Hundeverhalten einschätzen
Wie genau läuft die Einschätzung eines Hundes ab?
Im Idealfall hole ich das Mensch-Hund-Team am Auto ab und schaue mir an, wie der Hund reagiert, wenn ich mich dem Auto nähere und den Halter begrüße. Danach bitte ich den Halter, seinen Hund aus dem Auto zu holen und anzuleinen. Auch der Weg zum Testgelände gibt Aufschluss über das jeweilige Team. Wer führt wen? Wer übernimmt welche Aufgaben? Wer agiert und wer reagiert? Nach diesem ersten Eindruck stelle ich im Rahmen einer Anamnese Fragen über den Hund und das häusliche Umfeld. Währenddessen bleibt der Hund an der Leine. Ich beobachte, wie er auf diese Situation reagiert. Entspannt er sich oder zeigt er Stressverhalten und Frust? Wie gehen die Halter damit um? Danach möchte ich den Hund im Freilauf und den derzeitigen Trainingsstand der Grundsignale sehen. Was macht der Hund, sobald die Leine ab ist? Welche Körperhaltung zeigt er beim Erkunden des Geländes? Nimmt er Kontakt zu seinem Halter oder mir auf? Wenn ja, wie? Falls möglich, lasse ich den Menschen mit seinem Hund spielen und beobachte auch hierbei, wie sich der Hund verhält. Die weiteren Testsituationen sind abhängig vom ersten Eindruck des Hundes und der geschilderten „Problematik“.
Wie zuverlässig ist so eine Einschätzung?
Um einen Hund zuverlässig einschätzen zu können, bedarf es im Idealfall mehrerer Begutachtungen, die in einem zeitlichen Abstand stattfinden. Ein Besuch im häuslichen Umfeld und ein gemeinsamer Spaziergang auf den bekannten Wegen runden das Bild erst vollkommen ab, da sich viele Hunde hier ganz anders verhalten als auf dem Testgelände. Das kann dann oft die erste Einschätzung auf dem Testgelände bestätigen oder neue Aspekte im Verhalten des Hundes zu Tage bringen. Bei Hunden aus dem Tierschutz können oft viele Fragen nicht zuverlässig durch den Halter oder das betreffende Tierheim beantwortet werden, da sichere Quellen über das bisherige Leben des Hundes fehlen.
Wie arbeitest Du mit Hunden aus dem Tierschutz, über die keinerlei Informationen bekannt sind, wie z. B. Fundtieren?
In solchen Fällen lege ich den Schwerpunkt der Beurteilung des jeweiligen Hundes auf den praktischen Teil der Tests. Über das momentan beobachtbare Verhalten können häufig Rückschlüsse über bisher gemachte Erfahrungen gezogen oder mögliche Erfahrungsmängel sichtbar werden. Besonders eine Begutachtung des Hundes außerhalb des Tierheims ist hierbei enorm wichtig, da die Tierheimsituation für viele Hunde sehr stressig ist und das Verhalten sehr stark beeinflusst. Ebenso ist eine gründliche tierärztliche Untersuchung von Hunden aus dem Tierschutz immens wichtig, um organische Ursachen für das derzeitige Verhalten auszuschließen und um auf eventuelle Erkrankungen beim Training Rücksicht nehmen zu können.
Nimmst Du in Deiner Hundeschule eine Einschätzung jedes Hundes vor, bevor Du mit ihm trainierst?
Ja, wir führen eine solche Einschätzung immer vor dem Training durch, um das Training individuell auf das jeweilige Mensch-Hund-Team abstimmen zu können.
Welche Auswirkung hat die Einschätzung eines Hundes auf das Training?
Der Hund bestimmt bei uns den Trainingsweg. Wir orientieren uns an den natürlichen Bedürfnissen des Vierbeiners. Jeder Hund ist anders und jeder Mensch hat andere Erwartungen an seinen Hund. Je nach Ursache des Verhaltens und der Persönlichkeit des Hundes entwerfen wir einen individuellen Trainingsplan, der auf den jeweiligen Hund und seinen Halter zugeschnitten ist. So kann es also passieren, dass Sie und Ihr Hund von mir einen Trainingsweg nahegelegt bekommen, von dem ich Ihrem Nachbarn vielleicht abraten würde.
Marc Lindhorst ist einer der ersten DOGS Coachs. Seit 2005 steht er Hundehaltern im norddeutschen Raum auf dem Weg zu einer harmonischen Beziehung zu ihrem Vierbeiner zur Seite.