstehen vor der Beute kann hervorragend mit der Reizangel trainiert werden.
Bei einem Jagdhund, der nicht jagdlich geführt wird, entscheiden letztlich das erlernte Alternativverhalten und ein konsequentes Training darüber, ob der Hund für den Menschen kontrollierbar ist und ob er mit ihm zusammenarbeitet. Das sorgfältig ausgesuchte „Alternativverhalten“ im Hinblick auf die Spezialisierung des „Jagdhelfers“ ist daher der wichtigste Schritt für ein erfolgreiches (Anti-)Jagdtraining! Bis man mit seinem Jagdhund am Ziel des Trainings ankommt, werden einige Monate vergehen. Während dieser Zeit ist es besonders wichtig, erst einmal zu verhindern, dass der Hund sein Jagdverhalten weiterhin frei ausleben kann. Denn wie schon erwähnt, würde sich der Hund ansonsten immer wieder selbst belohnen und sein jagdliches Bedürfnis ohne seinen Menschen befriedigen. Aus seiner Sicht bestünde damit keine Veranlassung auf die Angebote des Menschen einzugehen. Deshalb ist die wichtigste Erste-Hilfe-Maßnahme bei einem Hund, der unerwünschtes Jagdverhalten zeigt, ihn draußen ausschließlich an der Schleppleine zu führen. So kann er sich dem Einwirkungsbereich des Menschen nicht entziehen.
An der Schleppleine
Das sollten Sie beim Training beachten:
• Der Hund sollte immer ein gut sitzendes Geschirr tragen, an dem die Schleppleine befestigt ist. Würde man die Schleppleine am Halsband befestigen, könnte der Hund sich schwer verletzen, wenn er auf einmal losstartet und schneller am Ende der Leine angekommen ist, als gedacht.
• Man sollte beim Führen des Hundes mit Schleppleine immer Handschuhe tragen! So schützt man die Hände vor Verbrennungen, falls der Hund die Leine durch die Hände zieht.
• Eine Schleppleine sollte immer so gehalten werden, dass sie leicht gespannt ist, aber ohne starken Zug. Sie sollte also nicht durchhängen und über den Boden schleifen, da es sonst schnell zu Verletzungen des Hundes kommen kann, wenn dieser sich in der Schleppleine verwickelt oder auf einmal losstartet. Dazu wickelt man die Schleppleine in Schlaufen über die Hand, beginnend am Ende der Schleppleine. Entfernt sich der Hund, wickelt man die Schleppleine von der Hand ab. Kommt er wieder in Richtung des Menschen oder bleibt er stehen, nimmt man die Schleppleine wieder auf.
• Erst im späteren Training lässt man die Schleppleine schleifen, bis sie dann letztlich in kleinen Schritten abgebaut wird.
Der Rückruf ist das A und O
Mein persönlicher Schwerpunkt und der Einstieg in die Ausbildung eines Jagdhundes bzw. eines Hundes, der unerwünschtes Jagdverhalten zeigt, ist immer ein sorgfältig aufgebauter Rückruf! Viele Hunde werden beim Rückruf mit einem besonders guten Leckerchen, wie z. B. mit Futter aus einer Tube, belohnt. Wenn man sich nun jedoch vor Augen führt, dass die wenigsten Hunde jagen, um sich zu ernähren, ist es fraglich, ob Futter (außer vielleicht für den Labrador oder Golden Retriever) in dieser Situation wirklich eine adäquate Belohnung darstellt oder ob man dem Hund nicht besser eine Jagdsequenz aus der Verhaltenskette als Belohnung anbietet. Auch für die Auswahl der geeigneten Belohnung kann ich mir die Disposition der Rassegruppen zu Nutze machen, denn auch hierbei steht für den Hund ein möglichst großer Adrenalinkick im Vordergrund. Reagiert der Hund in einer für ihn überaus wichtigen Situation auf den Rückruf bzw. die Ansprache seines Menschen, gilt also vorab zu überprüfen, welche „Bezahlung“ für den jeweiligen Hund optimal geeignet ist und im Training damit den größten Erfolg bringen wird.
Eine häufig gestellte Frage meiner Kunden lautet immer wieder: „Wie lange muss ich meinen Hund denn für das Zurückkommen belohnen?“ Ich antworte dann: „Solange, bis Sie Ihrem Chef mitgeteilt haben, dass Sie ab sofort kein Gehalt mehr für die von Ihnen geleistete Arbeit brauchen …“ Man muss sich dazu klar machen, dass ein Hund, der sich vom Jagen zurückrufen lässt, vollständig gegen seine innerste Motivation handelt! Natürlich muss ein Hund aber nicht dauerhaft für jeden Rückruf die absolute Highlight- Belohnung erhalten. Wurde der Rückruf zuverlässig konditioniert und kann man den Hund auch aus jagdlichen Situationen zurückrufen, gibt es für eine einfache Situation ohne ablenkende Reize dann auch mal „nur“ ein Leckerli. War der Hund jedoch im Ansatz zur Jagd und hat diese abgebrochen, muss man diese wirklich besondere Leistung auch besonders belohnen! Denn sonst wird er schnell wieder in alte Muster verfallen und selbst entscheiden, welchen Spuren er folgt!
Leider gibt es dennoch Hunde, bei denen man trotz konsequentem Training an eine unüberwindbare Grenze stößt. Bei diesen Hunden ist die jagdliche Motivation so ausgeprägt, dass sie sich nicht auf eine „Ersatzbeschäftigung“ mit dem Menschen einlassen und das Jagen über alles stellen. Diese Hunde müssen in wildreichem Gebiet häufig für immer an der Schleppleine bleiben. Bietet man ihnen abseits von Spaziergängen an der Schleppleine ausreichend Möglichkeiten, ihre jagdliche Motivation durch alternative Beschäftigung auszuleben, können auch diese Hunde ein zufriedenes und glückliches Leben führen.
Der Erfolg beim Training hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, und nicht nur ausschließlich von der Motivation des Hundes. Neben der Ausdauer des Halters, die Übungen konsequent und regelmäßig durchzuführen, spielt auch die Erfahrung des Trainers eine große Rolle. Bei einem Hund mit ausgeprägtem unerwünschtem Jagdverhalten, der seiner Leidenschaft schon mehrfach ungehindert nachgehen konnte, sollte man sich unbedingt an einen professionellen Hundetrainer wenden. Dieser muss dazu nicht unbedingt Jäger sein. Soll der Hund jedoch auf der Jagd eingesetzt werden, ist es zwingend notwendig, dass der Hundetrainer sich auch mit den Abläufen der Jagd und dem daraus resultierendem Arbeitseinsatz des Hundes auskennt. Ruhiges Apportieren von Wild, ohne zu knautschen und die Beute dadurch zu entwerten, sowie zuverlässige Abgabe in die Hand sind Beispiele hierfür. Denn der jagdlich geführte Hund muss am Ende seiner Ausbildung einen Job erledigen, bei dem Fehler unter Umständen unnötiges Leiden für das erlegte Wild bedeuten. Und das gilt es in jedem Fall zu vermeiden!
Der wichtigste Faktor für einen anhaltenden Erfolg beim (Anti)-Jagdtraining, ein kontrollierbares Jagdverhalten und ein stressfreies Zusammenleben mit einem waidmännischen Gefährten ist daher kurz gesagt die „gemeinsame Jagd“, wie auch immer diese gestaltet wird!
Das Jagdverhalten besteht aus einer Verhaltenskette
Orten: Beute wahrnehmen
Fixieren: Beute mit den Augenverfolgen
Anpirschen: Langsame Annäherung an die Beute
Hetzen: Beute verfolgen
Packen: Beute greifen
Töten: Beute gezielt töten
Zerreißen: Beute zerkleinern
Fressen: Beute zum Nahrungserwerb fressen
Geeignete Alternativ-Beschäftigungen
- für das Orten
• Quer- oder Stöbersuche auf ein Felldummy
• Futterfährte mit Jackpot am Ende
• Geruchsschleppe mit Felldummy zum Apportieren
• Rückspursuche mit Felldummy
• Mantrailen
- für das Fixieren und Anpirschen
• Lauerspiele vor der Hatz an der Reizangel
• Verweisen/Anzeigen von Gegenständen
- für das Hetzen
• Wurfspiele, Wurfarm
• Reizangel verfolgen
• Rennspiele mit dem Menschen
• Hasenzugmaschine
- für das Packen und Töten
• Tragen
• Präsentieren
• Apportieren
• Packen an der Reizangel mit Zerren
• Zerrspiele mit dem Menschen
• Schütteln und Zerreißen von Stofftieren, Knotentauen, Papierkartons
Ein Artikel unserer Kollegin Richarda Theobald-Hoffmann von der Martin Rütter Hundeschule St. Wendel/Kaiserslautern